Leben/Mode & Beauty

"Ich bin kindisch verantwortungslos"

Paris Saint Germain, Rue des Saints-Pères. Jonathan, ein Mitarbeiter des PR-Büros, öffnet das schöne Holztor mittels Code. Am Ende der Treppe erwartet uns ein Hausangestellter in weißer Jacke, nimmt mir den Mantel ab und führt uns in die Bibliothek.

Ich bin fasziniert. In dem hohen Raum stapeln sich an den Wänden rundum vom Boden bis zur Decke Bücher. Kunstbücher, historische Bücher, Bücher über Mode. Non, merci, ich will nichts trinken. Während ich auf das Interview warte, greife ich lieber nach einem Buch: Coco Chanel, Summer 62, mit Fotos von Douglas Kirkland und Beiträgen von Karl Lagerfeld.

Doch es sind nicht die rund 300.000 Bücher des Hausherrn, die mich hierher geführt haben. Ich bin wegen der neuen Düfte da: Karl Lagerfeld. Im durchsichtigen Flakon das Eau de Parfüm für Damen, im schwarzen das Eau de Toilette pour Homme. Dann öffnet sich die Tür zum Nebenzimmer. Monsieur Lagerfeld erscheint. Und er ist für unser Gespräch bereit:

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KURIER: Herr Professor, braucht die Welt überhaupt noch ein Parfüm?
Karl Lagerfeld:
Ich liebe Parfüms. Düfte machen das Leben einfach schöner. Parfüms – das ist wie Mode für die Nase.

Tragen Sie Ihr eigenes Parfüm?
Den Männerduft benutze ich zur Zeit zu hundert Prozent. In jedem Raum steht ein Flakon. Ich sprühe das Parfüm auf meinen Bademantel, auf meine Hemden, auf meine Jeans, auf meine Handtücher, auf mein Bett, auf meine Leinentücher, einfach überall hin.

Die Parfüms bekommt man überall. Auch in den Boutiquen, die Sie weltweit eröffnen. Wo man die Karl-Lagerfeld-Kollektionen bekommt. Erstaunlich sind die relativ günstigen Preise.
Ich finde es gut, dass man unter meinem Namen etwas findet, das nicht so wahnsinnig teuer ist wie Fendi oder Chanel.

Wann eröffnen Sie eine Karl-Lagerfeld-Boutique in Österreich?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich mich nie um die Geschäfts-Seite kümmere. Ich bin ein freier Mensch. Ich bin in keiner meiner Firmen angestellt, nur außenseitiger Berater. Ich will keinerlei Verantwortung. Ich bin kindisch verantwortungslos.

Herrlich!
Ja, das ist die richtige Freiheit. Ich habe tolle Mitarbeiter, Gott sei Dank. Ich kann ja nix außer Zeichnen und ein paar gute Ideen haben. Allerdings: Es gibt viele Leute, die haben nie mit jemandem anderen gearbeitet als mit mir. So grauenhaft kann es also nicht sein.

Caroline Lebar macht seit 30 Jahren Öffentlichkeitsarbeit für Sie und ist jung geblieben. Es macht also nicht alt und müde, für Sie zu arbeiten.
Nein, nein , nein, niemand arbeitet für mich. Die Leute arbeiten mit mir, das ist ein Unterschied. Keiner von den Leuten, die mit mir arbeiten – außer dem Hauspersonal – hängt von mir persönlich ab, sondern von den Firmen. Es kann aber keiner rausgeschmissen werden, so lange ich nicht okay gesagt habe. Und ich beschütze sie sehr. Nur wenn jemand etwas macht, was nicht reinpasst, werde ich leicht zur Kriemhilde. Das kommt ganz selten vor. Komischerweise mit männlichen Assistenten eher, die werden leicht größenwahnsinnig und bilden sich dann ein, sie werden besser als ich. Mit Frauen hatte ich da nie Probleme. Ich will nur noch Frauen um mich haben.

Frauen auf flachen Schuhen? Sie haben sowohl bei Ihrer Chanel-Couture-Show, als auch bei Ihren anderen Kollektionen flache Schuhe gezeigt und haben sie im Angebot.
Man spricht immer von Parität zwischen Mann und Frau, aber wenn sie da wie gehbehindert auf dicken Sohlen und hohen Absätzen schwanken wie ein Schiff bei Sturm, können sie nicht ernst genommen werden. Da übernehmen die Frauen automatisch die Geisha-Rolle, was die Parität irgendwie kompromittiert. Mit meinen Schuhen ist jeder auf der gleichen Ebene – ein politisches Statement (lacht).

Sie wollten ein Statement setzen?
Ich habe das nicht als Statement machen wollen, sondern als Look. Nur – aus dem Look ist ein Statement geworden.

Sie entwerfen Mode und vieles andere. Sie geben Bücher heraus, fotografieren, eröffnen Boutiquen, werden jetzt ein Hotel in Macau gestalten. Was machen Sie mit dem vielen Geld?
Ich zahle sehr viel Steuern (lacht). Wo fängt viel Geld an? Eine Standpunktfrage. Ich kümmere mich auch nicht drum. Ich krieg ’ Taschengeld. Habe gar keine Zeit, Geld auszugeben, weil ich so gut wie nie ausgehe. Ich bin begeisterter Heimarbeiter. Solange ich Bücher kaufen kann, alles ansehen, alles lesen und in Ruhe zeichnen kann – das ist mein Leben. Ich bin kein Geldmensch. – Es muss nur da sein.

Sind Sie geizig?
Nein. Ich gebe viel Geld weg. Aber nur anonym. Wenn ich Leuten helfe, muss das anonym sein. Ich hasse die Herablassung der Wohltätigkeit. Als Kinder mussten wir das Geld aus der Sparbüchse jemandem geben, damit er es einem Bettler gab. Meine Mutter fand das Gefühl der Genugtuung eines wohlhabenden Kindes, einem armen Bettler etwas zu geben, ungesund. Die Idee ist bei mir geblieben.

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