Leben/Mode & Beauty

Sommertrend Blumenkränze: Flowerpower im Haar

Blüte hinlegen, Schleife drumherum, Blatt hinlegen, Schleife drumherum, an die Enden ein Bändchen, dazwischen viel Schleierkraut. Jahrelang verbrachte Cecilia Leitinger so ihre freie Zeit – mit dem Flechten von Blumenkränzen. "Immer öfter wurde ich von Freunden oder Fremden auf der Straße gefragt, wo es meine Blumenkränze zu kaufen gäbe und ob ich ihnen einen machen könne." Schließlich beschloss die studierte Modedesignerin, ihr Hobby zum Beruf zu machen – und gründete den Online-Shop "We Are Flowergirls".

"Die Nachfrage ist stark", sagt sie. Vor allem Bräute interessieren sich für die meist pastellfarbenen Blumenkränze. "Im Wedding-Bereich dreht sich momentan alles um die Themen Wald, Romantik, Beach und Boho. Jede Braut, die dieses Motto gewählt hat, will ein Kränzchen. Krönchen und Glitzer sind out." Vorgemacht haben’s Promi-Damen wie Lana Del Rey und Ashley Tisdale, die in einer XL-Flower-Crown vor den Traualtar trat.

Überall, außer im Büro

Ganz neu ist der Trend nicht: Top-Designer wie Dolce & Gabbana setzten ihren Models schon vor zwei Jahren zarte Blumenkränze auf das Haupt. Auf dem vor allem bei Stars beliebten Coachella-Festival in Kalifornien ist der florale Blumenschmuck längst genauso wichtig wie die Eintrittskarte. "Ich habe das Gefühl, dass der Trend nun endgültig bei uns angekommen ist", meint Leitinger. Wer das Fotoportal Instagram nach dem Hashtag "Blumenkranz" durchsucht, findet mehr als 16.000 Fotos von modernen Blumenmädchen. Im Gegensatz zu den Hippies der Sechzigerjahre haben die Kränze heute keinerlei politische Bedeutung – viel mehr geht es um ein Lebensgefühl, eine Mischung aus Ökobewusstsein und dem Wunsch, sich aufs Wesentliche zu besinnen. Statt XL-Strassketten schmückt man sich mit lieblichem Understatement. "Klar, die Kränze sind nicht unbedingt fürs Büro geeignet. Aber man kann sie jetzt auf Gartenpartys, zum Picknick, zum Baden oder auf der Straße tragen, ohne komisch angeschaut zu werden."

Ab 220 Euro

Vor ein paar Jahren war das noch anders, erinnert sich Niki Osl. Ihr Label "Miss Lillys Hats" steht für High-Class-Blumenkränze – Preise ab 220 Euro, gefertigt wird nach traditioneller Handarbeit. "Als ich begonnen habe, fragte mein Großvater: ‚Wer soll das denn tragen?‘ Bei Blumenschmuck dachte man zuerst an die Kuh beim Almauftrieb." Die Wienerin arbeitet ausschließlich mit Samt und Seide, ihre Vintage-Blumen sind aus dem frühen 20. Jahrhundert. "Nachhaltigkeit ist mir wichtig. Meine Kränze sollen keine Wegwerfartikel sein", sagt sie. Viele kommen mit dem alten Blumenkranz ihrer Großmutter, den sie umarbeiten lassen wollen. Ein Erbstück für die Ewigkeit – "wie die Chanel-Tasche", lacht die Designerin.

So schön sind die Modelle

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Die Geschichte des Blumenkranzes ist eine Geschichte der Doppeldeutigkeit: Erst dienten Blumen im Haar als Fruchtbarkeitssymbol, dann als Zeichen für Jungfräulichkeit und später als Sinnbild für freie Liebe.

Aber der Reihe nach: Die ersten Kränze wurden schon im 5. Jahrhundert v. Chr. geflochten, allerdings mit grünen Blättern statt mit bunten Blüten. Lorbeerkränze wurden Siegern bei Sportwettkämpfen aufgesetzt, Efeu – wie ihn Bacchus, der Gott des Weines, trug – sollte die Trinkfestigkeit stärken. Blütenkränze galten hingegen als Zeichen für Fruchtbarkeit.

Jungfräulichkeit

Vom Mittelalter bis in die Zeit des Biedermeier trugen Frauen Blumenkränze, um Sittsamkeit und Jungfräulichkeit zu demonstrieren. Sogar Queen Victoria, bis vor Kurzem die am längsten regierende Königin Englands, verzichtete bei ihrer Vermählung mit Prinz Albert im Jahr 1840 auf den üblichen Prunk royaler Hochzeiten und trug einen Kranz aus Orangenblüten statt einer goldenen Krone. Die Inspiration hatte sie sich in China geholt, wo sich Bräute traditionell mit Blüten des Orangenbaums schmückten – sie sollten dafür sorgen, dass aus der Ehe viele Kinder hervorgehen. Was bei Victoria, die neun Kinder und 44 Enkel hinterließ, zweifelsohne funktionierte.

Zur Hochzeit

Die Regentin löste, ähnlich wie Kate Middleton heute, einen Boom aus: Von nun an trugen überall in Europa Bräute Blumenkränze bei ihren Hochzeiten. Während der Industrialisierung stellte der „Zurück zur Natur“-Gedanke eine willkommene Abwechslung dar. In den späten 1960ern rebellierten Hippies von den USA ausgehend mit Flower Power gegen Krieg und gesellschaftliche Konventionen – und der Blumenkranz wandelte sich vom Symbol für die ewige Liebe zum Zeichen für die freie Liebe.