Wirtschaft

Dogudan: "Annäherung Türkei – Europa wird gelingen"

KURIER: DO&CO hat in Istanbul mit 3800 Mitarbeitern den größten Standort des Konzerns. Für wie realistisch halten Sie eine Annäherung zwischen der Türkei und Europa?

Dogudan: Europa muss sich langfristig zu einem Dialog mit der Türkei committen. Eines ist sicher, niemand wird die Probleme alleine lösen. Europa braucht die Türkei und die Türkei braucht Europa, um langfristig in Frieden leben zu können.

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Schon klar, dass Sie wegen Ihrer wirtschaftlichen Interessen in der Türkei diplomatisch formulieren müssen. Aber derzeit hat man nicht den Eindruck, dass Präsident Erdogan viel Wert auf Europa legt.

Die Türkei liegt in einer Region, die instabil ist und wo rundherum sehr viele Probleme sind. Ganz klar, dass dieses Land nicht einfach zu regieren ist und es sehr schwierig ist, die richtige Balance zu finden. Man kann daher die Probleme nicht nur von Europa aus beurteilen, wenn man nicht sieht, was sich vor Ort abspielt. Die Türkei und Europa brauchen mehr Verständnis füreinander, müssen mehr miteinander sprechen, ohne jegliche Vorurteile. Die Türkei ist schließlich das Schlüsselland für die Flüchtlingsströme und hatte schon zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen, ohne dass Europa noch etwas getan hatte. Damit hat sich die Türkei ganz klar als humanes Land positioniert.

Was macht Sie derart zuversichtlich?

Es muss gelingen und es wird gelingen, es gibt auch keine Alternative. Eine Annäherung zwischen der Türkei und Europa ist ein wesentlicher Faktor für die Stabilisierung der Region.

Glauben Sie noch an einen EU-Beitritt der Türkei?

Wenn die Türkei alle Kapitel für einen Beitritt erfüllt, dann muss mir jemand erklären, warum ein Beitritt nicht möglich sein sollte.

Von der Erfüllung der Kriterien ist die Türkei doch noch weit entfernt. Erst ein Kapital ist abgeschlossen, mehr als 30 sind noch offen.

Daher würde ich den Beitritt nicht jetzt präjudizieren. Mit dem Verhandeln und dem Abschluss der einzelnen Kapitel werden sich die Türkei und Europa in ihrem Dialog immer mehr annähern. Jedes abgeschlossene Kapital bedeutet, dass bei diesem Thema Einigkeit herrscht. Warum jetzt schon festlegen, was in fünf oder zehn Jahren passiert. Aber nochmals: Für den Frieden in Europa ist der intensive Dialog und eine ehrliche Partnerschaft mit der Türkei wichtiger als alles andere.

Stichwort Flüchtlinge. Risiko oder Chance?

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Wir müssen diese Realität als Chance nützen. Wer sonst, wenn nicht dieses zivilisierte Europa sollte human reagieren – diese Haltung der deutschen Kanzlerin Merkel ist großartig. Das würde ich mir von allen Regierungschefs wünschen. Oder wollen wir einen Zaun um Europa bauen? Wir sollten den Flüchtlingen sofort Arbeitsbewilligungen geben und sie integrieren. Was macht es für einen Sinn, sie aufzunehmen und nicht arbeiten zu lassen?

Das Gegenargument ist, der Arbeitsmarkt müsse geschützt werden.

Wovor denn? Wir haben jede Menge Branchen wie die Gastronomie, die einen Mangel an Arbeitskräften haben. Es wird mit Sicherheit keinem Österreicher ein Arbeitsplatz weggenommen; daher ist es besser, sie rasch zu integrieren, als Schwarzarbeit und soziale Spannungen in Kauf zu nehmen.

Was sagen Sie zur Solidarität in Europa?

Europa ist reich, aber dass sich vor allem die jungen Mitgliedsländer vor Solidarität drücken, ist ein Witz. Die Nettozahler müssten klar die Message ausgeben, wenn die Flüchtlinge nicht gerecht aufgeteilt werden, dann wird nicht mehr gezahlt. Wenn Solidarität nicht zu unseren gemeinsamen Werten zählt, was sind dann unsere Werte?

Zu Ihrem Unternehmen: Sie haben mit einer winzigen Delikatessenhandlung begonnen und leiten heute einen internationalen Konzern. Warum ging es immer bergauf?

Das stimmt so nicht. Die ersten sieben, acht Jahre ging es nur bergab. Wir konnten kaum die Miete bezahlen.

Das ist bei jedem Start-up so.

Aber nicht acht Jahre lang. Doch wir haben von Anfang an gelernt, zu verlieren und wissen, was es bedeutet, keinen Erfolg zu haben. Obwohl wir Tag und Nacht gearbeitet haben. So was prägt extrem. Du bleibt mit den Füßen am Boden und hebst nicht ab.

Aber danach ging’s dann rasch bergauf.

Das hat alles mit Fleiß und Innovation zu tun. Wir arbeiten einfach mehr als alle anderen. Punkt. Wir bemühen uns, unseren Kunden ein Produkt mit Mehrwert zu geben und haben die Kosten im Griff. Es gibt immer zwei Seiten: Rechts sitzt der Kostenrechner, links der Produktmensch. Der muss immer gewinnen. Lieber ein Prozent weniger Marge als unzufriedene Kunden. Außerdem muss man jeden Tag schauen, ob das eigene Produkt noch innovativ und wettbewerbsfähig ist. Man darf niemals sagen, "ich habe es geschafft". Das wäre der Anfang vom Ende.

Haben Sie immer noch Angst vor dem Verlieren?

Ja. Es gibt Unternehmen, die waren Weltmarktführer und sind heute verschwunden. Davor ist niemand gefeit.

DO&CO wurde sehr früh international. Gezielte Strategie?

Es war immer mein Traum, in der ganzen Welt arbeiten zu dürfen, geschweige denn, eine Marke zu werden, die in der Welt bekannt ist.

Wie wichtig ist eine Marke?

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Es gibt die Welt der Marken und die Welt der Commodities, das sind Produkte, die sich nur über den Preis definieren. In vielen Branchen wird ausschließlich kurzfristig über Billigpreise verkauft und nicht über den Mehrwert für den Kunden. Was in zehn oder 20 Jahren ist, interessiert keinen. Darum sind für ein Unternehmen Kern-Aktionäre so wichtig, die in langfristigen Dimensionen denken. Das hat auch mit Werten zu tun. Wenn alles nur noch davon abhängt, wie schnell sich etwas dreht oder alles nur finanzgetrieben ist, Fonds Unternehmen zerstückeln und verkaufen und damit Jobs und Werte vernichten, nur für den kurzfristigen Erfolg – dann zahlt den Preis dafür irgendwann die Gesellschaft. Davon abgesehen ist das ethisch unmöglich.

Würden Sie DO&CO als Weltmarke bezeichnen?

Zumindest sind wir qualitativer Weltmarktführer in unserem Segment. Egal in welchem Land, wir stehen für Top-Qualität. Alle Entscheidungsträger, ob Fluglinien, große Veranstalter und inzwischen auch der Handel kennen DO&CO als zuverlässiges, nachhaltiges und innovatives Unternehmen. Jetzt müssen wir es schaffen, eine richtige Consumer-Marke zu werden. In Österreich kennt man uns, aber in großen Märkten wie England, den USA und Frankreich müssen wir unsere Bekanntheit steigern.

Hat Attila Dogudan Vorbilder?

Ja viele, in der Modeindustrie zum Beispiel die Gruppe LVMH mit ihren unterschiedlichen Marken, von Louis Vuitton angefangen. Wir machen im Kleinen das Gleiche mit unseren Marken DO&CO, Demel, Hediard, Henry und das Joint Venture mit Nespresso. Marke gegen Commodity, das ist wie etablierte Fluglinien gegen Ryanair.

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Aber auch etablierte Airlines gehen immer stärker in Richtung Billigangebote.

Manche glauben nur an den billigeren Preis, nicht an die bessere Leistung und Markeninhalte. Sie wollen so günstig sein wie die Billig-Airlines, was sie auf Grund ihrer Historie kaum schaffen können. Etablierte Fluglinien sollten sich mehr auf ihre Stärken konzentrieren. Sie haben meistens hervorragende Mitarbeiter und sollten sich mit besserem Service und innovativen Produkten unterscheiden. Gutes Essen ist ein ganz besonders günstiges Marketing-Tool, das schnell das Image verbessern kann.

Es fliegt doch kein Mensch wegen des Essens.

Das ist auch uns klar. Internationaler Untersuchungen beweisen aber ganz klar, dass gutes Essen und eine motivierte Kabinencrew ganz wichtige Entscheidungen bei der Auswahl einer Fluglinie sind, insbesondere auf der Langstrecke. Auf der Kurzstrecke ist der Preis der wesentliche Faktor, aber nicht nur. Warum wachsen Fluglinien wie Turkish, die Golf-Airlines und die Asiaten? Weil sie realisiert haben, dass es für den Passagier einen emotionalen Erlebnis-Wert gibt, den sie monetarisieren können – sprich, Markenloyalität und auch bessere Preise erzielen können.

Also geht der Trend nicht nur in die Richtung billig?

Das geht doch oft gar nicht mehr. Wie billig kann zum Beispiel ein Hendl noch sein? Die Konsumenten müssten viel mehr hinterfragen, was der logische Preis für ein Produkt ist. Die Leute achten nicht darauf, was sie essen und wundern sich dann, wenn sie resistent gegen Antibiotika sind.

Überlegen Sie, die Konzernzentrale von Wien abzuziehen?

Nein, wir haben hier unsere Forschung und Entwicklung und die Schulung. 80 Prozent unseres Geschäfts erwirtschaften wir international, das stützt die rund 2000 Jobs in Österreich. Wir eröffnen in sechs Monaten unsere Ausbildungsakademie für die Mitarbeiter, das modernste Schulungszentrum für Hospitality und Gastronomie in ganz Europa. Bildung und Innovation sind der Schlüssel für die Zukunft. Außerdem eröffnen wir 2016 mit einem Partner eine Großküche in Korea, die nächsten Nespresso-Shops in London und New York und endlich das Hotel in Istanbul.

DO&CO catert die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Fühlen Sie nach den Anschlägen von Paris unsicher?

Eigentlich nicht. Bei den Sicherheitsvorkehrungen wird das Maximale getan. Es gibt nirgendwo in der Welt eine Garantie auf hundertprozentige Sicherheit. Klar, unsere erste Euro 2004 in Portugal war lockerer, aber ich würde heute ohne Angst und ohne Nachdenken in jedes Stadion gehen.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie bei der Euro im Einsatz?

Mehr als 5000 Beschäftigte. Gespielt wird in zehn Stadien gleichzeitig, das wird die größte Veranstaltung, die es je in Europa gab. 24 Mannschaften, 51 Spiele. Frankreich bemüht sich als Gastland extrem, eine besonders tolle Euro hinzulegen.

Was wünschen Sie sich von der österreichischen Politik für 2016?

Investieren in Innovationen und in Bildung und in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür schaffen. In allen Umfragen zeigt sich, dass die Österreicher nur negative Erwartungen haben. Sie erwarten mehr wirtschaftliche Probleme, weniger Wohlstand, weniger Pension etc. Wieso fragt keiner, was können wir dagegen tun? Ich würde gerne wissen, ob die Gesellschaft willens ist, etwas mehr zu leisten. So wie ein Unternehmen, das auch mehr arbeiten muss, um das Niveau und die Arbeitsplätze zu halten. Was wollen wir tun, um unseren Wohlstand zu erhalten? Stattdessen diskutieren wir immer nur, was schlechter wird.

Werden die Zeiten tatsächlich schlechter?

Wir leben in einer extrem labilen Zeit. Die Probleme anderer Regionen werden zu uns getragen. Wenn im Irak an einem Tag 50 Menschen ums Leben kommen, ist uns das nur eine kleine Meldung wert, weil’s so weit weg ist. Mit Paris haben wir aber erlebt, dass diese Probleme auch unsere Region erreichen. Die Bevölkerung muss ein Bewusstsein bekommen, wie mit dieser Realität umzugehen ist. Politisch und wirtschaftlich. Ich wünsche mir eine Diskussion auf einem würdigen Niveau und nicht eine Politik der reinen Angstmache.

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Vom Feinkostgeschäft zum Welt-Konzern

1981 eröffnete der als Kind mit seinen Eltern von Istanbul nach Wien übersiedelte Attila Dogudan in der City ein winziges Delikatessengeschäft. Über Niki Lauda erfolgte der Einstieg ins Airline-Catering. 1990 eröffnete das Restaurant am Stephansplatz. 1992 begann der heute 56-jährige Dogudan mit dem VIP-Catering für die Formel 1. 1998 Start an der Wiener Börse, ab 2010 auch Börsenotierung in Istanbul. 2002 Übernahme des Demel. 2004 erstmals VIP-Caterer der Fußball-Europameisterschaft. 2006 Gründung eines Joint Ventures mit Turkish Airlines in Istanbul. Seit 2012 Caterer der ÖBB. Die ersten Henry-Shops entstehen, in Frankreich wird Hediard übernommen . Heute beschäftigt der Gourmetkonzern weltweit knapp 11.000 Mitarbeiter, davon 2000 in Österreich. Die drei Standbeine: Airline-Catering, internationales Event-Catering sowie Restaurants, Lounges und Hotels.

Standorte in Europa, den USA und demnächst in Korea. Zu den Airline-Kunden gehören neben der AUA zahlreiche Qualitätscarrier wie Emirates und British Airways. Der Umsatz stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr um ein Viertel auf knapp 800 Millionen Euro, das Betriebsergebnis auf 54 Millionen. Die Söhne Attila jun. und Marius arbeiten im Unternehmen mit.