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Warum man bei traurigen Filmen weinen sollte

Es ist nur ein Film, nur fiktional, nicht real – und dennoch lösen Filme, aber vor allem Serien, oft tiefe Trauer und eben auch Tränen beim Publikum aus. Das Schicksal der Protagonisten scheint – manche mehr, manche weniger – zu berühren.

Und das ist auch gut so, meinen Forscher. Eine emotionale Bindung zu Leinwandcharakteren aufzubauen ist alles andere als ungesund.

Zwischen sozial und parasozial

In der Fachwelt beschreibt man jegliche Form der Beziehung zwischen fiktionalen Figuren und dem Menschen als parasoziale Beziehung. Dabei handelt es sich um eine einseitige Form der Beziehung, die vom Menschen ausgeht und in der realen Welt keine Grundlage hat. "Das Spannende ist, dass das Gehirn nicht dafür gemacht ist zu unterscheiden, ob eine Beziehung real oder fiktional ist", sagt Jennifer Barnes, Psychologieprofessorin an der University of Oklahoma im Interview mit Time. Diese "Freundschaften" können Barnes zufolge eine Menge Vorteile für den Zuseher bringen, darunter ein gestärktes Selbstbewusstsein, verminderte Einsamkeit und das Gefühl von Halt und Zugehörigkeit.

Passiert dem fiktionalen Freund etwas Schlimmes, sind unangenehme Gefühle die Folge. "Wenn man über den Zeitraum einer ganzen Staffel eine Stunde pro Woche mit einer Person verbringt, wird sie zu einem Art Freund – es ist also ganz normal, dass man aufgewühlt ist", erklärt Barnes.

Beim Serienkonsum Tränen zu vergießen ist auch ein Beispiel für das in der Medienwissenschaft als "Sad-Film-Paradox" bekannte Phänomen. Es beschreibt Szenarien, in denen sich Rezipienten freiwillig, zum Beispiel während des Kinobesuchs, unangenehmen emotionalen Erfahrungen aussetzen. "Trauer ist eine negative Emotion, die wir nicht gerne spüren und tragische Filme machen uns traurig. Dennoch scheinen wir tragische Filme zu mögen", so Barnes. Grund dafür könnte Forschern zufolge der Wunsch nach psychischer Entlastung durch das Ausleben innerer Konflikte und verdrängter Emotionen sein. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass wir uns nach dem Weinen schlichtweg besser fühlen.

Eine weitere Theorie, die mit der emotionalen Reaktion auf Serien und Filme in Verbindung steht: Meta-Emotionen. Damit bezeichnet man in der Psychologie die Entstehung von Gefühlen durch bestimmte Emotionen. So könne man Barnes zufolge beispielsweise auf einer Ebene Trauer empfinden, auf einer Ebene darüber stünde aber Dankbarkeit für die Bandbreite an Emotionen, die man fühlen kann. "Man freut sich darüber, wie empathisch man sein kann und dass man sich so gut in jemanden hineinversetzen kann, auch wenn diese Person nicht real ist", so Barnes.

Lehrreiches im TV

2015 konnte Barnes in einer eigenen Studie zeigen, dass der Konsum von TV-Serien die Fähigkeiten des Menschen die Gedanken und Gefühle anderer zu deuten verbessert, also den EQ (emotionale Intelligenz) erhöht. Bereits 2013 konnten Forscher feststellen, dass Lesen die emotionale Intelligenz steigert. Bei beiden Studien wurde jedoch die Relevanz der individuellen Beteiligung, also wie aktiv man beispielsweise eine Sendung schaut oder ein Buch liest, auf die Effekte betont.

Andere Untersuchungen legen wiederum nahe, dass TV-Programme, die menschliche Gefühlswelten porträtieren, Menschen einen wohlwollenderen, selbstloseren Umgang mit anderen lehrt.

Empathie, bitte auch im echten Leben

Achtsam sollte man laut Barnes in Bezug auf das eigene Empathievermögen im echten Leben sein. "man sollte sichergehen, dass man genauso viel Mitgefühl für reale Menschen empfindet", betont die Wissenschaftlerin.

Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass manche Menschen eine stärkere Verbindung zu fiktionalen TV-Charakteren pflegen als zu Menschen in ihrem realen Umfeld.

Leidet man über mehrere Tage oder Wochen hinweg an den Nachwehen der Trauer über die Vorfälle in einer TV-Serie, misst man den medialen Inhalten mit großer Sicherheit zu viel Bedeutung bei.