Austro-"Hirn" für das Auto der Zukunft
Von Anita Staudacher
Das Auto der Zukunft als riesiges Smartphone auf vier Rädern? Samsung-Chefstratege Young Sohn ist davon fest überzeugt: "Das Handy ist heute ganz anders als vor zehn Jahren und in zehn Jahren wird das Auto ganz anders sein als heute", sagte der Top-Manager auf einer Pressekonferenz in Wien.
Der koreanische Smartphone-Riese investiert derzeit Milliarden, um sich einen wichtigen Platz im selbstfahrenden Auto zu erkämpfen. Als Anbieter von Prozessoren, Kommunikationschips oder Batterien spielt Samsung bereits jetzt eine wichtige, aber noch keine Hauptrolle. Im Vorjahr erfolgte daher die Übernahme des deutschen Autozulieferers Harmann (siehe Artikel unten), für weitere Investments wurde ein 250-Millionen-Euro schwerer Automotive-Fonds aufgelegt.
Steuerungsplattform
Fast ein Drittel des Fonds, 75 Millionen Euro, fließt an den Wiener IT-Spezialisten TTTech. Wie berichtet schließt Samsung eine langjährige Technologie-Partnerschaft zur Weiterentwicklung des autonomen Fahrens. Konkret geht es um eine offene Plattform für Fahrassistenzsysteme und autonome Steuerungssysteme. TTTech-Mitgründer Stefan Poledna spricht vom "Hirn und Nervensystem eines voll vernetzten Autos".
Der Samsung-Deal ergänzt die langjährige Partnerschaft mit Audi. Technologie aus Wien kommt etwa im Fahrassistenzsystem des teilautonom fahrenden Audi A8 vor.
Jobmotor
Durch den Coup erwartet TTTech-Vorstand Georg Kopetz in den nächsten Jahren einen Umsatzturbo, der sich auch auf die Beschäftigung auswirken wird. "Wir werden in den nächsten Jahren sicher Hunderte Jobs in Wien schaffen", kündigt Kopetz an. Derzeit beschäftigt das 1998 als Spin-off der TU gegründete Unternehmen 500 Mitarbeiter. Weitere 800 Programmierer arbeiten beim serbischen Entwicklungspartner RT-RK, an dem TTTech die Mehrheit hält. Für heuer wird ein Umsatz von 100 Millionen Euro erwartet.
Das Geld von Samsung fließt übrigens nicht direkt ins Unternehmen, sondern in die ausgegliederte Automotive-Sparte, an der sich auch andere Partner beteiligen können. Kopetz schließt nicht aus, die Autosparte schon bald an die Börse zu bringen: "Ja, es gibt Börsepläne." Wien gilt dabei aber nicht als erste Wahl. Anteile an TTTech halten neben Audi (32 Prozent) auch die Technologie-Konzerne Infineon und General Electric. Eine Konkurrenzsituation zu Samsung sei beim Thema Auto nicht gegeben, meint Sohn.
Der Straßenverkehr wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Während heute noch heiß über die Elektrifizierung von Fahrzeugen und den Aufbau entsprechender Infrastruktur diskutiert wird, kommt es im Hintergrund bereits zu viel größeren Umwälzungen. Carsharing, Vernetzung („Connected Car“) und Automatisierung werden den Individualverkehr auf vier Rädern grundlegend verändern. Wenn sich Autos in immer mehr Situationen selbst steuern, wird der Innenraum zum erweiterten Wohnzimmer, dessen Insassen unterhalten werden wollen.
Mehrwert bieten
Der Mehrwert durch das Angebot an digitalen Diensten wird zum immer schlagkräftigeren Das damit einhergehende Umsatzpotenzial haben IT-Konzerne, die ursprünglich wenig mit dem Automobilbereich zu tun hatten, schnell erkannt. Mit Autoherstellern und klassischen Zulieferunternehmen liefern sie sich ein Wettrennen um immer fortschrittlichere Fahrerassistenzdienste (advanced driver assistance services – ADAS).
Samsung hat den Zulieferer Harman um acht Milliarden Dollar (6,7 Mrd. Euro) übernommen und investiert 300 Millionen Dollar (250 Mio. Euro) in neue Fahrzeugtechnologien. Chipgigant Intel hat den israelischen Sensorspezialisten Mobileye um 15,3 Milliarden Dollar (12,8 Mrd. Euro) übernommen. Qualcomm, bekannt für seine Smartphone-Prozessoren, ist dabei, den Automobil-Chiphersteller NXP für 47 Milliarden Dollar (39,3 Mrd. Euro) zu kaufen.
Partnerschaften
Facebook bietet Autoherstellern etwa leichtere Personalisierung neuer Fahrzeuge dank seiner Nutzerdaten an. Auch Amazon, Apple, der chinesische Online-Gigant Baidu oder Grafikkarten-Hersteller Nvidia involvieren sich stark bei der Entwicklung neuer Fahrzeugtechnologien. Dazu kommen Hunderte Start-ups. Genauso wenig, wie etwa Google-Tochter Waymo geht es den Unternehmen darum, ein eigenes Fahrzeug zu produzieren. Stattdessen werden Autohersteller als Partner gesucht. Diese wollen aber nicht alle Bereiche an externe Anbieter auslagern. Der profitträchtige Markt ist jedenfalls stark in Bewegung. Wer Kundenbedürfnisse schneller erfüllt, sichert sich einen größeren Teil des Kuchens.
- David Kotrba