Netflix-Produktion "Bloodline": Im Paradies versumpft sich’s leichter
Von Karl Oberascher
Die Rayburns könnten so etwas wie die Camdens von Florida sein – eine wirklich "Himmlische Familie". In den sonnenverwöhnten Florida Keys – eine Kette von über 200 Koralleninseln an der Südspitze des namensgebenden US-Bundesstaates – betreiben Vater Robert (Sam Shepard) und Mutter Sally (Oscarpreisträgerin anno 1981 Sissy Spacek) das beste Hotel des schmalen Landstreifens. Sohn John (Kyle Chandler) genießt als örtlicher Sheriff das Ansehen der kleinen Gemeinde und Tochter Meg ist erfolgreiche Anwältin. Sprich: In der Familie wie in der Landschaft, Idylle pur. "Wir wollten ,Bloodline‘ in einer Art Paradies ansiedeln, weil wir wussten, dass diese im Kontrast zu den dunkleren Themen der Serie stehen würde", erzählt Daniel Zelman beim Pressegespräch in Berlin anlässlich des Starts der Serie. Die 13 Folgen der ersten Staffel sind ab heute auf dem Streaming-Dienst Netflix abrufbar.
Intrigen
Zelman ist kein Unbekannter. Gemeinsam mit Todd A. Kessler und dessen Bruder Kyle hat er bereits die Erfolgsserie "Damages" produziert – jene Serie mit den intrigantesten Anwälten der jüngeren TV-Geschichte. "Bloodline" schließt nahtlos daran an. Man habe nur das Arbeitsumfeld gegen jenes der Familie getauscht, erklärt Todd A. Kessler. Als Grundkonflikt wird nun jener vom verlorenen Sohn beschworen. Danny (Ben Mendelsohn), das älteste der insgesamt vier Rayburn-Geschwister ist das schwarze Schaf der Familie.
Als der Endvierziger nach langer Absenz und diversen gescheiterten Versuchen, seinem Leben im weit entfernten Miami Halt zu geben wieder nach Hause kommt, dauert es nach der anfänglichen Freude nicht lange, bis die Situation eskaliert. "Man kennt das vielleicht vom gemeinsamen Weihnachtsfest", sagt Ben Mendelsohn beim Treffen in Berlin. "Wenn der Familienfrieden wichtiger ist als gegenseitige Ehrlichkeit, endet das meistens im Chaos." Der Unterschied: In "Bloodline" weiß das Publikum schon in der ersten Folge, wie das Familiendrama enden wird. In albtraumhaften Vorblenden ist Sheriff John zu sehen, wie er die Leiche seines Bruders Danny durch die Mangrovenwälder der Florida Keys trägt. Denn auch das haben die kleinen Inseln zu bieten: Die gespenstischen Sumpflandschaften definieren die Bildsprache in den besten Momenten Serie.
Ein hervorragender Cast, echte Spezialisten im Hintergrund, "Bloodline" ist Netflix’ jüngster Baustein in einem ehrgeizigen Expansionsplan. Sagenhafte 9,5 Milliarden Dollar will der internationale Star der gehypten Streaming-Branche in den kommenden Jahren investieren. Eine neue TV-Revolution mit Ansage. Für Todd A. Kessler ist es bereits die zweite: Ende der 90er-Jahre war er verantwortlich für die zweite Staffel der "Sopranos". Die Serie gilt als erste der sogenannten Hochglanzserien, die seitdem den US-Markt aufmischen. Ob "Bloodline" da mitziehen kann, bleibt abzuwarten. Die Voraussetzungen stimmen jedenfalls.