Das Internet wird nicht die Verlage zerstören
Ob es sich dabei um einen individuellen Fall besonderer Gelassenheit oder doch mehr um klassisch teutonisches Selbstbewusstsein handelt, ist ungeklärt – der Chefredakteur eines großen publizistischen Schlachtschiffes sagte vor Kurzem sinngemäß: „Unsere Aufgabe ist nicht, eine Zeitung zu produzieren, sondern Nachrichten.“ Soll heißen: Auch wenn sein Blatt noch immer jeden Tag mehrere Tonnen Papier vertreibt, sein Herz hängt nicht am Zellstoff, sondern am Inhalt. Egal, ob dieser mit Druckerschwärze verschickt oder elektronisch verbreitet wird.
Nun hat das Internet auch noch das gesamte Nachrichten-Paket und somit die Art und Weise, wie wir Zeitungsinhalte konsumieren, aufgebrochen. Artikel werden einzeln gelesen, verfügen dafür aber über zahlreiche Querverweise auf zusätzliches, oft multimediales Material. Oder man kann sich mit einem Klick einen älteren Artikel dazuholen, um historische Entwicklungen besser zu verstehen. Oft wird man erst von einem Blog oder einer Suchmaschine zu einem interessanten Bericht hingeleitet. Und man kann in einem sehr umfangreichen Artikel-Angebot stöbern, das freiwillig von den Verlagen in den virtuellen öffentlichen Raum gestellt wird.
Der Königsweg, diese Presseinhalte im Internet zu monetarisieren, wurde noch nicht gefunden. Dennoch gelingt es einer wachsenden Zahl von Presseverlagen, auch im digitalen Bereich erfolgreich zu operieren. Das ist das Schöne an der virtuellen Welt: Die Möglichkeiten, die sich zum Experimentieren bieten, sind endlos.
Nebenrolle für Google
Google spielt in dieser Entwicklung nur eine Nebenrolle. Bei einem Online-Werbemarkt wie in Österreich, der sich im Bereich von vier Prozent des Gesamt-Werbekuchens bewegt, ist die Internet-Branche noch immer keine nennenswerte wirtschaftliche Konkurrenz zu TV und Print. Auch die anderen Faktoren haben keinen digitalen Ursprung: Unter der Finanzkrise und den damit verbundenen Anzeigenkürzungen leidet die gesamte Medien-Wirtschaft. Und die reichweitenstarken Mitbewerber der U-Bahn- und Gratiszeitungen kommen aus dem eigenen „Blätter-Wald“, also von den Verlagen selbst.
Vier Milliarden Klicks
Trotzdem ist die Beziehung zwischen Suchmaschinen und Verlagen eine sehr sinnvolle und sich ergänzende. Die Verlage geben sich seit Jahren sehr viel Mühe, sich möglichst attraktiv im WWW darzustellen. Firmen wie Google leiten in signifikantem Ausmaß Nutzer zu diesen Angeboten – laut Studien aus Deutschland reden wir hier von durchschnittlich 50 Prozent. Nach unseren eigenen Erhebungen sind das weltweit betrachtet pro Monat rund vier Milliarden Klicks, die ohne die damit verbundenen Kosten über Google bei Verlagswebseiten landen. Das sind 100.000 Gelegenheiten pro Minute, um Besucher aus dem Internet zu loyalen Lesern und treuen Kunden zu machen und Werbung oder kostenpflichtige Produkte zu vermarkten.
Erfolgreiche Zeitungen haben ihren Leserinnen und Lesern immer auch den Spiegel ihrer Gesellschaft vorgehalten und sind dadurch ein unverzichtbarer Teil des Alltags geworden. Jetzt können sie ihnen zusätzlich eine „digitale Heimat“ bieten – zum Verweilen und Austauschen. Im Idealfall mit dem Mut verbunden, dort auch Experimente mit neuen Einnahmen- und Bezahlmodellen zu wagen. Zum Beispiel mit freien Inhaltsangeboten gegen Werbung und gleichzeitig günstigen Gutscheinen, um einzelne Artikel zu lesen. Das ist keine Frage von entweder-oder, beides ist möglich. Die Online-Leserschaft wird nicht gleich davonlaufen. Auch Internet-User sind für so etwas wie die im Printbereich so wichtige Leser-Blatt-Bindung empfänglich.
Demokratischer Wert
Es mag wohl eine Zeitungskrise geben in dem Sinn, als weniger gedruckte Exemplare gekauft werden. Aber Zeitungsprodukte sind heute so wichtig wie vor 50 Jahren – nicht nur zum Informieren, sich Unterhalten, zum Ärgern und Entspannen. Unterschiedliche Sichtweisen zu präsentieren, in oft langwieriger Recherche Fakten zu überprüfen und für die Öffentlichkeit relevante Ungereimtheiten aufzudecken, sind wichtig für eine funktionierende Demokratie. Dabei sehen auch wir die Schwierigkeiten der Verlage, mit ihren Online-Inhalten Profit zu machen und damit die Einbrüche bei den Anzeigenbuchungen zu kompensieren.
Aber genauso wie es nicht einen einfachen Grund für die Schwierigkeiten der Zeitungsbranche gibt, gibt es nicht eine einfache Lösung, um diese zu überwinden. Wir stehen den Verlagen als Partner wie bisher zur Verfügung, Wege zu finden, wie sie noch mehr Leserinnen und Leser im Internet erreichen und dabei gutes Geld verdienen können.
Das Internet bedeutet nicht das Ende der Zeitungsverlage. Mit Innovationen, Einsatz neuer Technologien und Experimentierfreude werden sie – so wie Generationen davor – zu neuer Vitalität finden. Auch Video hat nicht das Ende des vielbesungenen „Radio-Stars“ eingeläutet. Es hat viel mehr eine neue Industrie angestoßen, die auch traditionellen Unternehmen neue Chancen eröffnet hat.
Weitere Beiträge zur Zukunft der Zeitungen auf www.kurier.at/medienzukunft