Leben/Mode & Beauty

Wie Jackie Kennedy zur Modeikone wurde

"Zeige diesen Texanerinnen, was guter Geschmack wirklich ist", soll John F. Kennedy zu seiner Frau gesagt haben, bevor er mit ihr in den Flieger nach Dallas stieg. Es war der Morgen des 22. November 1963, ein paar Stunden, bevor der 35. Präsident der Vereinigten Staaten in der offenen Limousine erschossen wurde. Weil beim Lunch viele wohlhabende Republikanerinnen mit Nerz und Perlenkette anwesend sein würden, wählte die First Lady ein Kleidungsstück, das in den Jahren zuvor zum Symbol der weltgewandten, modebewussten Bourgeoisie-Frau geworden war: das Chanel-Kostüm.

Ihres war himbeerrosa, mit navyblauem Kragen und goldenen Knöpfen, und es war eines der Lieblingsoutfits ihres Mannes. Dazu kombinierte die 34-Jährige einen farblich abgestimmten Pillbox-Hut, den sie wie immer auf ihren toupierten Hinterkopf gerückt hatte, eine navyblaue Handtasche und weiße Handschuhe. Es wurde eines der berühmtesten Outfits des 20. Jahrhunderts.

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Denn Jackie weigerte sich, das Kostüm auszuziehen, obwohl es während des Attentats mit dem Blut ihres Mannes befleckt worden war. Sie trug es während des Rückflugs nach Washington, wo Lyndon B. Johnson als neuer Präsident angelobt wurde, und zog es erst am folgenden Morgen wieder aus. Ihre Mutter packte es in eine Box, versah diese mit der Notiz "November 22nd 1963" und verstaute sie auf ihrem Dachboden. Bis heute hat es die Öffentlichkeit nie wieder zu Gesicht bekommen. Und es wurde niemals gereinigt.

Originalgetreu

Trotz der tragischen Ereignisse an jenem Novembertag kam Jacqueline Bouvier Kennedy dem Wunsch ihres Mannes nach: Sie zeigte der Welt, was guter Geschmack ist. Das pinke Chanel-Kostüm mag ihr berühmtestes Kleidungsstück gewesen sein (und ihr letztes Outfit als First Lady), doch letztlich war es nur eines von vielen, die sie zur größten Modeikone des 20. Jahrhunderts gemacht haben.

23 Jahre nach ihrem Tod ist Jackies zeitloser Stil nun wieder im medialen Fokus: Im dreifach oscarnominierten Film "Jackie" (seit Donnerstag in den Kinos) über die Tage und Wochen nach der Ermordung JFKs spielt die Mode eine Hauptrolle. Kostümbildnerin Madeline Fontaine ließ "Jackie"-Darstellerin Natalie Portman zehn ikonische Sixties-Looks auf den Leib schneidern, unter anderem – natürlich – das rosa Chanel-Kostüm. "Wir färbten den Stoff so oft, bis wir den richtigen Rosa-Ton bekamen. Und wir brauchten fünf Modelle vom selben Outfit!", erzählte die Französin dem Hollywood Reporter. Chanel schickte die passenden Knöpfe, sogar ein Etikett aus der damaligen Zeit stellte das Modehaus zur Verfügung. Der Bouclé-Stoff wurde in der französischen Original-Textilfabrik hergestellt. "Ich fragte sie, ob sie ihn für uns wieder produzieren könnten, und sie waren sehr erfreut."

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Auch das rote Wollkostüm von Dior wurde exakt kopiert, genauso, wie das schwarze Kleid und der Spitzenschleier, den die Witwe auf dem Begräbnis trug. "Jackie wusste genau, wie man sich für den richtigen Moment stylt", sagt Fontaine. "Selbst auf ungestellten Fotos sieht sie immer perfekt aus. Ich denke, das ist der Grund, warum manche Outfits den Menschen so im Gedächtnis bleiben."

Umstellung

Als Jackie mit 31 Jahren First Lady wurde, wusste sie genau um ihre neue Stellung. "Ihr war bewusst, dass sie fortan mit jedem ihrer Looks eine Botschaft transportieren würde", sagt Kunsthistorikerin Brigitte Tietzel, die sich viel mit dem Stil Kennedys beschäftigt hat. Und nicht nur das: Gleich in ihrem ersten Monat als Präsidentengattin gestaltete Jackie das Weiße Haus um, suchte auf dem Dachboden nach Möbeln aus der Zeit der Entstehung. "Alle Leute, die das Weiße Haus besuchen, sollen darin ein Gefühl für Geschichte bekommen", sagte sie.

Auch modisch musste sie sich umstellen. Vor ihrer Ehe hatte die Bankierstochter viel Zeit in Paris verbracht, sogar ein Semester an der Sorbonne studiert. "Sie kleidete sich immer französisch, bevor sie First Lady wurde, hat viel von Givenchy gekauft", weiß Brigitte Tietzel. "Während des Wahlkampfs hat man ihr gesagt: Das geht so nicht. Zur Amtseinführung müssen Sie amerikanisch gekleidet sein."

Also ließ sich Kennedy, die gerade ihr zweites Kind zur Welt gebracht hatte, eine Auswahl an Designern präsentieren. Und entschied sich für Oleg Cassini, einen amerikanischen Modeschöpfer, der in Paris geboren worden war. Ein guter Mittelweg also. "Die beiden wurden ein kongeniales Duo", berichtet Tietzel. "Natürlich hat sie sich ein Stück weit gebeugt. Aber nicht, ohne ihren eigenen Stil einzubringen. Jackie wollte auf keinen Fall auffallen oder overdressed sein. Sie wollte schlicht und elegant sein."

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Weil sie Hüte hasste (aber welche tragen musste), ließ sie sich krempenlose Pillbox-Hüte anfertigen, die sie so aufsetzte, dass ihr Gesicht frei blieb. Beim Ball nach der Amtseinführung ihres Mannes im Jänner 1961 trug sie eine schlichte, cremeweiße Robe mit Chiffon-Oberteil und glattem Rock, darüber ein Cape. "Sie war diejenige, die auffiel – nicht, weil sie sich wie die anderen Damen mit Pelz und Schmuck behängte, sondern, weil sie es eben nicht getan hat", erzählt Tietzel. Schulterfreie Roben wie diese waren nicht immer selbstverständlich: "Oleg Cassini musste den Präsidenten erst überreden. Er sorgte sich: Was soll das Volk über seine First Lady denken, wenn sie so daherkommt? Cassini sagte ihm, das sei ein Nofretete-Look, den die Ägypter schon vor 3000 Jahren getragen haben. Dann hat er schmunzelnd klein beigegeben."

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Jackies Gabe war es, bei allen Gelegenheiten genau das Kleid zu wählen, das passte. Für ein Abendessen mit dem französischen Präsidenten ließ sie sich eine aufsehenerregende Robe schneidern, die an die französische Couture des 18. Jahrhunderts erinnerte. "Jackie war unglaublich intelligent. Sie hat ihre Kleidung eingesetzt, um Politik zu machen."

Auch in Dallas, als sie sich weigerte, das mit Blut befleckte Kostüm auszuziehen. Tietzel: "Für die Rückkehr nach Washington hatte man ihr verschiedene Kleider zurechtgelegt. Doch sie sagte: ‚Sie sollen sehen, was sie getan haben.‘ Sie war die erste und letzte First Lady, die das so zelebriert hat."

Gut und echt

Jackies Stil wurde vielfach imitiert, zuletzt von der neuen First Lady Melania Trump. "Wenn die Leute merken, dass etwas gut und echt ist, imitieren sie es. An diesen Hype kam nur Lady Di heran", sagt die Historikerin, "aber sie wurde nicht so oft kopiert."

Auf einem Foto ist Jackie, die nur drei Jahre First Lady war und nach ihrer Hochzeit mit Aristoteles Onassis Jackie O. genannt wurde, mit Farah Diba, damals Kaiserin von Persien, zu sehen. Es sagt eigentlich alles über die Wirkung Jackies aus, findet Brigitte Tietzel. "Farah Diba hatte man in das offizielle Gewand der persischen Kaiserin gesteckt – wer es anhatte, war letztlich egal. Jackie hingegen hatte sich extra ein Kleid anfertigen lassen, keine andere hätte es tragen können. Die eine war eine Symbolfigur, die andere ein Individuum. Jackie war Jackie – niemand sonst."

Nicht nur modisch orientiert sich der Film "Jackie" stark am Original. Auch das Haarstyling Natalie Portmans sieht dem von Jacqueline Kennedy zum Verwechseln ähnlich – allen voran der Bouffant (französisch für "bauschig"), jene Frisur, die extra für die First Lady kreiiert wurde und in den Sechzigerjahren einen Hype auslöste.

Der Mann hinter dem Kult-Haarschnitt ist Kenneth Battelle, ein New Yorker Friseur, der zuvor schon Audrey Hepburn und Marilyn Monroe gestylt hatte. Kurz nach ihrer Hochzeit kam Kennedy in seinen Salon – weil der Friseur, der ihr normalerweise die Haare schnitt, nicht da war, wurde sie an Battelle verwiesen. Dieser fand, dass Jackies "Italian Cut" zu kurz und stufig für sie war, und ließ extra riesige Lockenwickler anfertigen. So toupierte er das Haar und fixierte es mit Unmengen Haarspray. Damit die Frisur nicht zu steif aussah, schloss er sie unten mit sanften Föhnwellen ab. Der Look würde die Wangenknochen der First Lady betonen, befand Mister Battelle.

Der Bouffant funktioniert auch heute noch, weiß Art Director Susanna Rockenbauer-Uler vom Wiener Friseursalon Uler Hairdressing. "Man braucht dafür vor allem Griffigkeit und Volumen. Nach dem Waschen wird ausgeföhnt, antoupiert und mit Haarspray fixiert." In erster Linie passt die It-Frisur zu eleganten Outfits. "Die Haare sind toupiert und haben viel Glanz und Volumen – alles Aspekte, die mit einem glamourösen Auftritt in Verbindung gebracht werden. Man darf aber auch mutig sein und mit Stilbrüchen spielen."