Diabetes kann ihn nicht stoppen
Einen Tag vor seinem 18. Geburtstag wurde bei Matthias Steiner Typ-1-Diabetes diagnostiziert, schon damals war Gewichtheben seine Leidenschaft. Ausgelöst hatte die autoimmune Stoffwechselkrankheit ein verschleppter grippaler Infekt. "Statt Sachertorte bekam ich eine Diätschnitte zum Geburtstag. Die Krankenschwester hat sich bemüht, aber für mich war das Leben sozusagen zu Ende. Plötzlich war ich ein kranker Mensch und mir wurde gesagt, ich darf nicht mehr Gewichtheben", erzählt der heute 33-Jährige von der Diagnose, die letztendlich doch nur ein weiteres Hindernis darstellte, das es zu überspringen galt. Blutzucker messen und häufiges Insulin spritzen stand seither an der Tagesordnung. Das hinderte ihn aber nicht daran, Europa- und Weltmeister zu werden.
Heute trägt Matthias Steiner eine Insulinpumpe und muss nicht mehr spritzen. "Früher musste ich bei niedrigem Blutzucker, wo das Basalinsulin aber schon im Körper war, etwas essen. Jetzt kann ich einfach die Pumpe reduzieren. Das ist ein riesiger Vorteil, gerade, wenn man aufs Gewicht achten will. Ich müsste jetzt zum Beispiel nichts Süßes essen", grinst er und tut es doch. Das ist ihm nicht zu verübeln angesichts der Leckereien, die es in der kleinen Konditorei in Heidelberg gibt, wo der gebürtige Niederösterreicher mit seiner Frau und den zwei Kindern lebt.
Schon zwei Wochen nach der Diagnose fing der Sportler wieder mit dem Gewichtheben an. "Ich habe bemerkt, es hat sich körperlich eigentlich nichts geändert. Das bekomme ich schon hin!", dachte er sich deswegen. Wie sieht Hochleistungssport mit Diabetes aus? Man muss zehn bis 15 Mal am Tag Blutzucker messen – vor allem an einem Wettkampftag –, damit der Blutzuckerwert nicht entgleist: "Gerade da muss alles funktionieren. Das erste Jahr war schon ein Horror wegen des Adrenalins und der Nervosität, dann spritzt man falsch und ist plötzlich nicht mehr leistungsfähig."
Dazu fiel es Steiner immer schwerer, in seiner Gewichtsklasse zu bleiben. Er musste immer wieder abnehmen, was in Verbindung mit dem Diabetes durchaus problematisch wurde. Also begann er das Gegenteil zu machen und aß sich auf das Level eines Superschwergewichts, um mit 150 Kilo Kampfgewicht bei den olympischen Spielen in Peking antreten zu können. Mit Erfolg, er wurde Olympiasieger. Bei den darauffolgenden Spielen in London im Jahr 2013 verletzte er sich und beendete wenig später seine Karriere: "Zu beweisen hatte ich ohnehin nichts mehr, das Ziel, stärkster Mann der Welt zu werden, war bereits erreicht." Nachdem er mit Gewalt zugenommen hatte, wollte er wieder dahin, wo er einmal war. Und so nahm Steiner 45 Kilogramm innerhalb von einem Jahr ab. Darüber hat er jetzt gemeinsam mit seiner Frau und TV-Moderatorin Inge Steiner ein Buch geschrieben, welches mittlerweile zum Ratgeber-Bestseller avancierte – "Das Steiner Prinzip".
Abends immer mal wieder Kohlenhydrate weglassen, drei Mahlzeiten am Tag und immer ein Glas Wasser vor dem Essen trinken, weil das eine Sättigung vorspielt. Langsam essen, fette Nahrungsmittel weglassen und auf Zucker soweit es geht verzichten. Viele Vollkornprodukte, Gemüse und Obst. Als Snack durften es Nüsse, Paprika oder Karotten sein. Und natürlich besonders wichtig: den Blutzuckerspiegel konstant halten. Man soll sich aber nicht mit Kalorien zählen verrückt machen, meint Steiner. Es gehe im Grunde nicht darum, wie viel man abnimmt, sondern um ein bewussteres Leben. Bewegung gehört dazu und je mehr man trainiert, desto mehr Muskelzellen baut man auf, in denen wiederum der Zucker verbrennt wird. Was man isst, hat große Auswirkungen darauf, ob man sich wohlfühlt. Je mehr unverarbeitetes Essen, desto mehr Kontrolle hat man auch darüber. Und das sei nicht nur für den Diabetiker wichtig, so Steiner: "In einem Viertelliter Cola sind neun Stück Zuckerwürfel. Ich trinke gerade Schwarztee. Wer würde da auf die Idee kommen, neun Stück Zucker reinzugeben? Niemand!" Das größte Problem sieht er im Überangebot an zucker- und fettreichem Essen. Gerade bei Kindern werde das immer problematischer, weil Lebensmittel als gesund vermarktet werden, obwohl sie es nicht sind. Entgegen wirken könne dieser besorgniserregenden Entwicklung nur noch der Gesetzgeber. Damit trifft er einen Nerv: Experten warnen schon seit längerem davor, dass Menschen immer dicker werden, sich weniger bewegen und dadurch das Risiko für Typ-2-Diabetes enorm ansteigt.
Jeden Tag beantwortet Steiner unzählige Fragen, die ihm Menschen mit Diagnose Diabetes per Mail schicken: "Ich möchte Ängste nehmen und zeigen, es kann trotz Erkrankung normal weitergehen. Mein Titel als stärkster Mann der Welt hilft da schon, gerade bei Kindern. Da merke ich, dass ich eine Hilfestellung bin."
- Magdalena Meergraf
Matthias Steiner ist kaum wiederzuerkennen, denn der Gewichtheber hat innerhalb von einem Jahr 45 Kilogramm abgenommen. Wie er das ganz ohne dubiose Diäten oder Tabletten geschafft hat, erzählt er in seinem neuen Buch „Das Steiner Prinzip. Vom Schwergewicht zum Wohlfühl-Ich“ (erschienen im Südwest Verlag).
„Nachdem so viele Menschen nach seinem Geheimnis gefragt haben, entschieden wir uns, es aufzuschreiben“, sagt Co-Autorin und Ehefrau Inge Steiner. Dabei ist das Erfolgsprinzip gar nicht so geheim: die Motivation hochhalten, Ziele setzen, den eigenen Körper kennenlernen. Das hat der einst stärkste Mann der Welt geschafft wie kein anderer. Gerade wegen seiner Erkrankung an Typ-1-Diabetes und in Verbindung mit dem Hochleistungssport, weiß Matthias Steiner genau, wie sich Ernährung auf den Stoffwechsel auswirkt. Das sei aber nicht nur für den Diabetiker wichtig, so Steiner. Mehr Bewusstsein darüber, was man isst, trinkt und wie man sich bewegt, sei für jeden Menschen ratsam. mit In seinem Buch will er zeigen, wie jeder das Ziel, abzunehmen und vor allem danach das Gewicht auch zuhalten, erreichen kann.
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