Wirtschaft

Aufstieg und Fall der Familien-Imperien

Der 87-jährige Helmut Niedermeyer leidet. Er muss mitansehen, wie Gläubiger, Banker und Investoren gnadenlos um die von ihm aufgebaute, mittlerweile insolvente Elektronikhandelskette feilschen. Gelingt es nicht demnächst, frisches Geld aufzustellen, werden die blau-gelben Filialen für immer aus dem Straßenbild verschwinden. „Den alten Herrn Niedermeyer trifft das alles sehr hart, er ist wirklich bestürzt“, schildert ein Freund.

Persönlich hatte Helmut Niedermeyer, einer der typischen Aufbau-Unternehmer der österreichischen Nachkriegsgeschichte, noch Glück. Der Sudetendeutsche begann nach der Rückkehr aus der russischen Gefangenschaft als Verkäufer in einem Fotogeschäft in Wien. Sparsam, arbeitsam und vom eisernen Willen zum Erfolg beseelt, zog er eine Fotohandelskette auf und verdiente sich mit der Ausarbeitung von Bildern samt dem Verkauf von Zubehör eine goldene Nase. Als die großen Diskonter ins damals noch lukrative Foto-Business drängten, konnte das Imperium Ende der 90er-Jahre rechtzeitig verkauft werden. Seitdem wechselten die Eigentümer mehrmals.

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Sohn Christian Niedermeyer scheint mehr Distanz zu haben. Die Versilberung des Familienunternehmens hatte viel mit dem Konflikt zwischen Senior und Junior zu tun. Die Bemühungen des präsumtiven Nachfolgers, im Unternehmen zu reüssieren, scheiterten an der Dominanz des Vaters. „Der Christian war sehr engagiert und hätte auch das Zeug zum Chef gehabt, aber der Alte hat ihn nie herangelassen. Klar, dass Christian kein Standing bei den Mitarbeitern hatte, da hätte der Vater helfen müssen, anstatt ihm immer dreinzureden“, erinnern sich Geschäftsfreunde. Der Versuch, eine Optikerkette aufzuziehen, scheiterte, der zwischen Marbella und Klosterneuburg pendelnde ewig junge Sonnyboy der Society-Szene beschäftigt sich heute nur noch mit Kleinprojekten.

Wäre alles anders gekommen, wenn Niedermeyer Senior rechtzeitig losgelassen hätte? „Typisch für viele Familienunternehmen, der Gründer hat alle Zügel in der Hand, ist die Sonne im Unternehmen und macht das Feld nicht frei. Da verdrießt’s die Jungen so, dass sie gehen oder sie scheitern“, beobachtet Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des Kreditschutzverbandes von 1870.Andererseits, „nicht jeder ist eine Unternehmerpersönlichkeit, nur weil der Großvater ein Entrepreneur war. Die größten Herausforderungen an Gründer sind die Vorbereitung der nächsten Generation, der Zeitpunkt der Übergabe und dass sie sich dann heraushalten“, weiß Kantner, der schon etliche Familienunternehmen den Bach hinuntergehen sah.Das Problem der dominanten Väter, die „formell das Unternehmen übergeben haben, aber nach wie vor hineinregieren“, konstatiert auch Hermann Frank, Chef des Instituts für KMU-Management an der Wiener Wirtschaftsuni. „Exit Driving“ nennt sich dieses Verhaltensmuster, „wenn aus der zweiten Reihe ins Lenkrad gegriffen wird“.

Vergangene Woche wurde wieder ein österreichischer Traditionsbetrieb verkauft, den die Erben-Generation nicht mehr halten konnte. Dabei kam eine Unternehmerdynastie zum Zug, deren Historie noch viel älter ist. Die in die Insolvenz gerutschte Wiener Süßwarenfabrik Walter Niemetz, Erzeugerin der Schwedenbomben, wurde von einer rumänischen Tochter der Julius-Meinl-Gruppe in letzter Sekunde vor dem Aus gerettet. Ursula Niemetz, Tochter des Gründers, und ihr Partner Steve Bachelor konnten (oder wollten) das notwendige Kleingeld für die Fortführung des schon länger kränkelnden Betriebs nicht aufbringen. Die Süßwarenmanufaktur wurde 1930 vom Konditor-Sohn Walter Niemetz gegründet, nach seinem Tod 1992 übernahmen die Tochter und ihr Lebensgefährte.

Julius Meinl V. selbst zog bereits in den 90er-Jahren den Schluss-Strich unter die Familientradition. Der gelernte Banker und Spross der bekanntesten Handelsdynastie der Habsburgermonarchie verscherbelte die altehrwürdigen Einzelhandelsfilialen des Imperiums an Rewe und Spar. Ein geschickter Schachzug, denn Meinl hätte im mörderischen Preiskampf der großen Ketten nicht mehr lange mithalten können. Heute muss sich Julius als Finanzdienstleister großen Stils mit den Klagen Tausender Anleger und lästigen Fragen der Staatsanwaltschaft wegen des rund um die Meinl Bank aufgezogenen Immobiliengeschäfts (Meinl European Land) beschäftigen.

Zu viel Tradition tut nicht gut, diese bittere Erfahrung machten vor wenigen Monaten die Brüder Herbert, Reinhard und Robert Backhausen. Der 1810 gegründete k. & k. Hoflieferant, Partner der Wiener Werkstätten, verschlief den Sprung in die Moderne. Immer noch wurden die alten Textil-Entwürfe verkauft, heute noch wird im Waldviertel auf den alten Maschinen im Gebäude aus 1870 produziert. Nach einem unrühmlichen Zwischenspiel mit dem verhinderten AUA-Aktionär Mohamed Al Jaber nähten sich die Gläubigerbank Hypo Niederösterreich und eine Investorengruppe um Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den Stoffhersteller ein. Einer der Backhausen-Brüder schlitterte wegen seiner Haftungen fürs Unternehmen kürzlich auch noch in den Privatkonkurs.

„Die Kunden geben nicht mehr viel auf Tradition und kaufen nicht mehr dort, wo schon der Großvater eingekauft hat“, beobachtet Kantner. Statt in Ehrfurcht vor der Tradition der Väter zu erstarren, „benötigen Nachfolger oft auch eine gewisse Respektlosigkeit. Das kann manchmal in den Abgrund führen, ist aber auch ein Rezept für Neues“. Dass Familienunternehmen von den Erben häufiger an den Abgrund manövriert würden als von externen Managern, ist bis dato allerdings empirisch nicht belegt, wendet Frank ein. Und weist darauf hin, dass „die ältesten Firmen meist doch wieder Familienunternehmen sind“.

Monatelang konnte die Öffentlichkeit zusehen, wie sich Familienmitglieder, Vorstand und Aufsichtsräte des Dessous-Konzerns Palmers 2002 einen erbitterten Machtkampf lieferten. Das Ergebnis des heftigen Hauens und Stechens war der Verkauf eines der größten österreichischen Familienunternehmens an Private-Equity-Fonds. 90 Jahre nach der Gründung durch Ludwig Palmers, der 1914 mit einem Wäschegeschäft in Innsbruck begann.

Sein Sohn Walter Palmers zog das flächendeckende Netz an grünen Palmers-Filialen auf. 1977 wurde er vor seiner Villa im Wiener Nobelbezirk Währing entführt und nach einer Lösegeldzahlung der Familie von mehr als zwei Millionen Euro freigelassen. Zwei Jahre später zog er sich zurück und übergab die Unternehmensleitung an Rudolf Humer, den Sohn eines Mitarbeiters. In den 80er- und 90er-Jahren wuchs das Unternehmen rasant. Expansion in Deutschland, Übernahme des Konkurrenten Gazelle, dazu kamen die Modekette Don Gil, der Hemdenhersteller Gloriette, Reiter Schuhe und im Immobilienbereich die Gerngross AG. Die Expansion ging Familienmitgliedern zu rasch, vieles musste im Rahmen einer Sanierung wieder abverkauft werden. Die jetzigen Eigentümer suchen seit Längerem wieder neue Käufer.

Nur ein Jahr hatte noch gefehlt, und das Mode-Imperium Fürnkranz hätte 2009 sein 100-Jahr-Jubiläum feiern können. Stattdessen musste das Traditionsunternehmen, dessen 12 braun-weiß designten Modehäuser für leistbare Damengarderobe in guter Qualität standen, zusperren. Die Erben konnten im Verdrängungskampf gegen Billig-Ketten nicht mehr mithalten, außerdem trübten Unstimmigkeiten die Familienharmonie.

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An der Spitze der Unternehmensgruppe stand jahrzehntelang die Seniorchefin Hermine Fürnkranz, die auch im hohen Alter noch in den Filialen nach dem Rechten sah. Sie heiratete 1939 Karl Fürnkranz und trat 1945 in die Firma des Schwiegervaters ein, ein kleines Warenhaus für Textilien in der Wiener Thaliastraße. Hart zu arbeiten lernte sie, erzählte sie bei ihrer Wahl zur „Business Woman 1998“, im elterlichen Betrieb, einer Fleischhauerei. Sohn Karl Fürnkranz jun., eifriger Seitenblicke-Gast, hatte offenbar nicht mehr den Unternehmergeist der 2005 verstorbenen Mutter.

Der Name Mautner Markhof galt in Österreich als Inbegriff des Reichtums. Die Gründung der Dynastie geht auf Ignaz Mautner (1840) zurück, bekanntester Vertreter war der backenbärtige Manfred Mautner Markhof. 1978 fusionierten die Brauereien der Familie , die einst Nummer drei in Europa waren, mit der Brau Union, die 2003 vom niederländischen Bier-Riesen Heineken übernommen wurde. Senf und Essig wurden an das bayerische Familienunternehmen Develey verkauft.

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Der Versuch der Brüder Manfred Leo und Theodor, wieder in die Lebensmittelbranche einzusteigen, scheiterte 2008 mit mit einem Konkurs. Manfred Leo schlitterte auch in die Privatinsolvenz. Die Brüder leben heute in London, eine Rückkehr nach Österreich und neue unternehmerische Aktivitäten sind laut Familienanwalt „nicht geplant“.