Wirtschaft

AUA an der kurzen Leine

Es passierte nicht zum ersten Mal. Mitten in der Hochsaison werden bei der AUA wieder Flüge gestrichen. Diesmal will nicht einmal das Management von gezielten "unfit-to-fly"-Aktionen der Piloten sprechen. Der Vorstand gesteht Fehleinschätzungen in der Planung wegen vorgezogener Umschulungen ein und spricht von "Druck im System". Aber einen Mangel an Piloten, nein, den habe man nicht. 60 neue Flugzeugführer seien schon an Bord, 24 weitere kämen heuer noch dazu. So kann man um ein Problem auch herumreden.

Bei der Lufthansa-Tochter sind nicht nur Piloten knapp. Insider hatten längst mit der erst kürzlich bekannt gegebenen Einstellung von WienDubai gerechnet. Weil für die neuen Destinationen Miami, Colombo und Mauritius die Flugzeuge fehlen, müssen andere Strecken gestrichen werden.

Von Expansion kann keine Rede sein. Obwohl die ehemalige Staatsairline, die von der Politik an den Rand des Konkurses gesteuert wurde, im Lufthansa-Konzern heute dank ihrer niedrigen Personalkosten als Vorzeige-Modell gilt.

Der im Frühjahr nach Antalya abkommandierte Ex-AUA-Chef Jaan Albrecht legte eine Leistung hin, die Konzernchef Carsten Spohr bis heute nicht geschafft hat. Neue, wesentlich kostengünstigere Kollektivverträge für Piloten und Flugbegleiter. Ohne dass die Belegschaft, im Gegensatz zur Lufthansa, auch nur ein einziges Mal streikte.

Der AUA wurde aus Frankfurt ständig die Karotte hingehalten: Runter mit den Kosten, dann wird expandiert, dann gibt’s zusätzliche Flugzeuge. Bis heute wurde die Langstreckenflotte lediglich um eine ältere Boeing 777 auf elf Maschinen erweitert.

Ohne zusätzliche Flugzeuge aber kein Wachstum.

"Die große Expansion sehen wir nicht. Wir befürchten, dass es frühestens 2018 ein weiteres Langstreckenflugzeug geben kann", sagt Bord-Betriebsratschef Karl Minhard.

Die Mannschaft wird sich weiter gedulden müssen. "Nur mit Passagieren aus und nach Österreich rechnet sich eine Langstrecke nicht. Der Kernmarkt ist zu klein. Dafür braucht man zusätzlich Transfer-Geschäft", analysiert der Luftfahrt-Experte Gerald Wissel, Ex-Lufthanseat und Chef der Hamburger Beraterfirma Airborne.

Will die Lufthansa im mörderischen Wettbewerb gegen die Überflieger aus den Golf-Staaten und neuerdings auch wieder gegen die sanierten US-Airlines mit Umsteige-Verbindungen "überhaupt noch Geld verdienen, dann muss sie ihre Kapazitäten bündeln", meint Wissel. Und wird beispielsweise "Washington – Singapur" wohl eher über Frankfurt bedienen als über Wien.

Geld verdienen Europas Airlines meist nur noch mit gut gebuchten Langstrecken. In Relation zur Größe des Kurzstrecken-Netzes hat die AUA, verglichen mit der Lufthansa und der Schwester Swiss, jedoch zu wenig Fernrouten.

AUA-Sprecher Peter Thier wiegelt ab. Die Lufthansa habe immerhin den erst für 2018/19 geplanten Austausch der veralteten Fokker-Flotte gegen Embraer-Jets vorgezogen. Außerdem stelle die Lufthansa im November 2015 und im Frühjahr 2016 je eine Eurowings-Maschine nach Wien, die von AUA-Crews geflogen wird. Eurowings ist die neue Billigmarke der Lufthansa, mit der Carsten Spohr gegen den erbitterten Widerstand der Pilotengewerkschaft die teuren Tarifverträge umfliegen will.

Noch ist unklar, ob Eurowings ab Wien neue Strecken bedient oder nur auf bestehenden Routen als Preisbrecher eingesetzt wird. Für Swiss, die ebenfalls höhere Kosten hat, fliegen die AUA-Crews derzeit vier Flugzeuge.

Das Eurowings-Konzept könne nur funktionieren, "wenn es konsequent durchgezogen wird – point to point, keine Lounges, keine Meilengutschriften, kein Durchchecken. Die große Frage ist, ob die Passagiere mitspielen", meint Wissel. Denn neben den preissensiblen Kunden, die nur möglichst billig von A nach B fliegen wollen, gibt es die produktsensible Klientel. Die bereit ist, für eine Marke mehr zu bezahlen.

Lufthansa, AUA und Swiss seien starke Marken. Deren Kundschaft dürfe man nicht durch Kleinlichkeiten verärgern. Wissel: "Wenn Kunden für die First Class Tausende Euro hinlegen und für WLAN an Bord zahlen müssen, versteht das wirklich keiner."

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Neben den Erzfeinden Emirates, Qatar und Etihad, die nicht nur mit Preisen, sondern auch mit Qualität punkten, hat die Lufthansa einen aggressiven Rivalen in der eigenen Allianz. Turkish Airlines, Mitglied der "Star Alliance", plant mit der Billig-Tochter AnadoluJet den Start nach Deutschland. Obwohl die stark expandierende, halbstaatliche Fluggesellschaft mit der Lufthansa eine gemeinsame Ferienflug-Tochter hat, die Sun Express. Deren Chef ist seit Kurzem Ex-AUA-Boss Jaan Albrecht. In den nächsten zehn Jahren werden für Europas Carrier die Airport-Kapazitäten zum Riesen-Problem. Während in Europa nicht mehr ausgebaut werden darf, können die Golf-Airlines und Turkish ihre Hubs ungehindert vergrößern. Ende 2017 will Turkish am Bosporus den weltweit größten Flughafen für jährlich 150 Millionen Passagiere eröffnen. Turkish saugt ebenso wie die arabischen Konkurrenten großflächig zu Billigpreisen Passagiere aus Europa ab, um sie über das Heimat-Drehkreuz weiter ins weltweite Langstrecken-Netz zu verteilen.

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