RunNa: Frauensache XY gelöst
„Ach, ich laufe nicht oft. Zwei bis drei Mal die Woche, maximal zehn Kilometer. Und überhaupt habe ich ganzen Winter nichts gemacht. Wenn es so kalt ist, mag ich nicht“, sagte ein Freund vor rund einem halben Jahr. Ort des Geschehens: der Zielbereich des Vienna City Marathons. Stolz präsentierte er mir damals seine Medaille, denn er hatte nicht nur das Ziel erreicht, sondern auch SEIN Ziel geschafft: die 1:45 beim Halbmarathon geknackt.
Ich staunte nicht schlecht, denn bereits im Vorfeld verfolgte ich sein "Training" und dachte mir insgeheim: „Jeder wie er mag, aber das mit den 1:45 klappt bei deinem Pensum nie und nimmer.“ Tja, so kann man oder – um es auf das eigentliche Thema zu bringen – frau sich täuschen. Er war super happy und im Endorphin-Freudentaumel setzte er gleich noch eins drauf: „Das nächste Mal gehe ich die 1:40 an.“
Er war nicht der erste Mann, bei dem ich quasi aus dem Nichts eine solche „Leistungsexplosion“ erlebte. Und auch die Zahlen beim vergangenen Wachau Marathon sprechen für sich: Insgesamt 1340 Frauen sind beim Halbmarathon ins Ziel gekommen. Davon erreichten 492 eine Zeit unter den, für viele, magischen zwei Stunden. Das sind rund 37 Prozent. Zum Vergleich: Von den 2663 Männern, die erfolgreich gefinisht hatten, liefen 1830 unter zwei Stunden. Macht satte 69 Prozent. Nicht viel anders beim Marathon: Von 131 Frauen knackten 52 (rund 40 Prozent) die vier Stunden, von den 507 Männern waren es 328 (rund 65 Prozent). Stellt sich mir die Frage: Wie machen Männer das?
Der kleine Unterschied
„Solange Frauen Frauen sind, werden sie Männer nie einholen.“ Die norwegische Langstreckenläuferin Grete Waitz, die es 1979 als erste Frau beim Marathon in NY schaffte, die Schallmauer von 2:30 zu unterbieten, brachte es bereits in den 70er Jahren auf den Punkt. Frauen laufen anders. Es gibt sogar Bücher darüber, von denen ich aber ehrlich gesagt nicht viel halte. Denn darin ist meist von speziellem Training (brauchen Frauen das??) und noch viel häufiger von der richtigen Ernährung die Rede, damit sich nur ja nicht die verlorene Energie durch eine falsche Belohnung danach erst wieder an den Hüften festsetzt. Tja...
Aber weg von „Laufen macht schlank“, hin zu „Männer sind die besseren Läufer“. Dass ein Y eben kein X ist, ist ja nicht neu, aber wie wirkt sich dieser Unterschied der Chromosomen auf das Laufen aus? Christoph Triska vom Institut für Sportwissenschaft der Uni Wien bestätigt meinen Generalverdacht: „Männer steigen auf einem anderen Leistungsniveau ein. Würde man einen untrainierten Mann und eine untrainierte Frau, beide gleich groß und gleich schwer, miteinander vergleichen, so hat der Mann von Haus aus eine höhere VO2 max. und demnach von Grund auf ein höheres Leistungsniveau.“
Die maximale Sauerstoffaufnahme (also die VO2max) gibt an, wie viel Milliliter Sauerstoff der Körper bei einer Ausbelastung maximal pro Minute verwerten kann. Je höher der Wert, umso besser. Verantwortlich dafür sei laut Triska ein höherer Hämatokrit-Anteil im Männer-Blut. Außerdem seien Lunge und Herz größer als bei Frauen, was sich wiederum auf den Sauerstofftransport auswirkt. „Durch ein größeres Lungenvolumen kann mehr Sauerstoff aufgenommen werden, der durch den höheren Hämatokrit-Anteil im Blut besser in die Zellen transportiert werden kann. Und ein größeres Herz kann pro Schlag mehr Blut durch den Körper pumpen. Es hängt also alles zusammen“, sagt Triska. Zusammengefasst würde der Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen etwa zehn Prozent betragen.
Periodisierung
Tja und da wäre dann noch so eine Sache, womit Frauen in der Regel im wahrsten Sinne des Wortes zu kämpfen haben: Die Leistungsfähigkeit von Frauen ist nämlich unter anderem auch vom Zyklus abhängig. Welche Frau kennt es nicht: Die Laune an den Tagen ist im Keller, man hat gefühlte fünf Kilo mehr und wird noch dazu von Bauch- und/oder Rückenschmerzen geplagt. Kurz gesagt: Man fühlt sich mies. Doch auch wenn man von alldem verschont bleibt und die Tage quasi gar nicht zu spüren sind, die Leistung soll laut dem Experten vom Zyklus in jedem Fall beeinflusst werden: „Studien haben gezeigt, dass Ausdauertraining in der ersten Hälfte des Zyklus besonders effektiv ist, wohingegen in der dritten und vierten Woche der Östrogenspiegel sinkt und das Progesteron steigt und es dadurch vermehrt zu Wassereinlagerungen kommt“, sagt Triska.
Und zu guter Letzt kommen bei Frauen noch ein höherer Fett- und damit verbunden ein geringerer Muskelanteil sowie „weniger Testosteron und somit weniger Jagdinstinkt“ hinzu. Vielleicht ein Grund, warum Paula Radcliffe meinte: „I prefer just a women's race. It's a totally different game mentally.“
Bei all den Unterschieden, ich laufe dennoch gerne mit Männern. Da kann man den Jagdinstinkt in freier Wildbahn beobachten. Denn es ist immer wieder spannend mitzuerleben, wie Männer reagieren, wenn sie von einer Frau überholt werden ;-)
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