"Game of Thrones": Jeder Zeit ihre Fantasy
Von Karl Oberascher
Vier Jahre dauert er nun schon an, der Kampf um den eisernen Thron. Es ist ein aufreibender Kampf, den die neun Adelshäuser im vormittelalterlichen Land Westeros da führen, intrigant, unnachgiebig und vor allem blutig.
Nicht weniger als dreißig Charaktere sind inzwischen ums Leben gekommen, zuletzt hat es den verhassten Patriarchen Tywin Lannister erwischt – ermordet von seinem eigenen Sohn Tyrion, sank er am Ende von Staffel vier auf dem Plumpsklo sitzend in sich zusammen.
Von Abnützungserscheinungen ist dennoch keine Spur. Der Hype um den heutigen Start der fünften Staffel sucht seinesgleichen.
Wieso? Was macht den besonderen Reiz dieser Fantasy-Serie aus?
Für Thomas Walach ist die Sache eindeutig. ",Game of Thrones‘ passt perfekt in unsere Zeit", ist sich der Kulturhistoriker der Universität Wien sicher. Walach hat sich in seiner Forschung auf populärkulturelle Phänomene spezialisiert – und die Bücher von George R.R. Martin, auf denen die Serie basiert, gehören zweifellos dazu. Mit seinem "Lied von Feuer und Eis", so der Titel der Bücher im Original, revolutionierte George R. R. Martin Mitte der 90er-Jahre ein zur Bedeutungslosigkeit verkommenes Genre.
Gut für Hippies
J.R.R. Tolkien – der Urvater der epischen Fantasy – hatte mit seinem erstmals 1954 erschienen "Herr der Ringe" das Genre bis in die 90er-Jahre geprägt. Seitdem zogen Riesen und mythische Wesen, Orks und Elfen im edlen Kampf zwischen Gut und Böse durch mittelalterliche Welten. Dazwischen, stets um Geltung bemüht, die gierigen Menschen, die sich nur allzu leicht von der Macht verleiten ließen.
Vor allem in der 68er-Bewegung stieß diese Erzählung auf großen Anklang. "Die politisch interessierten Studenten haben ,Herr der Ringe‘ als Kritik an der Moderne gelesen", erklärt Walach. J.R.R. Tolkiens Fantasie-Welt sei als alternatives Gesellschaftsmodell gedeutet worden, in dem der Kapitalismus und der Faschismus als Übersteigerung dessen überwunden waren. "Dieselben Leute, die ,Herr der Ringe‘ gelesen haben, haben auch die Vertreter der Frankfurter Schule gelesen."
In den 1980er-Jahren, spätestens aber mit dem Zusammenfall der Sowjetunion, rückte dieser Aspekt jedoch immer stärker in den Hintergrund. Fantasy-Leser waren plötzlich Menschen, die mit der Komplexität der Moderne nicht zurechtkamen. Was blieb, war eine kleine eskapistische Leserschaft.
Es lag an George R.R. Martin, dem Genre neues Leben einzuhauchen, indem er die komplexer gewordene Welt auch in seinen Büchern reflektierte. Sprich: Jeder ist böse, wenige sind ein bisschen gut.
Vor allem: Niemand ist sicher. Wie 40 Jahre zuvor "Der Herr der Ringe" passte die inzwischen auf fünf Bücher angewachsene Romanreihe perfekt in diese neue Zeit.
Dass sich Martin dabei auch nicht um klassische Handlungsbögen schert, sei da nur konsequent, meint Walach. "Man baut 500 Seiten lang die einzig sympathische Figur auf, um sie dann auf einer halben Seit fast in einem Nebensatz sterben zu lassen." Mit George R. R. Martin ist Fantasy ungeschminkter geworden, viel brutaler und skrupelloser.
Die TV-Serie schreibt dieses Erfolgsrezept perfekt fort. Keine Serie zeigt so viel explizite Gewalt, wenige ebenso explizite Sexszenen. Auch in Staffel fünf, soviel sei verraten, muss das Publikum nicht lange warten, bis das erste vertraute Gesicht von der Bildfläche verschwindet.
Kit Harington (Jon Snow) und Peter Dinklage (Tyrion Lannister) genießen inzwischen zwar die gesteigerte Aufmerksamkeit der Fans, vor dem plötzlichen Serientod sind, so befürchten schon jetzt viele Fans, aber auch sie nicht gefeit.
Und natürlich: "Game of Thrones" ist die wohl am aufwendigsten produzierte Serie der TV-Geschichte. Offizielle Zahlen gibt es für Staffel fünf nicht, bisher soll HBO jedoch jeweils rund 60 Millionen Dollar pro Staffel in die Hand genommen haben.
Es darf bezweifelt werden, dass es diesmal weniger war. Man sieht es der Serie an. Denn was die Bücher von George R.R. Martin für das Fantasy-Genre sind, das ist "Game of Thrones" für die TV-Serienlandschaft. Ein echter Game Changer.
Seit 2011 knackt "Game of Thrones" Rekord um Rekord, ist mit durchschnittlich 18,6 Mio. Sehern die erfolgreichste HBO-Serie und hat damit den Allzeit-Rekord der "Sopranos" eingestellt.
StaffelstartParallel zum Start in den USA ist die 5. Staffel ab heute online auf Sky Go im Originalton abrufbar. Ab 27. April wöchentlich um 21.00 Uhr auf Sky Atlantic HD. Auf RTL 2 ist die vierte Staffel seit Jänner zu sehen.