Thema/mutgeschichten

"Danke für die Zivilcourage"

Sie trägt kurze, graubraune Haare, eine gepunktete Bluse und eine hellbraune Hose. So sieht sie also aus – unser „Schutzengel“. Silvia Busta aus Stockern, Bezirk Horn, NÖ, konnten wir nie richtig kennenlernen. Und trotzdem ist die vierfache Mutter, 53, alles andere als eine Fremde.

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Meine Mutter Erna Zahrl, 66, und ich, 34, wissen, dass unser Leben vermutlich schon vor 30 Jahren zu Ende gegangen wäre, wenn Silvia und der Pensionist Johann Bürgmayer nicht zugepackt hätten. Sie dachten keine Sekunde darüber nach, dass sie ihr eigenes Leben in Gefahr bringen könnten, wenn sie uns aus einem brennenden Auto ziehen würden. „Das Risiko war uns in dem Moment sicher nicht bewusst“, sagt die heute 53-Jährige.

Drei Jahrzehnte später stehen wir vor ihrer Haustüre in Stockern, um ihr nochmals dafür zu danken, dass sie nach unserem Verkehrsunfall am 1. Juni 1983 in der Nähe von Horn – Bürgmayer starb bereits ein Jahr später – Zivilcourage bewies. Was für Busta selbstverständlich ist, hat für uns eine große Bedeutung. „Obwohl sie damals schwanger war, hat sie nicht auf ihre Sicherheit geachtet. Das macht nicht jeder“, sagt meine Mutter Erna. Wenngleich wir die 53-Jährige so gut wie nicht kennen, ist zwischen uns eine Verbundenheit spürbar – so eng, als wäre sie Mitglied unserer Familie.

Drama

Was uns verbindet, ist eine dramatische Rettungsaktion, die sowohl unser als auch ihr Leben veränderte. „Seit damals trage ich immer ein Taschenmesser in meiner Handtasche. Ohne Messer hätten wir den Sicherheitsgurt nicht entfernen können“, erzählt Busta, die auch heute noch ähnlich oft wie wir an den Unfall vor 30 Jahren zurückdenken muss.

Nachdem meine Mutter und ich damals die Wallfahrtskirche in Maria Dreieichen, Bezirk Horn, besucht hatten, wollten wir meinen älteren Bruder Michael, damals 15, von der Schule in Hollabrunn abholen. Die Fahrt dauerte keine Minute, schon geriet unser Audi 50 ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Einen kurzen Moment später lehnte ich mich vor zu meiner Mutter, weil ich wissen wollte, ob es ihr gut geht. Auf meine Rufe „Mama! Mama!“ reagierte sie nur minimal. Dann schlugen bereits Flammen aus dem Motorraum. Obwohl ich erst drei Jahre alt war, sind meine Erinnerungen so klar, als wäre der Unfall gestern passiert.

Beherzt

Augenzeuge war Johann Bürgmayer, der mit seinem Schäferhund Rigo zu Fuß unterwegs war. Der 73-jährige Rentner rannte zum Unfallauto und versuchte, eine der Türen zu öffnen. Zur gleichen Zeit blieb die damals 22-jährige Lenkerin Silvia Busta stehen, die ihm behilflich war.

Als beide spürten, dass die Türen klemmten, schlugen sie ein Fenster ein und brachten zuerst mich in Sicherheit. Die Rettung meiner Mutter war ungleich schwieriger, weil sie noch angegurtet war und schon Flammen ihre Beine erreichten. „Zum Glück hatte Bürgmayer ein Taschenmesser einstecken, mit dem er den Gurt durchschneiden konnte“, erinnert sich die 53-Jährige. Busta und Bürgmayer zogen meine Mutter durch das Fenster aus dem Wrack. Während sie mit schweren Verletzungen im Krankenhaus Horn um ihr Leben kämpfen musste, blieb ich unverletzt.

Ein ähnlich großes Glück war es, dass ausgerechnet zwei nervenstarke Personen zur rechten Zeit am rechten Ort waren. „Wenn mir was passiert wäre, wär’s egal gewesen. Ich bin schon alt“, sagte Johann Bürgmayer damals: „Hauptsache ich konnte zwei Menschen helfen.“