Leben/Mode & Beauty

Designer entdecken Muslime als neue Zielgruppe

Züchtig verhüllte Models sucht man auf dem Instagram-Account von Stefano Gabbana normalerweise vergeblich. Umso überraschender waren die Fotos, die der Designer vergangene Woche veröffentlichte: Frauen mit schwarzen Kopftüchern und langen Kleidern, kombiniert mit modischen Taschen und Sonnenbrillen. Die Bilder zeigen die aktuelle "Abaya-Kollektion" von Dolce & Gabbana – eine ausschließlich online erhältliche Luxus-Linie für religiöse muslimische Frauen. Statt tief dekolletierter Shirts und Röhrenjeans besteht die Kollektion aus den traditionellen Kleidungsstücken der Muslimas: der Kopf- und Halsbedeckung Hijab und dem bodenlangen Mantelkleid Abaya.

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Die Italiener sind nicht die ersten Luxus-Designer, die sich auf kaufkräftige Kundinnen aus dem arabischen Raum spezialisiert haben. Im Juli 2014 überraschte DKNY mit einer orientalisch inspirierten "Ramadan-Kollektion". Karl Lagerfeld integrierte in seine Cruise-Kollektion 2015 Halbmonde und Haremshosen – nackte Schultern oder Beine waren bei der opulenten Präsentation in Dubai nicht zu sehen.

Kritik an der Branche

Kein Wunder, dass sich die Modehäuser auf züchtige Mode besinnen: Laut eines Berichts von Thomson Reuters gaben Muslime im Jahr 2013 266 Milliarden Dollar für Mode und Schuhe aus – mehr als Japaner und Italiener zusammen. Bis 2019 sollen es 484 Milliarden sein.

Nicht nur die Nobel-Designer zeigen plötzlich verhüllte Models – auch H&M setzte mit seiner neuen Kampagne ein Statement. Für seinen Werbespot engagierte der schwedische Textilriese die 23-jährige Kopftuch-tragende Muslimin Mariah Idrissi. Das Model wundert sich über die Modebranche: "Die westliche Industrie ignoriert uns muslimische Frauen vollkommen", sagte sie in einem Interview mit Spiegel Online.

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Der Trend zum Kopftuch in der Mode sorgte nicht überall für Begeisterung. Der Konsumforscher Kai-Uwe Hellmann ortet einen künstlichen Hype: Anders als die sozialkritischen Benetton-Kampagnen "ist der Clip kein Statement, sondern dient nur der Absatzsteigerung". Eine Userin brachte das Dilemma auf den Punkt: In der Werbung seien modische Musliminnen erwünscht, am Arbeitsplatz aber nicht. Andere kommentierten, dass religiöse Symbole wie das Kopftuch in der Mode nichts verloren hätten.

Ob Marketing-Gag oder nicht – beim Islamic Fashion & Design Council in Mailand begrüßt man die Idee von Dolce & Gabbana: "Sie haben die richtige Wahl getroffen. Hochwertige verhüllende Kleidung ist ein neuer Markt, denn auch muslimische Frauen wollen nicht wie ihre eigenen Großmütter aussehen", so Pressesprecher Paolo Costanzo zum KURIER. Buchautorin Petra Stuiber ("Kopftuchfrauen") beobachtet, wie sich Frauen über ihre kreative Kopfbedeckung ausdrücken: "Welche Stoffe man verwendet, wie man bindet – und die Frage: Schminke oder nicht?"

Modebloggerinnen

Wie sich Mode und Tradition unter einen Hut – oder ein Kopftuch – bringen lassen, machen muslimische Bloggerinnen vor. Zu den bekanntesten zählen Amena und Mariam, die über Mode und Beauty schreiben. Amena (pearl-daisy.com) hat selbst eine Kopfbedeckung erfunden, den Hoojab, ein Mix aus Kopftuch und Kapuze. Journalistin Mariam (hidjabtrendz.com) zeigt Tutorials für kreative Kopfbedeckungen.

Für die Bloggerinnen und ihre Fans gibt es ein eigenes Modewort: "Hidjabista" – Fashionistas mit Hidjab.

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