Arbeitssuche 50plus: Jobs ohne Alterslimit
Von Anita Staudacher
Der 54-jährige Mark Tulloch kam als echter Quereinsteiger zu "denn’s" Biomarkt. Er arbeitete zuvor bei der Post, wo er wegen Rückenprobleme aufhören musste. "Ich hatte Glück und musste mich nicht lange um einen neuen Job umsehen", sagt der gelernte Fleischhauer, der seit ein paar Monaten in der Feinkostabteilung der Biosupermarkt-Kette arbeitet. Flexibilität sei für ihn immer selbstverständlich gewesen, "den einen Job fürs Leben gibt es halt nicht".
Den Job fürs Leben suchen über 50-Jährige meist ohnehin nicht mehr. Viele sind froh, überhaupt einen zu finden. 114.000 Arbeitslose weist die Statistik aktuell aus, um 5000 mehr als vor einem Jahr. Langzeitbeschäftigungslose und Schulungsteilnehmer sind da gar nicht eingerechnet. Während die Arbeitslosigkeit bei den Jüngsten stark rückläufig ist, steigt sie bei den Älteren kontinuierlich an. Je älter, desto stärker. Bei den 55- bis 59-jährigen Männern lag die Quote im Dezember bei 13,7 Prozent, bei den über 60-Jährigen bei 16 Prozent. Die Gründe sind bekannt: Das Schlupfloch in die Frühpension ist versperrt, demografiebedingt rücken geburtenstarke Jahrgänge nach. 2020 wird schon jeder dritte Arbeitnehmer dem "Club 50plus" angehören. Das ist zwar gut für die Beschäftigungsquote, aber schlecht für die Arbeitslosenquote – und die Arbeitssuche.
Gegen Jugendwahn
In vielen Betrieben, berichten Job-Bewerber, herrscht nach wie vor der "Jugendwahn", das Geburtsdatum zähle mehr als die Qualifikation. denn’s-Personalchefin Brigitte Nagy ist da anderer Meinung: Ihr ist es wichtig, "ein buntes Team zu haben". 400 Mitarbeiter beschäftigt der deutsche Einzelhändler in seinen 28 Filialen in Österreich. Junge Mütter seien da genauso dabei wie ältere Männer. "Bei uns zählen Persönlichkeit und Erfahrung und nicht das Alter", sagt Nagy. Dass Ältere mehr kosten als Jüngere sei klar, meint sie, dafür hätten sie auch mehr Erfahrung. Und genau das sei in einem Geschäft mit sehr anspruchsvollen Stammkunden wichtig.
Ex-Zielpunkt
Im Vorjahr übernahm denn’s einige Zielpunkt-Filialen samt Mitarbeiterinnen. Auch Steliana Camaleasa (50) und Nina Stadler (53) kamen auf diese Weise in den Bioladen. Sie sind nicht nur froh über den neuen Job, sondern auch darüber, dass die vielen Überstunden der Vergangenheit angehören. 560 der von der Zielpunkt-Pleite betroffenen 2700 Beschäftigten hatten weniger Glück, sie warten immer noch auf neue Jobs.
Auch wenn die Jobsuche länger dauert und schwieriger ist, aussichtslos sei sie keineswegs, weiß Claudia Spitznagel, Projektleiterin vom FAB Zentrum für Kompetenz und Erfahrung, einer vom AMS Wien finanzierten Beratungseinrichtung für ältere Arbeitsuchende. "Wir merken, dass die Konjunktur anzieht, es gibt wieder mehr Jobs für Ältere." Etwa ein Drittel der von der Beratungsstelle betreuten Arbeitslosen fand binnen sechs Monaten wieder einen Arbeitsplatz. "Erst kürzlich haben wir einen 63-jährigen Schifffahrts-Kapitän erfolgreich vermittelt, er heuerte bei der Donauschifffahrt in Passau an", erzählt Spitznagel.
Die größten Chancen sieht sie dort, wo auch am meisten Personal rekrutiert wird: Im Einzelhandel, in der Reinigungsbranche (siehe Artikel unten), der Sicherheitsbranche, in der Gastronomie sowie bei Zeitarbeitsfirmen. Am schwierigsten hätten es Langzeitarbeitslose oder jene mit nur noch ein oder zwei Jahren bis zum Pensionsantritt. Mangels ausreichender Stellen in der Privatwirtschaft bräuchte es mehr staatlich geförderte "Überbrückungsjobs". In Diskussion ist hier auch die von Kanzler Kern ins Spiel gebrachte Beschäftigungsgarantie, mit der Jobs in der Pflege, Betreuung oder bei Gemeinden angeboten werden sollen.
Eingliederungsbeihilfe
Das AMS zahlt Betrieben, die schon länger jobsuchende Arbeitslose über 50 einstellen,
bis zu zwei Drittel der Lohnkosten. Die Förderung gilt für maximal 12 Monate.
Bonus-Malus-System
Das für 2018 geplante Anreiz-System zu Beschäftigung von über 55-Jährigen wackelt, da die angepeilte Beschäftigungs-
quote schon erfüllt ist. Der Malus wäre aber mit 242 € Kündigungs-
gebühr ohnehin verkraftbar.
Beschäftigungsgarantie
Die SP-Idee soll dzt. 40.000 älteren Langzeitarbeitslosen einen geförderten Job in einem sozialökonomischen Betrieb oder in Gemeinden verschaffen. Die Umsetzung ist noch fraglich.
Beim geplanten Bonus-Malus-System zur Anhebung der Beschäftigung Älterer wäre die Wiener Reinigungs- und Hausservicefirma Reiwag ein Bonusbetrieb. Das heißt, es werden mehr über 50-Jährige beschäftigt als im Branchenschnitt. Mehr als 30 Prozent der Reiwag-Mitarbeiter sind über 50 Jahre alt.
Der Älteste ist sogar schon 75 Jahre. Anton Fixl hatte bis Ende Dezember noch als Karenzvertretung im Management gearbeitet, seit ein paar Wochen ist er offiziell im Ruhestand. Ruhe geben will er deshalb aber noch nicht ganz. „Wenn mir in der Pension fad ist und die Firma mich braucht, helfe ich auch weiter gerne aus“, erzählt der rüstige Rentner. 35 Jahre arbeitete er in der Firma und kenne sie daher in- und auswendig.
Auch Zlatko Staresina wird mit seinen 69 Jahren bei Reiwag noch immer gebraucht, wenn Not am Mann ist – egal, ob im Lager oder bei der Qualitätssicherung. „So kann ich auch in der Pension noch mit den Leuten hier in der Firma Kontakt halten“, meint Staresina über seine fallweise geringfügige Beschäftigung. Ums Geld geht es beiden Herren nicht.
Beständigkeit
Reiwag-Chef Viktor Wagner, selbst den 70er schon überschritten, kann und will auf den Erfahrungsschatz seiner älteren Mitarbeiter nicht verzichten. „In unserem Geschäft geht es auch um lange Kundenbeziehungen und die Kunden wollen nicht ständig neue Gesichter“, argumentiert Wagner. Reiwag beschäftigt in Österreich 1500 Mitarbeiter aus 29 Nationen, Personal wird bei dieser Größe quasi ständig gesucht.
Auch bei Neueinstellungen hat Wagner keine Hemmungen vor dem Alter: „Das Alter ist mir völlig egal, ich stelle auch 64-Jährige ein.“ Wichtig sei lediglich, ob jemand physisch und psychisch in der Lage sei, die Aufträge beim Kunden zu erledigen. „Die Älteren sind meistens viel verlässlicher als die Jungen, sie haben eine andere Lebenseinstellung.“ Höhere Lohnkosten für Ältere spielen dabei kaum eine Rolle, denn im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Gehaltskurve in der Reinigungsbranche relativ flach. Der Mindestlohn liegt über 1500 Euro im Monat, allerdings gibt es vorwiegend Teilzeitjobs.
Kündigungsschutz
Warum stellen so wenige Firmen Menschen über 50 Jahre ein? Haupt-Einstellungshürde ist laut Wagner der erhöhte Kündigungsschutz bei Älteren. Dieser gilt zwar nicht sofort nach Einstellung und nur unter bestimmten Bedingungen (Sozialwidrigkeit), er hätte sich aber „in den Köpfen der Firmenchefs“ eingeprägt. Ein weiterer Grund sei das in einigen Branchen besonders stark ausgeprägte Senioritätsprinzip, das Ältere ungleich teurer als Jüngere mache.
Obwohl der Mindestlohn in der Gebäudereinigung bei mehr als 1500 Euro liegt, tut sich die Branche schwer bei der Personalrekrutierung. Grund sind auch die Arbeitsbedingungen und familienfeindlichen Arbeitszeiten: früh am Morgen oder spät am Abend. Bei Teilzeitarbeit liegt der Gehalt oft nur wenig über Arbeitslosenbezug oder Mindestsicherung. „Da sagen viele, das tu ich mir nicht an, da bleibe ich lieber zu Hause und gehe pfuschen“, erzählt Wagner. Er versucht daher, seine Kunden zu überzeugen, verstärkt auch Tagesreinigung zuzulassen, was teilweise auch schon gelungen ist. „Die Firmen können sich mit Tagesreinigung viel Energie sparen und wir schaffen dadurch attraktivere Vollzeitjobs“, so Wagner.