Leben/Mode & Beauty

Die Quadratur der Eleganz

In den Stallungen der Spanischen Hofreitschule stehen ausnahmsweise nicht die Lipizzaner im Mittelpunkt. Seit Dienstag findet hier das Festival des Métiers statt: Kunsthandwerker der Firma Hermès zeigen ihr Können – eine Sattlerin arbeitet an einem Ledersattel, eine Täschnerin näht eine der ikonischen Kelly Bags zusammen.

Die meisten Zuseher aber wollen zu Kamel. Der Franzose mit dem perfekt sitzenden Anzug ist Chef des Seidendruckateliers von Hermès. Seine Aufgabe ist es, in verschiedene Länder zu reisen und Geschichten von den berühmtesten Tüchern der Welt zu erzählen. Das tut er auch in der Hofreitschule: Etwa 50 Personen hören gespannt zu, wie Kamel von seinem Handwerk berichtet, während sein Kollege den Seidendruck vorführt.

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Leidenschaft

Viele der Frauen im Publikum tragen selbst ein Carré, wie die Tücher im Original heißen. "Ich bin stolz, wenn ich all diese Damen mit ihren Tüchern sehe", sagt Kamel. Der Mittfünfziger arbeitet seit 28 Jahren für das französische Traditionshaus – zuerst als Einkäufer, später als Seidendrucker. Die Leidenschaft für Druck, Farben und Seide hat er auch nach einem Vierteljahrhundert nicht verloren. "Leidenschaft ist das Wichtigste für einen Seidendrucker", sagt er. Sie wird spürbar, als er berührt von einer Besucherin erzählt, die einen 73 Jahre alten Hermès-Seidenschal trug. "Als ich ihr gesagt habe, wie alt er ist, hatte sie Tränen in den Augen."

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Wie kaum ein Mode- Accessoire stehen die bunten Tücher für klassische Eleganz. "Wir folgen keinen Trends. Unsere Designs sind zeitlos", sagt Kamel. Seit 1937 wurden mehr als 1500 Designs aus 75.000 Farbnuancen kreiert, alle 25 Sekunden wird irgendwo auf der Welt eines der Luxus-Tücher verkauft. Auch gekrönte Häupter und Stilikonen lieben die Carrés: Grace Kelly etwa verwendete ihres 1956 als Schlinge für ihren gebrochenen Arm.

Diskretion

Über die prominenten Kundinnen verliert Kamel kein Wort. "Unsere Kunden schätzen Diskretion. Sie kaufen die Produkte wegen ihrer Qualität, nicht wegen eines Logos", ist er überzeugt. Über die Qualität könnte er hingegen stundenlang reden: Die Seidenkokons stammen von einer Schmetterlingsfarm in Brasilien und werden nach strengen Kriterien aussortiert. In Lyon werden sie von Hermès-Mitarbeitern zu feinster Seide verwoben und bedruckt. "Wenn unser Rohmaterial nicht von bester Qualität ist, produzieren wir nicht", sagt Kamel bestimmt.

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Zwei Jahre dauert es, bis aus 300 Kokons ein bedrucktes Tuch wird. Das hat seinen Preis: Ein 90 x 90 Zentimeter großes Tuch kostet ca. 330 Euro. Kamel ahnt die nächste Frage: "Fragen Sie diese Frauen doch, ob sie es teuer finden", sagt er mit einem Blick auf sein gut betuchtes Publikum. "Sie werden lächeln und sagen, schauen Sie sich dieses Tuch an, das trug schon meine Mutter. Unsere Kunden verstehen Hermès. Und Hermès versteht seine Kunden."

Hermès

Das von Thierry Hermès 1937 gegründete Familienunternehmen mit Sitz in Paris hat seinen Ursprung in der Sattlerei. Erst später begann Hermès, auch die Reiter auszustatten. Zu den berühmtesten Produkten zählen die Birkin und die Kelly Bag sowie die handbedruckten Seidentücher. Jedes Jahr kommen 20 neue Motive auf den Markt, jedes Tuch erzählt eine eigene Geschichte.

Festival des Métiers

Bis morgen, Sonntag, zeigen Kunsthandwerker von Hermès in neun Disziplinen, was sie können. Stallburg der Span. Hofreitschule, 13 bis 20 Uhr, Eintritt frei.