AUA-Mutter Lufthansa will nach staatlicher Rettung strikt sparen
Auf das Rettungspaket folgt das Sparprogramm: Lufthansa-Chef Carsten Spohr kündigte am Mittwoch angesichts von Milliardenverlusten in der Coronakrise "tiefgreifende Restrukturierungen" der Airline-Gruppe, zu der auch die österreichische AUA gehört, an. Das sei notwendig, um die staatlichen Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro schnellstmöglich zurückzahlen zu können.
Die Lufthansa will dafür Investitionen eindampfen, mit Airbus und Boeing über Flugzeuglieferungen verhandeln und vor allem die Personalkosten drücken. Wie viele der zuletzt rund 137.000 Beschäftigten gehen müssen, steht noch nicht fest. Doch in Konzernkreisen hieß es zuletzt, der Personalüberhang belaufe sich auf bis zu 20.000 Stellen. Mittelfristig sollen auch Geschäftsteile verkauft werden.
"Der weltweite Luftverkehr ist in den vergangenen Monaten fast vollständig zum Erliegen gekommen. Das hat unser Quartalsergebnis in einer bisher noch nie dagewesenen Dimension belastet", erklärte Spohr. Von Jänner bis März, als die massiven Flugstreichungen wegen der Reisebeschränkungen gegen die Pandemie erst losgingen, beförderte die Lufthansa mit knapp 22 Millionen etwa ein Viertel Fluggäste weniger. Der Verlust nach Steuern und Abschreibungen schnellte um mehr als 500 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 2,1 Milliarden Euro.
Neben dem Einbruch des operativen Geschäfts belasteten Abschreibungen auf Flugzeuge und Firmenwerte von zusammen rund 420 Millionen Euro das Ergebnis. Der krisenbedingte Ölpreisrückgang führt nach derzeitiger Schätzung zu Verlusten aus Termingeschäften von 950 Mio. Euro. Das zweite Quartal fällt operativ noch verheerender aus, da im April und Mai gerade noch fünf Prozent der Flüge im Vergleich zum Vorjahr abhoben. Die vom Dax-Abstieg bedrohten Lufthansa-Aktien kletterten nach der Erholung der vergangenen Tage weitere drei Prozent.
Die Lufthansa-Gruppe muss in der Krise mit staatlichen Finanzhilfen von bis zu neun Milliarden Euro Krediten, stillen Einlagen und Aktienerwerb vor der Pleite gerettet werden. Das mit der deutschen Regierung ausgehandelte Finanzpaket muss noch von der EU-Kommission genehmigt werden und Zustimmung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 23. Juni finden. Denn für den Einstieg des deutschen Staates mit einem Anteil von 20 Prozent muss das Kapital um 25 Prozent erhöht werden. Die Finanzhilfen sollen möglichst bis 2023 zurückgezahlt werden - so lange wird nach verbreiteter Einschätzung die Luftfahrt noch brauchen, um den Coronaschock zu verdauen.
Für die Tilgung der staatlichen Finanzhilfe müssten die verfügbaren Mittel deutlich steigen, erklärte der für Finanzen zuständige Vorstand Thorsten Dirks. "Dies wird nur gelingen, wenn wir in allen Konzernbereichen Restrukturierungsprogramme durchführen und uns mit den Tarifpartnern auf innovative Lösungen verständigen." Die Fixkosten konnten bisher um 30 Prozent gesenkt werden, unter anderem durch Kurzarbeit für rund 87.000 Beschäftigte. Dennoch fließen im operativen Geschäft monatlich rund 800 Millionen Euro ab. Außerdem belastet die Erstattung stornierter Tickets die dahinschmelzende Liquidität, die Ende März noch 4,3 Milliarden Euro betrug. Die Kunden hatten Ende Mai noch 1,8 Milliarden Euro an Forderungen.
Die Töchter Austrian (AUA) und Brussels Airlines beschlossen bereits Personalkostensenkungen um 20 und 25 Prozent. Bei der Kernmarke Lufthansa und der deutschen Billigflugtochter Eurowings beginnen die Verhandlungen mit den Gewerkschaften erst. Nach Einschätzung von Daniel Röska, Analyst von Bernstein Research, müsste der Konzern die Personalkosten um mehr als 40 Prozent drücken, um wieder in schwarze Zahlen zu fliegen.
Nachdem im Mai nur noch drei Prozent der geplanten Flüge abheben konnten, baut die Lufthansa mit ihren Tochter-Airlines Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels Airlines den Passagierverkehr ab Juni schrittweise wieder auf. Für September erwartet die Gruppe, 40 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität anzubieten. Vor allem Flüge zu touristischen Zielen sollen ausgebaut werden. Zum Höhepunkt der Krise blieben 700 der 763 Jets der Flotte am Boden. Im kommenden Jahr sollen noch 300 Flieger außer Betrieb sein, 2022 noch 200. Auf Dauer soll die Flotte 100 Maschinen weniger umfassen.