Wirtschaft

Was kürzer arbeiten wirklich bringt

Das Arbeitsvolumen in Österreich ist schlecht verteilt: Die einen arbeiten viel zu viel, die anderen würden gerne mehr arbeiten. Und knapp 400.000 haben aktuell überhaupt keine Arbeit. Um vorhandene Arbeit besser zu verteilen und dadurch Jobs zu schaffen, will die Angestelltengewerkschaft GPA-djp in Österreich die 35-Stunden-Woche einführen. Konkret soll die gesetzliche Arbeitszeit von 40 auf 38,5 und die Normalarbeitszeit über die Kollektivverträge auf 35 Stunden sinken. Das Ganze bei vollem Lohnausgleich.

Die Beschäftigungskrise erfordere "mutige Schritte", begründet GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian den Vorstoß. Laut IFES-Umfrage würde immerhin ein Viertel der Arbeitnehmer eine 35-Stunden-Woche auch ohne Lohnausgleich begrüßen. Bei gleichbleibendem Gehalt wären sogar zwei Drittel dafür. Absolut dagegen ist die Wirtschaftskammer. Die Vorschläge seien "populistisch, kontraproduktiv und schlicht nicht leistbar", argumentiert WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser. Der KURIER fasste Pro & Kontra von kürzeren Arbeitszeiten zusammen:

+Bessere Verteilung: In Österreich werden 270 Millionen Überstunden geleistet, 60 Millionen davon unbezahlt. Betroffen sind vor allem Teilzeitkräfte. Die Gewerkschaft will Überstunden für Betriebe teurer machen ("Überstunden-Euro") und All-in-Verträge auf Führungsfunktionen einschränken. Dies soll zur Einstellung von zusätzlichen Arbeitskräften führen.

+Länger im Job: Kürzere Arbeitszeiten tragen dazu bei, dass Arbeitnehmer mehr Zeit zur Regeneration haben, daher länger gesund bleiben und dadurch länger im Erwerbsleben bleiben können.

+Mehr Familie: Kürzere Arbeitszeiten ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das derzeitige Modell führt dazu, dass Frauen in Teilzeit gehen und bleiben und Männer Vollzeit arbeiten. Frauen haben dadurch Nachteile bei Vorrückungen und Pension.

+Mehr Freizeit: Die Debatte hat schon jetzt dazu geführt, dass einige Kollektivverträge die Wahl anbieten, statt einer Ist-Lohn-Erhöhung mehr freie Tage zu nehmen. Das wird vor allem von Jungen gut angenommen.

-Höhere Kosten: Arbeit sei keine Frage der Verteilung, sondern der Kosten, argumentiert die Industriellenvereinigung und betrachtet kürzere Arbeitszeiten wegen höherer Lohnkosten als Jobkiller. Die Betriebe stöhnen jetzt schon über hohe Lohnnebenkosten und restriktive Arbeitszeitregelungen.

-Beispiellos: Österreichs Wirtschaft steht im Wettbewerb, aber kein anderes EU-Land erwägt derzeit kürzere Arbeitszeiten. In Frankreich gibt es zwar eine 35-Stunden-Woche, doch brachte sie dort nicht den erhofften Job-Effekt und wurde daher durch neue Überstundenregelungen entschärft.

-Realitätsfremd: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten geht die Formel "weniger Überstunden = mehr Jobs" nicht auf. Schlimmstenfalls drohen gar mehr Überstunden und weniger Jobs.