Die gepflegte Fiesheit der Macht
Von Georg Leyrer
Francis Underwood ist sauer, und das tut keinem der Beteiligten gut. Der machtbesessene Senator wurde ausgebootet: Eigentlich sollte er US-Außenminister werden, wurde aber hintergangen.
Und jetzt übt er Rache.
Wie Underwood, großartig verkörpert von Kevin Spacey, das Polit-Establishment in Washington vorführt, wie er in einem eiskalt kalkulierten und heißen Herzens ausgeführten Machtspiel Zug um Zug setzt, wie er Mitmenschen zu Marionetten werden lässt und der Moral höchstens eine Nebenrolle zugesteht, das zeigt die Politserie „House Of Cards“.
„House Of Cards“ basiert auf einer gleichnamigen BBC-Kurzserie und zeigt ein fast shakespearehaftes strategisches Machtspiel, dessen theaterhafter Eindruck durch die erklärenden Monologe Spaceys direkt in die Kamera verstärkt wird.
Und „House Of Cards“ wäre auch dann ein Stück TV-Geschichte, wenn es – was nicht der Fall ist – schlecht wäre. Denn die Serie wurde nicht von einem etablierten US-TV-Sender, sondern vom Internet-Streamingdienst Netflix produziert. Sie steht damit für einen grundlegenden Wandel in der TV-Landschaft, in der das Internet gerade für Macht- und Geldverschiebungen hin zu Onlinediensten sorgt.
Und sie steht auch für einen Wandel im TV-Konsum: Die Serie wurde an einem Tag komplett online gestellt, Netflix-Kunden konnten also alle Folgen hintereinander konsumieren.
Erfolg
Für Netflix hat sich dies ausgezahlt: Bei neun Nominierungen wurde „House Of Cards“ drei Mal mit dem begehrten TV-Preis Emmy ausgezeichnet. Eine zweite Staffel wird derzeit produziert.
Dass „House of Cards“ (ab 10. November, 23.00 Uhr, ORFeins) im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen ist, ist Zeichen eines grundlegenden Wandels in der TV-Landschaft: Die Serie wurde nicht von einem etablierten Sender, sondern von einem Internet-Streaminganbieter eigenproduziert.
Die neue Art des Erzählens, vielschichtig und komplex. Die aufwendigen Produktionen, mit Millionenbudget, als Kinofilme in Serienlänge: Die Revolution im Fernsehen ist in aller Munde.
Kein Wunder also, dass zahlreiche Hollywoodstars einem festen Vertrag in einer Serie einem Hollywood-Engagement den Vorzug geben. Schauspieler wie Kevin Spacey ("House of Cards") oder Diane Kruger haben alte Berührungsängste längst überwunden (zur Bildergalerie). Aktuellstes Beispiel: Michael Douglas ist als "Liberace" in dem gleichnamigen Film von Steven Soderbergh zu sehen. Der Film startet am Donnerstag in den österreichischen Kinos - lief zuerst aber auf dem amerikanischen Kabelsender HBO.
Neuer Mut
Serien wie "Homeland", "Breaking Bad" oder "Game of Thrones" haben bewiesen, dass Kritikerlob und Zuschauererfolg im Fernsehen kein Widerspruch mehr sind - im Gegenteil. Das Fernsehen ist der neue Platz, auf dem kontroverse Themen behandelt werden, sich Drehbuchautoren austoben und Regisseure verwirklichen können. So konnte Steven Soderbergh seinen vielbeachteten Film über den schwulen Pianisten erst mit der Hilfe von HBO realisieren. Keines der großen Hollywoodstudios soll sich über den kontroversen Stoff getraut haben.
Der US-Sender hatte ab Mitte 90er-Jahre mit aufwendig produzierten und komplex erzählten Serien wie "Oz" und "The Sopranos" einen Paradigmenwechsel eingeleitet und steht seitdem als Synonym für die neue Qualität im US-Fernsehen. Dass die Produktion des Senders nun über Umwege ins Kino kam, ist auch dem Erfolg bei den US-Fernsehpreisen Emmys Mitte September geschuldet, wo "Liberace" zu den großen Abräumern zählte.
Diane Kruger brachte es im Interview mit zeit.de über ihre neue TV-Serie "The Bridge" (Details in der Bildergalerie) auf den Punkt: "Die Leute, die in Amerika am häufigsten ins Kino gehen, sind laut Statistik zwischen 15 und 25 Jahre alt. Die wollen 'Iron Man' sehen und Komödien. Da bleibt nicht viel vom Budget übrig für ein reiferes Publikum".