Wirtschaft/atmedia

Faymann-Solo im ORF: Stiftungsräte (fast) aller Farben aufgebracht

Der Solo-Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talk-Reihe "Im Zentrum" beschäftigt nun auch den ORF-Stiftungsrat. Mehrere Vertreter des obersten ORF-Gremiums, das im Sommer auch die neue ORF-Führung wählt, haben ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz am Freitag unter Berufung auf das Aktienrecht Anfragen zur Entstehungsgeschichte des Faymann-Auftritts übermittelt. Der ORF widmet sein Diskussionsformat am Sonntag ja ausschließlich einem Interview mit dem Kanzler.

Aufstand vor der Wahl

Fünf Monate vor der ORF-Wahl sieht sich er ORF-Chef nun aufgebrachten Gremienmitgliedern gegenüber. Stiftungsräte von ÖVP, FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach unterzeichneten am Freitag wegen des Faymann-Interviews abgestimmte Anfragen an den SPÖ-nahen ORF-Chef. Die Stiftungsräte möchten von Wrabetz wissen, von wem die Initiative zu diesem Einzelinterview mit Bundeskanzler Faymann ausgegangen ist, welche Gründe für die Entscheidung zu Gunsten des Einzelinterviews statt einer Diskussionsrunde bei "Im Zentrum" ausschlaggebend waren, aus welchen Gründen nicht ein ausführliches Interview unmittelbar nach Abschluss des EU-Gipfels geführt wurde und in welcher Form die Abbildung der Meinungsvielfalt hinsichtlich der Ergebnisse des EU-Gipfels gewährleistet werde. Unter Berufung auf ORF- und Aktiengesetz ersuchen die Stiftungsräte den Generaldirektor um schriftliche Beantwortung der Fragen.

Schwarz/Grün/Pink/Blau/Gelbe Räte

Nach APA-Informationen, die auch dem KURIER vorliegen, gingen im Büro von ORF-Chef Wrabetz Anfragen von Thomas Zach und Franz Medwenitsch aus dem ÖVP-"Freundeskreis", vom Grünen Stiftungsrat Wilfried Embacher, von Hans Peter Haselsteiner (NEOS), Norbert Steger (FPÖ) und Günter Leutold (Team Stronach) ein. Zach, Medwenitsch, Steger und Leutold haben darüber hinaus auch noch eine Frage zum Setting des Faymann-Interviews gestellt. Dabei geht es darum, ob das Interview vor Publikum stattfindet, nach welchen Kriterien etwaiges Publikum ausgewählt wird, und ob der Interviewte ein eigenes Kartenkontingent zu seiner Verfügung hat.

"Formatbruch"

"Abseits des politischen Getöses muss die Frage gestellt werden, ob wir nach Ansicht des Generaldirektors mit diesem Formatbruch bei einer bewährten Diskussionssendung unserem gesetzlichen Auftrag zur Unparteilichkeit und Objektivität bestmöglich gerecht werden", erklärte ÖVP-"Freundeskreis"-Leiter Thomas Zach die abgesprochene Aktion gegenüber der APA. "Aktualität und Mangel an passenden anderen Sendungen können als Erklärung jedenfalls nicht herangezogen werden. Innerhalb des Programmschemas und der darin bestehenden Sendungsformate besteht aber unabhängig davon kein Zweifel, dass ausschließlich die Redaktionen des ORF darüber entscheiden, wer wann zu einem Gespräch gebeten wird", so Zach.

"Wir würden gerne mehr wissen, deshalb gibt es diese übereinstimmenden Anfragen", sagte der Grüne Stiftungsrat Embacher. "Wir geben das Diskussionsformat für etwas auf, das hinterfragenswert ist. Den Sonntagabend zu opfern, erscheint mir ein wenig komisch", meinte Embacher zum Anlassfall.

Wrabetz schweigt

ORF-Generaldirektor Wrabetz wollte die politisch umstrittene Causa am Freitag weiterhin nicht kommentieren. "Es sind verschiedene Anfragen von unterschiedlichen Stiftungsräten beim Generaldirektor eingegangen. Derartige Anfragen aus dem Aufsichtsgremium sind vertraulich zu behandeln und werden selbstverständlich innerhalb angemessener Frist beantwortet", hieß es aus dem ORF.