Aufregung um "Message Control" bei der Statistik Austria
Von Anita Staudacher
Fachliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gegenüber politischen Stellen zählen zu den Grundprinzipien einer Statistikbehörde. In der Europäischen Union (EU) schreibt ein eigener Verhaltenskodex bestimmte Regeln vor, wie diese Unabhängigkeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten umzusetzen ist. Vorgänge bei der Statistik Austria wecken Befürchtungen, dass diese Unabhängigkeit in Gefahr ist.
Laut einem Bericht des Standard erhält das Bundeskanzleramt seit Ende März wichtige Mitteilungen aus der Statistik Austria schon am Vortag ihrer Veröffentlichung. Pressemitteilungen werden dem Generalsekretär im Bundeskanzleramt, Bernd Brünner, sowie den Chefs des Wirtschafts- und des Statistikrats, Helmut Kern und Martin Kocher, vorgelegt. Dies sei nicht nur in Einzelfällen passiert, sondern bei allen Presseaussendungen seit März.
Die Statistik Austria rechtfertigt sich laut der Zeitung in einer Stellungnahme damit, dass das Bundeskanzleramt "Aufsichtsorgan und Eigentümervertreter" sei. Die Vorabmitteilungen würden intern dokumentiert, mit Hinweis auf Einhaltung der Sperrfrist, und auf der Website gebe es einen entsprechenden Hinweis. Auch im Bundeskanzleramt sieht man das im Einklang mit dem auf EU-Ebene geregelten Verhaltenskodex für nationale statistische Ämter. Die fixfertigen Presseaussendungen würden ausschließlich dem Generalsekretär des Kanzleramts zur internen Information (und mit Sperrfrist versehen) geschickt, damit man Mitteilungen der eigenen Organisationseinheit nicht nur über die Medien erfahre, heißt es am Samstag.
Veröffentlichungen obliegen der Behörde
Die EU-Regelungen sind bezüglich Unabhängigkeit aber sehr deutlich: "Die Leiterinnen und Leiter der nationalen statistischen Ämter und von Eurostat und gegebenenfalls die Leiterinnen und Leiter anderer statistischer Stellen sind dafür verantwortlich, dass die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung der Statistiken unabhängig erfolgt. Sie tragen die alleinige Verantwortung für die Festlegung der statistischen Methoden, Standards und Verfahren sowie des Inhalts und des Zeitplans der statistischen Veröffentlichungen."
Weiter heißt es noch deutlicher in Punkt 1.6: "Statistische Veröffentlichungen sind klar als solche erkennbar, und statistische Daten werden getrennt von politischen bzw. Grundsatzerklärungen veröffentlicht." Heißt nichts anderes, als dass die Politik statistische Daten nicht zu ihrem Zwecke missbrauchen darf. "Soweit angebracht, nehmen die nationalen statistischen Ämter und Eurostat und gegebenenfalls andere statistische Stellen öffentlich Stellung zu statistischen Fragen, auch zu Kritik an amtlichen Statistiken und zu deren Missbrauch."
Kritik kommt von Wissenschaftern: "Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind das höchste Gut der amtlichen Statistik. Schon der Anschein einer Einflussnahme oder Bevorzugung einzelner Akteure würde das große Vertrauen, das die Statistik Austria genießt, massiv schädigen", kritisiert Harald Oberhofer, Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität und Mitglied der "Plattform Registerforschung" im Standard. Auch Ex-Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer, der unter der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung ins Abseits geriet und der Ende des Vorjahres den Hut nahm, pochte bei seinem Abgang auf mehr Unabhängigkeit.
SPÖ und Neos alarmiert
Die Oppositionsparteien zeigen sich ebenfalls alarmiert. SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer spricht von einem höchst bedenklichen Eingriff in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Statsitik Austria und kündigt eine parlamentarische Anfrage dazu an. Die Vorab-Weitergabe sei ein "neuer Auswuchs der Message Control der schwarz-grünen Regierung", die genauso vorgehe wie zuvor die ÖVP/FPÖ-Koalition. Neos-Mandatar Helmut Brandstätter ortet einen möglichen Verstoß gegen geltende EU-Vorschriften. "Die Überparteilichkeit und Unabhängigkeit der Statistik Austria ist ihr höchster Gut, und wir werden sicher nicht zulassen, dass diese zu Selbstzwecken missbraucht wird. Wir wollen keine Zensurbehörde der Statistik Austria", so Brandstätter.
Wirtschaftsliberaler als neuer Chef
Auch Personalia sorgen für Aufregung. Erst diese Woche wurde bekannt, dass der deutsche Ökonom Tobias Thomas die fachliche Generaldirektion der Statistik Austria übernimmt. Er war davor Leiter des wirtschaftsliberalen Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria. Das private Institut steht der Industriellenvereinigung nahe, wird von ihr finanziert und erstellt wirtschaftspolitische Analysen.
Thomas ist auch außerordentlicher Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und steht mit marktliberalen Aussagen etwa zu Pensionen und Pflege bei den Neos hoch im Kurs. Eine offizielle Aussendung zur Bestellung von Thomas bzw. zum Auswahlverfahren gibt es bis dato nicht.