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Werner Gruber über Weihnachtsdrogen

freizeit: Herr Gruber, es ist Weihnachten und sie wollten mit mir über Drogen plaudern. Ich nehme an, Sie haben sich etwas dabei gedacht.
WERNER GRUBER: Das Thema ist passender, als Sie vielleicht denken. Die Weihnachtszeit ist voll von Drogen.

freizeit: Alkohol fällt mir da ein.
GRUBER:
Richtig. Die Weihnachtszeit kann stressig sein. Kinder müssen versorgt werden, Eltern und Großeltern auch, Kekse soll man backen und noch vieles mehr. Gegen Stress ist Alkohol ein probates Mittel. Ich spreche da von einer Tasse Glühwein, alles andere ist kontraproduktiv. Wenn man sich daran hält, wirkt Alkohol entspannend, fördert den Schlaf und hilft gegen Rückenverspannungen. Das verschafft Erleichterung.

freizeit: Da könnte man allerdings auch Diana mit Menthol verwenden.
GRUBER:
Zur äußerlichen Anwendung bitte. Zum Trinken ist das nur was für Alkoholiker im Endstadium. Wer Alkohol oder Punsch trinkt, kann zusätzlich die positiven Eigenschaften von Zucker genießen. Davon wird uns angenehm warm.

freizeit: Welche Drogen sind in Weihnachtskeksen versteckt?
GRUBER:
Zimt zum Beispiel. Er hat den Vorteil, dass er den Blutzuckerwert senkt, was vor allem für Diabetiker von Vorteil ist. Menschen mit Bluthochdruck müssen allerdings aufpassen, weil Zimt den Wert hinauftreibt. Angenommen, man will seinen Mann um die Ecke bringen, dann füttert man ihn bis Weihnachten nur ordentlich mit Zimtsternen. Das muss einem die Polizei erst mal nachweisen, wenn er dann einen Herzinfarkt hat.

freizeit: Wir sollten hier niemanden auf dumme Gedanken bringen. Gibt es andere Drogen mit positiver Wirkung?
GRUBER:
Na ja, das Eugenol in der Gewürznelke ist schmerzlindernd. Darauf herumzukauen, hilft zum Beispiel bei Zahnschmerzen. Wenn ich kein Aspirin habe, nehme ich ein paar Gewürznelken, gebe einen Kaffeelöffel Öl dazu und zerstampfe alles im Mörser. Dann lasse ich es über Nacht ziehen und trage es auf oder trinke es. Das hilft. Aber auch hier macht die Dosis das Gift. Wer dauernd auf Nelken herumkaut, wird drogenabhängig.

freizeit: Und wenn ich gerne auf Keksen herumkaue, bin ich dann im weitesten Sinne auch drogenabhängig?
GRUBER:
Essen kann auch süchtig machen. Es ist aber eine substanzlose Droge, wie Spielen oder Kuscheln.

freizeit: Kuscheln als Droge? Gerade im Winter und zu Weihnachten soll man doch eng zusammenrücken.
GRUBER:
Das ist ja auch nichts Schlechtes. Wenn Sie 40-mal pro Minute gestreichelt werden, sich selbst 40-mal streicheln oder mit einem Kuscheltier herumschmusen, wird Oxytocin freigesetzt. Das ist das sogenannte Kuschelhormon. Eine Dame, die ein Interview von mir gelesen hat, hat mir von ihrem kranken Mann geschrieben. Er hatte Krampfzustände, aber als sie begonnen hat, ihn am Rücken und den Händen regelmäßig zu streicheln, haben die Krämpfe aufgehört. Das zeigt, dass Streicheln eine physiologisch gute Wirkung hat. Da passiert sehr viel im Körper.

freizeit: Ist es nicht furchtbar, wenn man alles so logisch erklären kann wie Sie? Da ist Kuscheln doch gar nicht mehr romantisch und Keksebacken auch nicht lustig, wenn man immer an die Wirkung der Ingredienzien denkt.
GRUBER:
Wer sagt denn, dass ich das tue? Wenn ich Kekse backe, denke ich nicht an die Wirkung von Vanille, sondern an meine Mutter, die seit einem Schulterbruch nicht mehr so viel backen kann. Und um die Rezepte meiner Großmütter zu bewahren, mache das eben bei einigen Keksen ich. Der Vorteil ist, dass ich dann selbst nicht so viele davon esse. Ich denke dabei also an ganz andere Dinge, so wie das jeder beim Autofahren macht. Sie schalten da auch automatisch und denken nicht darüber nach. Sollte Sie aber jemand danach fragen, können Sie jedem erklären, was Sie gemacht haben.

freizeit: Ich möchte noch einmal auf Essen als Droge zurückkommen, weil es in der Weihnachtszeit so eine große Rolle spielt. Viele stöhnen über die zugenommenen Kilos. Kann man sich vor der Lust am Essen schützen?
GRUBER:
Viele Menschen glauben ja, dass man sich zurückhalten kann, wenn man Herr über seinen Geist ist. Das funktioniert generell schwierig und bei Drogenabhängigen schon gar nicht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem Alltag. Unser Gehirn macht Vorhersagen, wie die nächsten Minuten unseres Lebens verlaufen werden. Wenn unser Gespräch gut läuft, sagt das Unterbewusstsein: „So habe ich es mir vorgestellt.“ Es kann aber auch schlecht laufen. Dann speichern Sie mich als unangenehmen Grantler ab. Es könnte aber etwas noch Spannenderes passieren. Wenn das Gespräch besser verläuft als erwartet, wird im Gehirn Dopamin gebildet und das Verhalten sollte noch einmal ausgelöst werden.

freizeit: Und das bedeutet dann, dass man abhängig ist.
GRUBER:
Ja, ein Verhalten, das zufälligerweise passiert und besser als erwartet ist, wird eingespeichert. Das Gemeine daran ist, dass es nicht die Drogen sind, auf die wir reagieren, sondern das Verhalten, mit dem wir sie verbinden. Als ich noch Raucher war, bin ich ins Kaffeehaus gegangen, habe das Zigarettenpackerl auf den Tisch gelegt, bestellt und mir eine angezündet. Nicht der Gusto auf die Zigarette war das Problem, sondern auf das ganze Verhalten rundherum. Keinem schmeckt der erste Zug, aber wenn beim Konsum von Nikotin Dopamin ausgeschüttet wird, lautet der Befehl: „Egal, was du schmeckst. Mach’s noch mal!“

freizeit: Und wie kommt man von Drogen aller Art wieder los?
GRUBER:
Eine gute Frage. Daran forschen Abertausende. Wir wissen nicht, was das Suchtgedächtnis löscht. Ein Musiker, der schwerer Alkoholiker war, hat mir erzählt, dass er eines Tages das Gefühl hatte, eine neue Türe öffnet sich. Entweder gehst du dann durch und hörst auf, oder eben nicht, hat er gesagt. Das ist kein besonders guter naturwissenschaftlicher Ansatz, aber es heißt auf gut Deutsch, dass man spürt, wenn der Moment zum Aufhören gekommen ist. Und dann tut man es oder nicht. Wenn man es durchzieht, ist es immer noch anstrengend genug. Als ehemaliger starker Raucher werde ich heute noch in der Nacht wach und denke mir: „Wenn ich jetzt Zigaretten und ein Feuer hätte, wäre das Packerl in 20 Minuten nur noch Asche.

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freizeit: Wechseln wir besser das Thema. Glauben Sie ans Christkind?
GRUBER:
Wissenschafter glauben nichts, abgesehen davon, dass ich für den Glauben ans Christkind wohl schon zu alt bin. Dass es eine Person Jesus von Nazareth gegeben hat, ist von Historikern ziemlich gesichert. Das war sicher eine beeindruckende Person, auch wenn ich mit dem Mystizismus rundherum nichts anfangen kann.

freizeit: Aber Weihnachten können Sie schon etwas abgewinnen?
GRUBER:
Ich finde Weihnachten super. Da gibt es Punsch, Kekse und die Gelegenheit, bei der Familie zu sein.

freizeit: Sind Sie dankbar, dass das Jahr so gut für Sie gelaufen ist?
GRUBER: Das kommt drauf an, wie man es sieht. Aus populärwissenschaftlicher Sicht, ist es bestimmt gut gelaufen. Aus wissenschaftlicher Sicht habe ich aber leider sehr wenig veröffentlicht, was nicht gut ist. Und es liegt nicht daran, dass ich keine Ideen hätte, es fehlt mir einfach die Zeit.

freizeit: Nachdem Sie den Baumgartner-Sprung mit 2, 8 Millionen Zusehern kommentiert und als Sciencebuster Erfolg haben, war das klar. Muss man nicht froh sein, wenn es läuft?
GRUBER:
Es läuft ja seit zehn Jahren.

freizeit: Viele andere Menschen wären froh darum. Sie sind eben ein echter Glückspilz.
GRUBER:
Glückspilz? Sie sind gut. Da steckt sehr viel Arbeit dahinter. Heuer war ich in der letzten August-Woche fünf Tage auf Urlaub in Venedig. Und wissen Sie, wann ich davor das letzte Mal weg war? 1996 in Las Vegas, abgesehen von drei Tagen in Podersdorf. Wir haben 33 verschiedene Abende in den letzten fünf Jahren entwickelt. Dafür müssen Sie erst einmal die Versuche auf die Beine stellen. Auch wenn es jetzt läuft, das hat Zeit gebraucht.

freizeit: Da kommen Ihnen die Weihnachtsfeiertage sicher gelegen. Wo werden Sie feiern und welche Drogen werden Sie konsumieren?
GRUBER:
Ich feiere bei meinen Eltern. Meine Drogen sind ein rosa Elefant zum Streicheln, weil meine Lebensgefährtin woanders feiert. Dann die Weihnachtsgans meiner Mutter, die zwar eine substanzunabhängige, aber eine Superdroge ist. Und für die Überdosis sorgen meine Weihnachtskekse.
 

Info: Das neue Buch von Werner Gruber, Martin Puntigam und Heinz Oberhummer „Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln: Was wir von Tieren über Physik lernen können“ ist im Hanser Verlag um € 19,90 erschienen.