Warum es Pelz auch ohne Gewissensbisse gibt
Von Maria Zelenko
Es ist ein jahrzehntelang ersehnter Sieg für Tierschützer: Wie die norwegische Regierung kürzlich bekanntgab, werden sämtliche Pelzfarmen des Landes bis 2025 abgeschafft. Ungefähr 300 solcher Betriebe, die jährlich rund 700.000 Nerze und Füchse züchten, gibt es dort aktuell.
Die längst überfällige Entscheidung wurde in Österreich bereits vor Jahren getroffen. Hierzulande sind gemäß Bundestierschutzgesetz seit 2005 Pelzfarmen verboten. Ganz im Gegenteil zu unseren Nachbarn. "Es gibt derzeit ungefähr fünf solcher Betriebe in Deutschland", sagt Jan Peifer, Gründer des Deutschen Tierschutzbüros. Zwei haben ihre Schließung bereits angekündigt. Er ist sich sicher: "Die Tage der deutschen Pelzfarmen sind gezählt." Grund seien Europas Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre, welche quasi einem Berufsverbot gleichkämen. Denn mehr Platz für die Tiere und ein besserer Wasserzugang seien so teuer, dass das Geschäft nicht mehr rentabel sei.
Sensibilität steigt
Nicht nur in Norwegen ist die Entscheidung zum Pelzverzicht gefallen, auch die Modebranche denkt um. Giorgio Armani und Michael Kors sind zwei der größten Namen, die ihre Kunden nicht mehr mit Nerz und Fuchs ins Geschäft locken. Auch Gucci sagt ab sofort "Nein" zu Pelz. Dass sich jemand wie Alessandro Michele, Chefdesigner des Luxuslabels, vom einst höchsten Statussymbol abwendet, könnte man als Trendwende bezeichnen. Doch die Zahlen zeigen anderes.
Denn allein zwischen 2010 und 2015 haben sich die Umsätze der Pelzbranche auf über 40 Milliarden Dollar verdreifacht, wie der Spiegel unlängst berichtete. "Das Geschäft mit dem Pelz floriert", weiß auch Irina Fronescu von Vier Pfoten. Vor allem in Asien und Russland sei die gestiegene Kaufkraft zu bemerken. In Europa ist der Absatz gleichbleibend, doch die Sensibilität für das Thema steigt. Laut einer Integral-Umfrage halten 80 Prozent der Österreicher das Töten von Tieren für Pelzprodukte für nicht vertretbar.
Ist Pelz ohne Gewissensbisse überhaupt möglich? "Nein", sagt Fronescu. "Das sind Wildtiere, deren Bedürfnissen man nicht gerecht werden kann." Nutztiere wie Rinder seien an die Haltung des Menschen gewöhnt. Auf Pelzfarmen – die meisten davon befinden sich in China – werden wasserlebende Arten wie der Nerz ohne Schwimmwasser gehalten. Jene, die von Natur aus Einzelgänger wären, sind in Massen eingesperrt. Und in ihren Käfigen mit einer Standardgröße von 90 mal 30 Zentimetern können sich die Tiere kaum bewegen.
Aus Alt mach Neu
Ganz auf Pelz verzichten müssen Modeliebhaber laut Designer Marcel Jouja dennoch nicht. Gemeinsam mit Geschäftspartnerin Nina Eiber entwirft er Mäntel, Jacken und Stolen. "Wir arbeiten ausschließlich mit recyceltem Pelz", erklärt er.
Kunden bringen ihm Stücke, die sie in vielen Fällen geerbt haben. Die Haare der teils jahrzehntealten Kreationen werden gereinigt und in zeitgemäße Mode umfunktioniert. Jouja, der in dritter Generation Kürschner ist, plädiert für einen verantwortungsvolleren Umgang mit Pelz – und appelliert an den Handel. Dieser habe aufgrund der steigenden Nachfrage in den Siebziger Jahren die Zucht gefördert. "Das Produkt muss teurer werden." Eine Zukunft ganz ohne Pelz sieht er nicht. "Ich fände das unvernünftig. Die Alternative sind Erdöl-Produkte und Polyester, welches die Meere verschmutzt." Wer verantwortungsvoll leben will, solle sich vermehrt mit Naturmaterialien wie Wolle einkleiden – und die bestehenden Ressourcen in den Kleiderschränken nutzen.
Ein Großteil des weltweit verkauften Pelzes kommt aus China. Dort ist die Haltung der Tiere so günstig, dass das Fell zu sehr niedrigen Preisen exportiert werden kann. Gleichzeitig wird die Herstellung von hochwertigem Kunstpelz immer teurer. Irina Fronescu von Vier Pfoten rät, bei preiswerter Mode nicht automatisch von synthetischem Fell auszugehen. Denn vor allem bei Accessoires wie Mützen würden oft Reststücke aus der Pelzproduktion verarbeitet. "Außerdem ist die Kennzeichnungspflicht sehr schwammig." Hersteller seien gesetzlich nicht dazu verpflichtet, Pelz als solchen zu deklarieren.
Tipp: Bei einer Stichprobe entpuppten sich von vier nicht richtig gekennzeichneten Produkten alle als Echtpelz. Fronescus Tipp: "Ziehen Sie die Haare auseinander. Am darunter liegenden Gewebe können Sie erkennen, ob es sich um ein künstlich gewebtes Muster handelt oder ob sich darunter echtes Leder befindet."