„Ängste bewahren uns vor Leichtsinn“
Ich erinnere mich zurück an meine Kindheit. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in den Bergen in Vorarlberg. Hinter unserem Haus ragte der Hochberg 2400m in die Höhe. Mein jüngerer Bruder und ich beschlossen, dort hinauf zu klettern. Und das im Winter, wo es stets riesige Lawinenabgänge gab. Welch leichtsinniger Plan! In besagtem Jahr war eines der großen "Tobel" vergletschert. Am Rand des Lawinenkegels zum Felsen war immer eine tiefe und breite Spalte, ähnlich einer Gletscherspalte. Weit hinten im Tal wollten wir den Berg erklettern. Der Felsen war jedoch extrem brüchig und so einigten wir uns, jeweils auf einer anderen Seite eines Zwischengrades ca.700m hochzuklettern. Wir konnten einander dadurch nicht mehr sehen. Die Brüchigkeit des Untergrundes ließ uns keine Zeit zum Verschnaufen. Andauernd brachen die Steine unter unseren Füßen weg. Immer mehr kam die Angst um meinen Bruder in mir hoch, für den ich mich verantwortlich fühlte. Allein die Vorstellung, dass man beim Abrutschen unweigerlich in der tiefen Spalte für immer verschwinden würde, war schrecklich. Ich wollte gerade nach etwas greifen, was kurz meine Aufmerksamkeit forderte, als ich ein lautes Krachen und polternde Steine hörte. Ich erzitterte am ganzen Körper. Was war wohl passiert? Zu sehen war nichts und dann war plötzlich eine Stille. Es waren die schrecklichsten Momente, bis ich endlich den Ausstieg erreichte und mein Bruder von oben herunter lachte.
Als Jugendlicher hatte ich wohl Leichtsinn mit Mut verwechselt!
Erst in späteren Jahren lernte ich Angst, Mut und Leichtsinn besser einzuordnen. Erst durch viele schöne Erlebnisse beim Klettern, Bergwandern und Schitouren-Gehen lernte ich, dass Angst und Mut zusammengehören und Leichtsinn dem entgegensteht. Ängste bewahren uns vor Leichtsinn, aber Angst kann auch zur Gefahr werden, wenn sie uns unkontrolliert erfasst. Dies bedeutet ganz einfach, dass wir lernen müssen, mit unseren Ängsten richtig umzugehen und das wiederum setzt viel Mut voraus.