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Wer kommt in die Win-Winnetou-Situation?

Vor 50 Jahren endete ein Jahrhundert-Ereignis des deutschen Kinos: In "Winnetou, 3. Teil" (Regie: Harald Reinl) will der Schurke "Rollins" den nichts ahnenden "Old Shatterhand" von hinten – no, na! – abknallen, als ihn dessen Blutsbruder, der Häuptling der Apachen, erspäht und sich wehenden Scheitels in den Schuss wirft. Ein Opfer, das Millionen Zuschauer so wie die tödliche Kugel für den "edlen Wilden" aus der Feder Karl Mays mitten ins Herz traf.

Der Darsteller des "feigen Mörders", ein Italiener namens Rik Battaglia, büßte schlagartig die Sympathien des Publikums ein und brachte in Deutschland keinen Zeh mehr auf Zelluloid: "Ich war über Nacht der Mann, der Winnetou erschoss."

Bilder: Wer könnte Pierre Brice beerben?

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Schon auf Mario Adorf, der 1963 ("Winnetou 1") in der Rolle des Finsterlings "Santer" Vater und Schwester der ruhmreichen Rothaut in die ewigen Jagdgründe befördert hatte, war der jähe Volkszorn herniedergeprasselt: "Man drohte mir auf offener Straße mit Fäusten und spuckte vor mir aus." Winnetou, von Pierre Brice (heute 86) so ebenmäßig wie unergründlich verkörpert, war den 11,7 Millionen zahlenden Fans schlicht und einfach heilig. Und das, 15 Jahre nach dem Krieg, als frauenbetörender, eben noch feindlicher "Franzmann" (vom Militärhafen Brest) und als einstiger Botenjunge der Résistance! Brice drang in der Beliebtheit in die lichten Höhen eines Elvis Presley oder eines Peter Kraus vor: Er bekam zwölf Bravo-Ottos und drei Starschnitte (1964, 1967, 1977), was in der Geschichte der Jugend-Illu bis heute Rekord blieb. Nach elf Winnetou-Epen (neben Lex Barker als "Old Shatterhand" bzw. Stewart Granger als "Old Surehand)" adelte ihn der, dank dem eigenhändig ausgesuchten Ausnahme-Apachen sehr vermögend gewordene Produzent Horst Wendtland zum "Roten Baron".

Neuauflage mit Tatort-Star

Nun "reanimiert" RTL diese Träume von der Weite des Westens, der Größe des indigenen Gutmenschen und nicht zuletzt auch von der Breite der Zuschauermasse. Für die Neuverfilmung der klischeestrotzenden Stoffe des mehrfach wegen – nicht-literarischer – Betrügereien straffällig gewordenen sächsischen Hochstaplers Karl May (1842–1912) wurde bereits die "Schmetterhand" gecastet. Traut man Quellen wie der FAZ oder der Süddeutschen, wird Wotan Wilke Möhring (47), seit 2013 als Hamburger "Tatort"-Kriminalhauptkommissar Thorsten Falke ein beständiger Bildschirmbegriff, Winnetous weißen Wegbegleiter geben.

Ein Tunesier oder ein Türke?

Nachdem Pierre Brice nicht einmal mehr den Vater Winnetous spielen will ("das würde meinen Erfolg konterkarieren") und sich Bully Herbig (46) seinen "Schuh des Manitu" sicher nicht erneut – und schon gar nicht im Ernst – anzieht, bleibt die Frage: Wer schlüpft in die rote Haut? Drei Favorits schleichen nun laut Branchentratsch auf leisen Mokassins um die Kölner Zentrale von RTL – um diese Win-Winnetou-Situation bemühen sich: Elyas M’Barek (32), Tunesier mit Münchner Migrationshintergrund, Bülent Ceylan (39), Mannheimer Türke, & Erol Sander (46), Istanbuler Fixstern der Seriengeti deutscher Mattscheiben. Die Außenseiter (siehe Bildergalerie: KHG oder Conchita) sind bloße satirische Ergänzungen. Ob sich das Genre überhaupt wieder – künstlich oder womöglich gar künstlerisch – beatmen lässt? Dazu nur so viel: Mays Bücher wurden seit dem Erstling ("Durch Wüste und Harem", 1892) weltweit 200 Millionen Mal verkauft. Howgh!