Activas-Chef: "Sparmilliarde mit Generika möglich"
Von Anita Staudacher
Vor zwei Monaten ist der Schweizer Generika-Konzern Actavis um 4,25 Mrd. Euro an den US-Mitbewerber Watson verkauft worden. Der Tiroler Claudio Albrecht zog als Vorstandsvorsitzender von Actavis die Fäden und begleitet nun den Zusammenschluss. Der KURIER sprach mit Albrecht über die Konzentration am Markt, Zulassungshürden in Österreich und die Vorbehalte vieler Patienten gegenüber Generika.
KURIER: Die Kaufverträge mit Watson sind unterzeichnet. Wie geht es mit Ihnen und der Marke Actavis weiter?
Claudio Albrecht: Ich bleibe wahrscheinlich noch bis Jänner 2013 bei Actavis und begleite den Merger-Prozess. Was ich danach mache, ist noch offen. Ich habe noch keine festen Pläne. Ob die Marke Actavis in Europa erhalten bleibt, ist noch nicht entschieden. Ich kann es mir aber gut vorstellen.
Ist die Konsolidierung in der Generika-Industrie damit abgeschlossen?
Nein, das glaube ich nicht. Es werden schon nächstes Jahr weitere Übernahmen in der Generika-Branche stattfinden. Kleinere Spieler auf diesem Markt brauchen einfach starke Partner, um überleben zu können.
Warum?
Erstens: Immer mehr Staaten müssen bei den Gesundheitskosten sparen, was auch die Pharmaindustrie spürt, der Preisdruck nimmt zu. Zweitens: Durch den medizinischen Fortschritt werden die Arzneien immer komplexer und sind nicht mehr so einfach nachzubauen. Der Aufwand wird immer größer und lohnt sich nur, wenn ein riesiger Markt erschlossen werden kann.
In Österreich ist der Generika-Anteil mit 12,3 Prozent am Gesamtmarkt noch unterentwickelt. Wie groß ist das Potenzial?
Noch sehr groß. 20 bis 25 Prozent Anteil sind locker zu schaffen, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Durch den konsequenten Einsatz von Generika könnten im Gesundheitssystem jährlich 200 Millionen Euro eingespart werden, das wäre eine Sparmilliarde in fünf Jahren. Eine Arzneimittelreform greift immer sofort. Aber Österreich beharrt lieber auf seinem antiquierten Zulassungssystem.
Was soll sich ändern?
Gesetzliche Maßnahmen, welche Generikaherstellern sofort nach Ablauf eines Patentes erlauben, ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Derzeit gibt es einen weltweit einzigartig komplexen Preissenkungsmechanismus, bei dem Generika den Weg durch verschiedene Segmente (Boxen, Anm.) durchlaufen müssen. Durch dieses Boxensystem wird die Markteinführung von Generika um de facto sechs Monate verzögert. Es gibt da keinen fairen Wettbewerb zwischen Original- und Generikaherstellern.
Sie fordern auch eine Generika-Offensive. Wie soll die aussehen?
Da gibt es viele Beispiele aus anderen Ländern. Etwa, dass der Arzt nur den Wirkstoff verschreiben darf und Apotheken gesetzlich verpflichtet sind, billigere Generika auszugeben, sobald sie auf dem Markt sind. In Großbritannien muss der Patient für sein Wunschpräparat den Differenzbetrag selbst aufzahlen.
Viele Patienten äußern oft Vorbehalte gegenüber Generika, weil sie eben dem gewohnten Produkt in Aussehen und Form nicht ganz entsprechen.
Im Gegensatz zu Amerika, wo Pillen oft in irgendwelche Tüten abgefüllt werden, ist in Österreich die Markentreue sehr hoch. Was die Verpackung und Pillenform anbelangt, gibt es in einigen Ländern Vorschriften, dass sie sehr ähnlich dem Originalpräparat sein muss. Das erhöht die Akzeptanz, aber auch die Kosten für den Hersteller.
Welche Präparate werden derzeit weltweit am häufigsten durch Generika ersetzt?
Das größte Segment sind Herz-Kreislauf-Medikamente, dann folgt das zentrale Nervensystem, etwa Depressionen, Alzheimer; und dann kommt schon Diabetes. Insulin-Präparate sind der größte Wachstumsmarkt.
Die Massenproduktion findet längst in Billiglohnländern statt. Wie stark ist da die Konkurrenz aus China?
China ist ganz klar auf dem Vormarsch. Ich rechne mit einigen Übernahmen in den nächsten Jahren.
Käme Österreich als Standort für einen Generikakonzern überhaupt noch infrage?
Österreich hat ganz klare Wettbewerbsnachteile. Nicht nur wegen der höheren Standortkosten, sondern auch weil die Vorproduktion patentgeschützter Medikamente im EU-Raum nicht erlaubt ist. Daher sind viele Produktionen nicht im EU-Raum. Die Forschung und Entwicklung ist aus Effizienzgründen aber zumeist bei oder nahe der Produktion.
Actavis hat auch rezeptfreie Arzneimittel im Sortiment. In Österreich wächst die Front jener, die die Apothekenpflicht lockern wollen. Ihre Meinung?
Ich bin kein glühender Verfechter einer Liberalisierung, weil ich aus Erfahrung weiß, welche Wechselwirkungen Medikamente haben können und da braucht es einfach eine kompetente Beratung durch Apotheker.
Und was sagen Ihre neuen US-Eigentümer dazu?
Das kann ich noch nicht sagen. Aber sie werden auch auf europäische Gepflogenheiten Rücksicht nehmen.
Generika-Markt: Nur Großkonzerne überleben Preisschlachten
Billig, billiger, am billigsten: Auf dem globalen Markt für Nachahmeprodukte von Arzeimitteln tobt ein erbitterter Preiskampf. Wegen der steigenden Gesundheitskosten in vielen Industrieländern, vor allem in Europa, versuchen alle Länder, die Arzneimittelausgaben so weit wie möglich einzudämmen. Die EU-Kommission macht zusätzlich Druck. Sie will den Mitgliedsländern eine raschere Zulassungs- und Preisfestsetzungsfrist für die zumeist beträchtlich billigeren Generika verordnen und damit stärker in die nationalen Systeme eingreifen. Österreich, das im Unterschied zu Deutschland ein eher aufwändiges Verfahren hat (siehe Interview), lehnt die EU-Pläne ab.
Konsequenz der öffentlichen Sparzwänge: Pharmafirmen müssen zu immer billigeren Preisen anbieten, was speziell die Generika-Hersteller unter Druck bringt. Die Folge ist ein Konzentrationsprozess in der Branche, bei dem nur einige wenige, globale Anbieter übrig bleiben.
Die großen 3
Schon jetzt beherrschen drei Riesen den Markt: Die weltweite Nummer Eins ist die israelische Teva, die 2010 den deutschen Anbieter Ratiopharm schluckte. Dahinter folgen die Novartis-Tochter Sandoz, die sich 2005 Hexal einverleibte, und der US-Konzern Watson, der gerade mit Actavis fusioniert.
Nur eine Woche nachdem Watson Ende April die 4,25 Mrd. Euro schwere Übernahme von Actavis bekannt gab, schlug auch Novartis zu. Die Schweizer kauften für 1,14 Mrd. Euro in bar den US-Generikahersteller Fougera und werden damit zum größten Anbieter von dermatologischen Generikapräparaten.
Der weltweite Generika-Umsatz lag zuletzt bei 116 Mrd. Euro im Jahr. Die jährliche Wachstumsrate beträgt rund neun Prozent. Aufstrebende Märkte sind vor allem Indien und China.
Zur Person
Mr. Generika Der gebürtige Innsbrucker Claudio Albrecht (52) steht seit 2010 an der Spitze von Actavis und brachte den bei der Deutschen Bank hoch verschuldeten Pharmakonzern auf Vordermann. Nach dem Jus-Studium arbeitete er jahrelang für Sandoz/Novartis in Kundl, bevor er 2000 als Konzernchef zu Ratiopharm nach Ulm wechselte. 2005 überwarf er sich mit den Eigentümern und wurde selbstständig. Hobbys: Joggen, Mountainbiken
Actavis Das in Island gegründete Unternehmen mit Sitz in Zug (Schweiz) ist mit 10.500 Mitarbeitern in 40 Ländern und einem Umsatz von rund 2 Mrd. Euro der fünftgrößte Generika-Hersteller weltweit. Generika sind wirkstoffgleiche Nachahmerprodukte von Medikamenten. Jährlich werden mehr als 20 Milliarden Tabletten und Arzneimittel produziert und rund 1000 Produkte angeboten. Durch die Fusion Watson entsteht die Nummer Drei am Markt
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