Schimanski: Das alte Raubein ermittelt wieder
Von Luise Hahn
Im Juli feierte Götz George seinen 75. Geburtstag. Sein Schimanski, den er nun zum 48. Mal ermitteln lässt, kann es immer noch mit weit jüngeren TV-Kommissaren aufnehmen. Anflüge von Political Correctness sind schnell überwunden. Nach wie vor verprügelt er Zuhälter und futtert unbekümmert Pommes.
Schimanski gilt übrigens nach wie vor als einer der beliebtesten Ermittler der ARD-Reihe Tatort. Nicht unbeteiligt daran sind wahrscheinlich die besonderen Kennzeichen des kauzig-grantigen Kommissars: der als "Schimanski-Jacke" Kult gewordene beige Parka und Schimanskis oft lockere Interpretation von Dienstvorschriften.
TV-Kritik: Wie ist der neue "Schimanski"?
Er ist wieder da! Und das in alter Frische, tat- und wortkräftig wie immer. In „Schimanski: Loverboy“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ORF 2) erhält der ehemalige Hauptkommissar von einem mächtigen Gangsterboss den Auftrag, dessen durchgebrannte 14-jährige Tochter umgehend zur Mutter zurückzubringen.
Doch wie Schimanskis Leben so spielt, ist die „Einladung“ zum Gespräch mit dem Boss in dessen Gefängniszelle auf gewalttätige Weise erfolgt: Der Ruhrpott-Rambo kommt mit Freundin Marie-Claire heim, findet seine Eingangstür zertrümmert, und im Wohnzimmer sitzen zwei Kriminelle. Es folgt die erste wilde Schlägerei, deren Resultat Marie-Claire kommentiert: „Hast du toll gemacht. Also, du und deine Freunde.“ Schimanskis knappe Reaktion: „Scheiße!“.
Das erste Handy
„Warum schickst du mir deine beiden Halbaffen, wenn du mich sprechen willst?“, hält Schimi dann dem Boss vor. „Hast ja kein Handy“, erwidert der. „Aber Festnetz“, argumentiert der Ex-Kommissar. Und dann geschieht das Unglaubliche: Schimanski, stets dem technologischen Fortschritt abhold, akzeptiert vom Boss ein Handy – um jederzeit für ihn erreichbar zu sein.
Aber immerhin bleibt Schimi in Sachen Bekleidung seinen Prinzipien treu. Daheim fischt er aus einem Karton seine alte Parka-Jacke und zieht los, um den Fall zu lösen.
Bei der Suche nach der 14-Jährigen erhält Schimanski wertvolle Hilfe von der Gemüsehändlerin Susanne Mellert (hervorragend gespielt von Anna Loos), deren Tochter im Rotlichtmilieu von Rotterdam gelandet ist. „Normale Zuhälter beuten die Frauen aus, Loverboys nehmen ihnen die Seele, ihre Persönlichkeit“, erklärt Mellert dem Ermittler.
Zur deprimierenden Thematik passend, hat der Film wenig Farbe und zahlreiche Gegenlicht-Aufnahmen. Doch dank Schimanski ist er auch recht witzig.
Kultfigur
Seit 32 Jahren gibt es nun Horst Schimanski, und seine Beliebtheit ist weiterhin ungebrochen. Diesen Sonntag agiert Götz George zum 46. Mal fluchend und schlagkräftig als „Ruhrpott-Rambo“. Dass sowohl Darsteller wie auch Kultfigur inzwischen 75 geworden sind, tut dem keinen Abbruch.
Schimanskis Geburtsstunde im Fernsehen leitet am 28. Juni 1981 eine neue Krimi-Ära ein. Denn erstmals wird ein „Tatort“ aus der Sicht des Ermittlers erzählt, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht mit neutraler Miene im seriösen Trenchcoat herumspaziert, sondern persönlich in seinen Fall involviert ist.
Spin-off
Ende 1991 verlässt der Hauptkommissar nach 29 Folgen den „Tatort“, ermittelt aber seit 1997 im Spin-off „Schimanski“ weiter. Natürlich gemäß ureigenem Rechtsempfinden. In seiner Heimatstadt Duisburg haben jüngst Fans auf einem namenlosen Weg „Schimi-Gasse“-Schilder aufgestellt.