Wirtschaft

Anspruch auf vorzeitige Pension ist kein Kündigungsgrund

Es ist eine gängige Praxis, die allen Bestrebungen, das faktische Pensionsalter in Österreich nach oben zu schrauben, zuwiderläuft. Werden in einem Unternehmen Stellen abgebaut, stehen ältere Mitarbeiter mit vorzeitigem Pensionsanspruch schnell ganz oben auf der Kündigungsliste. Viele Arbeitgeber glauben nämlich, sie könnten Beschäftigte schon beim frühestmöglichen Pensionsanspruch (z. B. Korridorpension ab 63 Jahre) kündigen. Auch wenn die Betroffenen zum Teil empfindliche Abschläge hinnehmen müssen, greift in diesem Fall eine Kündigungsanfechtung wegen möglicher Sozialwidrigkeit nicht mehr.

Häufig besteht zwischen Betrieb und Arbeitnehmer Einvernehmen über einen vorzeitigen Austritt, der mitunter auch mit Sonderabfertigungen versüßt wird.

Anfechtung

Immer mehr Arbeitnehmer, besonders im Dienstleistungssektor, wollen aber nicht freiwillig gehen und fechten die "Zwangskündigung " gerichtlich an. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) stärkt jetzt die Aussichten auf Erfolg. Das Höchstgericht hob die Kündigung eines Arbeitnehmers mit Anspruch auf Korridorpension wegen "unmittelbarer Altersdiskriminierung" nach dem Gleichbehandlungsgesetz auf. Ein erzwungener Pensionsantritt laufe dem seit vielen Jahren verfolgten Ziel der Erhöhung des faktischen Pensionsalters zuwider, begründet der OGH und verweist auf die Grundrechte-Charta der EU, die auch das Recht auf Arbeit enthält. Die vom Unternehmen angeführten, "rein wirtschaftlichen Gründe" reichten dem Höchstgericht als Kündigungsgrund nicht aus.

"Das ist eine sehr erfreuliche Entscheidung. Sie stellt klar, dass beim bloßen Vorliegen eines vorzeitigen Pensionsanspruchs nicht einfach gekündigt werden darf", kommentiert Arbeiterkammer-(AK-)Rechtsexpertin Karmen Riedl das Urteil. Arbeitnehmer, die Abschläge bei der Pension nicht hinnehmen wollen, hätten jetzt "gute Chancen" bei Anfechtungsklagen.

Gute Gründe

Für Unternehmen wiederum bedeutet das Urteil, dass sie eine solche Kündigung sehr gut sachlich begründen müssen, damit sie nicht als altersdiskriminierend angefochten werden kann. Jeder Fall sei ein Einzelfall, betont Rolf Gleißner, Sozialexperte in der Wirtschaftskammer (WKO). Persönliche Gründe können bei der Kündigung Älterer ebenso eine Rolle spielen wie betriebswirtschaftliche Umstrukturierungen, die nur noch bestimmte Qualifikationen erfordern. Geht es der Firma schlecht, gebe es oft auch eine Interessensabwägung, Jüngere mit besseren Jobchancen oder Ältere mit Pensionsanspruch zu kündigen. Das Kündigungsrisiko bei Älteren sei aber generell geringer als bei Jüngeren.

Ist das gesetzliche Regelpensionsalter einmal erreicht (Frauen 60 Jahre, Männer 65 Jahre), greift die Altersdiskriminierung nicht mehr, stellte der OGH mit Verweis auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) klar. Es sei ein legitimes Ziel, Arbeitnehmer mit Pensionsanspruch zu kündigen, um jüngeren Arbeitnehmern den Eintritt ins Berufsleben zu erleichtern oder eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten.