So zwitschert Österreichs Polit-Twitteria
Von Claudia Zettel
Immer mehr Menschen nutzen Twitter zur politischen Diskussion. Zwar ist die heimische Community nach wie vor von überschaubarer Größe, doch speziell für Politiker, Journalisten, Aktivisten und Polit-Experten wird der Internetdienst zunehmend als Kommunikationsmittel interessant. Wer sich in der Österreichischen Polit-Twitteria mit wem austauscht, worüber gesprochen wird und welche Themen kaum Beachtung finden, zeigt eine aktuelle Studie, die an der Universität Wien durchgeführt wurde.
Knapp 75.000 User zählt Twitter derzeit in Österreich, nur etwas mehr als 36.000 davon sind tatsächlich aktiv. Noch kleiner und elitärer ist der Kreis, wenn es um politische Diskussionen geht. Die Studie “TwitterPolitik - Netzwerke und Themen der politischen Twittersphäre in Österreich” (hier zum Download), die von den Internet- und Social-Media-Forschern Julian Ausserhofer, Axel Maireder und Axel Kittenberger an der Uni Wien und in Kooperation mit Super-Fi und The Gap durchgeführt wurde, hat nun die 374 aktivsten Polit-Zwitscherer des Landes genauer unter die Lupe genommen: Wer spricht mit wem, welche Themen dominieren und worüber wird gar nicht geredet?
Dicht vernetzt
Wie die Studienergebnisse zeigen, enthält die heimische Polit-Twitteria einen dichten Netzwerkkern der sowohl Politik-Profis als auch Bürger einschließt. Eine klare Trennlinie zwischen dem Netzwerk der Profis und dem Netzwerk von Vertretern der Zivilgesellschaft gibt es dabei nicht. An manchen Nutzern sei dies besonders gut ablesbar: So würden etwa Accounts wie von TV-Moderator @ArminWolf, Blogger und IT-Unternehmer @Helge oder Grün-Politiker @MichelReimon sehr stark beide Netzwerkteile integrieren. Im Kern allerdings dominieren professionelle Kommunikatoren, vor allem Journalisten, Politiker und Politik-Experten.
“Die hohe Interaktion zwischen den Leuten hat uns überrascht. Wir haben es bei den untersuchten Accounts tatsächlich mit einem sehr dichten Netzwerk zu tun, das sich aus unterschiedlichen Nutzergruppen zusammensetzt”, so die beiden Studienautoren Julian Ausserhofer und Axel Maireder im Gespräch mit der futurezone. Während der Datenerhebungsphase im vergangenen Sommer wurden insgesamt etwa 1600 Twitter-Konten identifiziert, die sich regelmäßig zu politischen Themen äußerten. “Wir haben unsere Studie dann auf die 374 Accounts eingegrenzt, die sich am häufigsten zu Wort gemeldet haben und mindestens über 100 Follower verfügten”, erklären Ausserhofer und Maireder.
Männer und Grüne dominieren
Dabei fällt auf, dass die politische Twittersphäre in Österreich unter Frauenmangel leidet, zwei Drittel der untersuchten Accounts sind Männer. Der geringe Frauenanteil spiegelt allerdings auch das allgemeine Geschlechterverhältnis auf Twitter wider. “Wir haben uns andere Studien angeschaut, die leider ein ähnliches Bild zeigen”, sagt Julian Ausserhofer. Hinzu kommt, dass es kaum Frauennetzwerke, dafür aber sehr wohl reine Männernetzwerke gibt.
Das heißt aber nicht, dass es keine engagierten Frauen auf Twitter gebe. Accounts wie die der Journalistinnen @IsabelleDaniel, @Brodnig, @KBurgstaller und @CorinnaMilborn sind durchaus große Knotenpunkte in der Twitter-Studie. Und auch auf politischer Seite finden sich zumindest einzelne Beispiele - etwa die Grüne Europaparlamentarierin @eva_lichti oder ÖH-Vorsitzende @janine_wulz.
Weiters zeigte die Auswertung, dass die Grünen derzeit besonders stark auf Twitter vertreten sind. Von 69 Politiker- und Parteimitarbeiter-Accounts entfallen 31 auf Vertreter der Grünen, die außerdem auch am besten untereinander vernetzt sind. “Während unserer Erhebungen haben wir gesehen, dass insgesamt immer mehr heimische Politiker mit einem Twitter-Account starten und dass es politische Diskussionen von Twitter mitunter auch schon in die Massenmedien, etwa ins Fernsehen schaffen”, so Maireder.
Mittlerweile sind alle österreichischen Parteien auf Twitter vertreten. Doch während kleinere wie Grüne, aber auch das BZÖ (besonders aktiv ist @Stefan_Petzner) in sehr regen Austausch untereinander sowie mit den Bürgern gehen, treten die großen Parteien SPÖ und ÖVP noch etwas zaghafter in Diskussionen ein. “Viele schreiben zwar, pflegen aber derzeit kaum aktive Gespräche. Dabei ist gerade die direkte Kommunikation das Um und Auf”, betonen die Studienautoren. Die Studie zeigt zudem, dass die Interaktion mit Nutzern von außerhalb des eigenen Netzwerks bei Politik-Profis oft auf kurze Dialoge begrenzt ist. Während Bürger meist eher chat-orientiert sind, mit einzelnen Nutzern häufig hin und her schreiben, kommunizieren die Experten zwar mit vielen Nutzern, dafür aber deutlich weniger intensiv.
Drehscheibe Journalisten
Dass in der heimischen Twittersphäre besonders viele Medienvertreter zu finden sind und häufig auch den Ton angeben, ist längst kein Geheimnis mehr. Die TwitterPolitik-Studie zeigt, dass insbesondere Journalisten traditioneller Medien von vielen Nutzern adressiert werden. Häufig addressierte Nutzer und damit zentrale Knoten im Polit-Netzwerk sind etwa die TV-Journalisten @ArminWolf, @MartinThuer und @Thomas_Mohr sowie der Falter-Journalist @FlorianKlenk.
Die direkte Anrede mittels Antwortfunktion findet verstärkt am Abend statt - in den Abend- und Nachtstunden wird Twitter vermehrt zum Dialog oder Chat genutzt. Das passiert häufig parallel zu politischen TV-Sendungen. Allgemein gilt laut den Studienergebnissen: je häufiger ein Nutzer andere adressiert, desto häufiger wird er selbst auch erwähnt.
Worüber gezwitschert wird
Laut der Studie gibt es ganz klar Themen mit einer gewissen Twitteraffinität und Themen aus der Innenpolitik, die auf Twitter so gut wie keine Rolle spielen. Vor allem kurzlebige Themen und aktuelle, teils sensationelle Ereignisse stoßen auf Twitter auf größere Aufmerksamkeit. So waren etwa die Occupy-Austria-Demo und die Aktionen gegen den WKR-Ball im Januar stark präsent. Besonders ausufernde Diskussionen verursachte auch die Affäre rund um Niko Pelinka als möglicher Büroleiter des ORF-Generaldirektors Alexander Wrabetz. Derlei Themen wurden zwar auch in den klassischen Medien aufgegriffen, dort aber nur als “ein Thema von vielen” geführt.
Doch es gibt auch umgekehrte Fälle: So war etwa das Thema Finanzkrise in Österreich bzw. das Sparpaket auf Twitter eher unterrepräsentiert, während es in Printmedien und Fernsehen lange die Schlagzeilen dominierte.
Auch politischen Aktivismus findet man in der heimsichen Twitteria. Viele der Mitglieder im Aktivisten-Netzwerk sind noch der #unibrennt-Bewegung aus dem Jahr 2009 zuzurechnen, andere engagieren sich im Bereich Bildungspolitik. Der am meisten adressierte Nutzer in dem Cluster ist der pseudonym geführte Account @porrporr - über ihn werden sehr viele Nachrichten weitergetragen bzw. auch viele Debatten geführt.
Generell gilt: Ob ein politisches Thema auch auf Twitter Thema ist, variiert von Tag zu Tag. Ähnlich wie in traditionellen Medien gibt es für bestimmte Themenkomplexe sozusagen Hoch- oder auch Nebensaison. Langatmige Themen sind auf Twitter eher unterrepräsentiert.
Neue Nähe
“Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse können vor allem jenen Leuten nützlich sein, die noch mit Twitter beginnen wollen. Man kann daraus ablesen, wie man am besten twittert, aber auch, wer schon da ist, wem man folgen kann”, so Ausserhofer und Maireder. Die Ergebnisse zeigen aus Sicht der Studienautoren zwei wesentliche Punkte: Welche Koordinationsprozesse es zwischen den politischen Akteuren gebe, aber auch wie die Kommunikation nach Außen hin sei und dass dies offenbar sehr gut funktioniere. Auf Twitter erhalten die Bürger die Möglichkeit, näher an die Akteure heranzutreten. “Neue Technologien bieten die Chance, in direkten Austausch zu treten, was früher nicht in der Form möglich war.”
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