Wenn Stress das Herz verrückt macht
Es beginnt mit Atemnot, Brustenge und Schmerzen im Oberkörper - wie bei einem Herzinfarkt. Und wirklich - die Symptome der Takotsubo-Kardiomyopathie, auch Stress-Kardiomyopathie oder „Broken Heart-Syndrom“ genannt, gleichen denen eines Infarkts. Doch wann kommt es dazu und wodurch wird diese Erkrankung ausgelöst? Das wird etwa am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden untersucht. Dort beschäftigt sich das Autonome und Neuroendokrinologische Funktionslabor der Klinik für Neurologie gemeinsam mit der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie und dem Herzzentrum Dresden mit jenen Risikofaktoren, die das Entstehen der Erkrankung begünstigen. Anders als beim Herzinfarkt sind nicht verstopfte Arterien für die Beschwerden verantwortlich, sondern ein Überschuss an Stresshormonen, sogenannten Katecholaminen. In vielen Fällen lässt sich dieser erhöhte Anteil auf eine emotionale oder physische Ausnahmesituation zurückführen, die unmittelbar vor der Takotsubo-Kardiomyopathie aufgetreten ist.
Eine Herzkammer wie ein Tintenfisch
Die Takotsubo-Kardiomyopathie wurde erstmals 1990 von japanischen Wissenschaftlern beschrieben. Trotz intensiver Forschungsbemühungen um ein besseres Verständnis der Erkrankung, ist bisher wenig über die Ursachen bekannt. Die Patienten leiden unter vielfältigen Bewegungsstörungen des Herzmuskels und einer eingeschränkten Pumpfunktion der linken Herzkammer. Im Herzecho der Betroffenen zeigt sich ein charakteristisches Bild mit einer teilweise ballonartigen Aufweitung der linken Herzkammer ähnlich der japanischen Tintenfischfalle „Takotsubo“, nach der das Krankheitsbild heute benannt ist.
Vor allem Frauen sind betroffen
Ein Großteil der Patienten, von denen etwa 80 Prozent Frauen sind, übersteht das sogenannte „Broken-Heart-Syndrom“ zunächst ohne größere gesundheitliche Schäden. „Doch Langzeitbeobachtungen zeigen, dass Frauen und Männer, die an einer Takotsubo-Kardiomyopathie leiden, anfälliger für Folgeerkrankungen des Gehirns und des Herzens sind“, betont Dr. Manja Reimann vom Autonomen und Neuroendokrinologischen Funktionslabor am Uniklinikum Dresden. „Obwohl sich die Herzfunktion bei den meisten Patienten innerhalb von Tagen normalisiert, entwickelt etwa jeder fünfte Patient während der ersten Tage nach dem Anfall ernste Komplikationen wie etwa einen Anriss der Herzkammer, Bildung von Blutgerinnseln oder lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. In seltenen Fällen kann die Erkrankung deshalb sogar zum Tod führen“, weiß Dr. Manja Reimann.
Anreicherung von Stresshormonen
Obwohl Wissenschaftler nur ansatzweise verstehen, wie die Erkrankung entsteht, vermuten die Fachleute, dass das autonome Nervensystem eine Schlüsselrolle in der Krankheitsentstehung spielt, da dieses für die Ausschüttung von Stresshormonen - sogenannten Katecholaminen – verantwortlich ist. Katecholamine sind unter anderem an der Regulation von Herzfunktion und Blutdruck insbesondere unter Stressbedingungen beteiligt. Doch bisher ist unklar, warum es zu einer massiven Anreicherung der Stresshormone im Herzen der Betroffenen kommt.