Wirtschaft

Arbeitsmarkt statt Altersheim

Die Erwartungshaltung an die Bundesregierung ist hoch. „Es wird nicht einfach werden, aber ein Maßnahmen-Mix zur verstärkten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist dringend notwendig“, sieht WIFO-Expertin Christine Mayrhuber Handlungsbedarf.

Die von der Bundesregierung geplante Anhebung des tatsächlichen Pensionsan-trittsalters um vier Jahre bis 2020 soll das Pensionssystem entlasten. Eine echte Einsparung wird es aber nur geben, wenn ältere Arbeitnehmer auch Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Doch die Erwerbsquote der Arbeitnehmer zwischen 50 und 64 war hierzulande im dritten Quartal 2011 mit knapp über 57 Prozent deutlich niedriger als etwa in Finnland (65,3 Prozent) oder Schweden (77,4 Prozent).

Die SPÖ ist daher mit der Forderung nach einem Beschäftigungsspakt für die 60 bis 65-Jährigen in die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ÖVP gegangen. Den Vorstoß der SPÖ-Oberösterreich, eine Quotenregelung für ältere Arbeitnehmer einzuführen, wird von der Wirtschaft jedoch abgelehnt.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat die skandinavischen Länder als Vorbild bei der Beschäftigung Älterer genannt. Dorthin soll die Reise auch gehen: In Schweden oder Finnland gibt es schon seit Jahren finanzielle Anreize für längere Beschäftigung. Das gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen. „Ab einem Alter von 63 ist jedes weitere Jahr Arbeit für die Pension dreimal soviel Wert wie bei jungen Arbeitnehmern“, erläutert Mayrhuber die Regelung in Finnland. Die Unternehmer zahlen für Arbeitnehmer, die länger als bis 63 arbeiten, niedrigere Pensionsbeiträge.

Ein solches System mit Anreizen für beide Seiten „fehlt in Österreich“, beklagt die WIFO-Expertin. Derzeit gibt es lediglich Abschläge für Frühpensionisten. Nach 45 Versicherungsjahren hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Höchstpension. Länger arbeiten hat keine Auswirkungen auf den Auszahlungsbetrag.

Invalidität

Mit Reformen im Pensionssystem allein ist es allerdings nicht getan. Ohne medizinische Begleitmaßnahmen droht ein massives Ansteigen der Krankenstände älterer Mitarbeiter.

Wie wichtig Prävention ist, zeigt die Statistik: Arbeitnehmer, die in die Invaliditäts-pension gegangen sind, haben bereits sieben Jahre vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses deutlich mehr Krankenstände als ihre Kollegen.

In Ländern wie Schweden, Finnland oder auch Holland hat man darauf reagiert. Bei längeren Krankenständen ist eine verpflichtende Beratung sowohl des Arbeitnehmers als auch des Unternehmens vorgesehen. Danach muss ein Integrationsplan erstellt werden, der auf die gesundheitlichen Einschränkungen Rücksicht nimmt. Die Einhaltung wird überprüft.

Kostenbeteiligung

Die Unternehmen haben ein finanzielles Eigeninteresse am Erfolg. Sonst müssen sie sich an den Kosten für die Frühpensionierung beteiligen. „Die schwedische Bauindustrie hat ein solches Modell seit Mitte der 90er-Jahre. Es funktioniert sehr gut“, weiß der Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer, Gernot Mitter .

In Österreich ist mit dem Projekt „Fit2work“ des Sozialministeriums ein solches Präventionssystem derzeit im Aufbau. Die Sozialpartner haben bereits laut darüber nachgedacht, nach 40 Krankenstandstagen eine verpflichtende Beratung vorzuschreiben – ganz nach dem Vorbild der nordeuropäischen Staaten. Derartige Vorsorge „bringt keine raschen Gewinne, entlastet aber mittelfristig die Pensionskassen“, lautet die Rechnung von Mitterer.

Er wünscht sich mehr Engagement der Unternehmen und ein Umdenken. „Wenn ein 55-Jähriger mitbekommt, dass nur 35-Jährige für die Weiterbildung eingeteilt werden, was wird das wohl bei ihm auslösen?“

Beschäftigung: Ab 50 Jahren wird es langsam finster
In Österreich sind die Beschäftigungsquoten älterer Arbeitnehmer in den vergangenen zehn Jahren immerhin etwa auf den EU-Durchschnitt gestiegen. Bei den Frauen ist der Prozentsatz der Beschäftigten zwischen 50 und 64 Jahren mit rund 50 Prozent deutlich niedriger als bei den Männern (65 Prozent).

Wegen der Krise gab es 2011 auch mehr ältere Arbeitnehmer ab 50 ohne Job als im Jahr zuvor. Am deutlichsten war der Ansteig mit 9,4 Prozent bei den mehr als 60-Jährigen.
Insbesondere gesundheitliche Probleme und die damit verbundenen längeren Krankenstände erhöhen das Risiko, den Job zu verlieren. Das zeigt ein Vergleich: Bei den Arbeitnehmern ohne gesundheitlichen Problemen ist die Arbeitslosigkeit im vergangen Jahr um 2,3 Prozent zurückgegangen. Bei jenen mit gesundheitlichen Schwierigkeiten ist sie im vergangen Jahr allerdings um 2,2 Prozent gestiegen.

Trotz der bisherigen Bemühungen ist das Pensionsantrittsalter etwa bei Männern im ASVG nach wie vor bei bei knapp über 58 Jahren und nicht bei 65.
Bei der Gesamtarbeitslosenquote ist Österreich jedoch deutlich besser als die skandinavischen Staaten. Im November 2011 waren hierzulande vier Prozent ohne Job. In Schweden und Finnland betrug die Arbeitslosigkeit hingegen 7,4 Prozent.