Zeitungen: "Ein Spiel mit dem Feuer"
Von Anna Gasteiger
Ivar Rusdal, Miteigentümer und Geschäftsführer einer regionalen norwegischen Zeitungsgruppe, war bis 2008 Chefredakteur der Tageszeitung Jaerbladet . 2010 wurde er zum Präsidenten des Zeitungsverlegerverbandes gewählt.
KURIER: Wie geht es den europäischen Zeitungen?
Ivar Rusdal: Man kann die Tatsache nicht weglügen, dass die Auflagen sinken. Die Lage ist unterschiedlich: Im Süden Europas sind die Probleme größer, weil der Stellenwert der Zeitungen in der Gesellschaft geringer ist. Im Norden gibt es sehr starke Medienhäuser, die versuchen, den Rückgang auszugleichen, indem sie mehrere Kanäle bespielen. Das Zauberwort lautet digitaler Wandel. Jetzt müssen wir auch Wege finden, digitales Geld zu machen.
In den USA stecken die Zeitungen in einer schweren Krise.
Ich orientiere mich nicht sehr an den USA. Dort hat es in den letzten 10, 15 Jahren unselige Entwicklungen gegeben. Die Zeitungen haben den Kontakt zu den Lesern verloren. Das ist in Europa nicht passiert. Ein Beispiel: Die Zeitung, von der ich komme, ist klein, hat aber eine sehr hohe Reichweite. Jaerbladet erscheint in einer Auflage von 13.000 Stück und bedient damit etwa 50.000 Menschen. Eine Zeitung muss in dem Leben der Leute eine Rolle spielen. Wir sagen immer: Wenn es nicht in unserer Zeitung gestanden ist, ist es nicht passiert.
Qualität ist also wichtig?
Qualität ist das Allerwichtigste. Wir müssen sie mit allen Mitteln weiterentwickeln – und urheberrechtlich schützen. Wie wichtig Qualitätsjournalismus für die Demokratie ist, sieht man ja am Beispiel Ungarn.
Es gib kein allgemeingültiges Rezept für die Bezahlung von digitalem Inhalt. Wie könnte es aussehen?
Im Moment ist es ein Spiel mit dem Feuer. Wie weit kann man sich aus dem Fenster lehnen, ohne herauszufallen? Niemand traut sich, damit anzufangen. Die Angst ist, dass die Leser woanders hingehen, weil sie kostenlosen Content gewohnt sind. Manche Informationen werden immer kostenlos bleiben. Aber darüber hinaus muss sich jedes Medium spezialisieren und überlegen, was für seine Leser besonders relevant ist. Und es müssen funktionierende Bezahlsysteme entwickelt werden.
Alles fürchtet sich vor einer neuerlichen Krise. Wie können sich Zeitungen darauf vorbereiten?
Eine Lektion ist vielleicht, in guten Zeiten nicht zu übermütig zu werden. Denn wenn die Kosten zu hoch sind, also zu viel Personal da ist, wird es in Krisenzeiten besonders unangenehm. Dabei ist die personelle Rotation so wichtig. Man braucht erfahrene Mitarbeiter, man braucht aber auch junge Leute, die neue Ideen und neue Leser bringen. Und man muss sich ständig nach neuen Einnahmequellen umsehen. Digitale Kanäle sind auch deshalb so zentral, weil sie weniger krisenanfällig sind. Sie sind in relativ kurzer Zeit absolut unumgänglich geworden. Je schneller man den digitalen Umstieg schafft, desto besser steht man da. Die große Frage ist, wer am schnellsten ist.
Der Zeitungsverlegerband – auf englisch: European Newspaper Publishers Association – trägt das Papier noch im Namen.
Ich versuche, ihn in "News Publishers Association " zu ändern. Es ist einer der wenigen Schwächen der englischen Sprache, dass es news- paper heißt. In anderen Sprachen – wie auch im Deutschen – kommt das Papier nicht im Namen des Produkts vor.
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