Der Tiroler Opernregisseur René Zisterer über seine Leidenschaften und Träume.
Eine Woche ohne Kantner geht gar nicht“, sagt der designierte Oberspielleiter der Wiener Staatsoper. Der Kantner ist der Antiquar in der Windmühlgasse, bei dem René Zisterer so gerne Raritäten aufstöbert. „Naschmarktrunde“ nennt er den samstäglichen Spaziergang mit seiner Frau, Schauspielerin Sylvie Rohrer. Die gebürtige Schweizerin pendelt zur Zeit zwischen Berlin, wo sie in Handkes Stück „Die schönen Tage von Aranjuez“ spielt, und Wien, wo sie im Akademie- („Der Komet“) und im Burgtheater („Troja“) zu sehen ist.
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Zu Fuß schlendert das Künstlerpaar von seiner Wohnung im vierten Bezirk über die Kettenbrückengasse zum Naschmarkt. „Ein Blick auf die
Möbel im Bananas, rein zum Chocolatier Fruth, dann lassen wir uns im Käseland für unseren Wocheneinkauf inspirieren, holen uns beim
Piccini Wein, im Café Drechsler gibt’s ein Schnittlauchbrot, um dann gestärkt in den alten Büchern versinken zu können“, sagt der Regisseur.
Zisterer, einst Direktor des von ihm gegründeten „Augenspieltheaters“ in
Tirol, nimmt die Hand seiner Frau und schlendert zum Blumenstand. Entspannt ist er jetzt nach der Premiere der Kinderoper „
Pollicino“, seiner ersten Inszenierung an der
Wiener Staatsoper. Jugendliche aus der hauseigenen Opernschule singen gemeinsam mit dem Ensemble. „Die Kinder haben eine Frische, die ist hinreißend. Da kommt so viel Energie zurück“, so der 45-Jährige in bestem Hochdeutsch.
Sprachgefühl
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Kein Hauch von Tirolerisch ist zu hören. So wie bei
Rohrer weder das Schweizerdeutsche, noch der französische Akzent (ihre Muttersprache) durchkommen.
Zisterer: „Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich mich schon immer für Literatur interessierte. Ich fand es befremdlich, wenn man in der Oberstufe Weltliteratur mit dieser sprachlichen Einfärbung gelesen hat.“ Eigentlich spreche er nur mit dem Vater tirolerisch.
Ein Familienmensch ist der Hobby-Klavierspieler. Menschen, die lügen, erträgt er nicht. „Ich habe von meinen Eltern ein gutes Fundament mitbekommen, das mit Zufriedenheit zu tun hat.“ Die Erinnerungen an seine Urgroßmutter, die langen Spaziergänge im Wald mit seinem Großvater, „das sind meine emotionalen Basis-Stationen“. Ein Theaterabonnement der Familie legte den Grundstein für seine Liebe zum Theater. René war 12 bei seinem ersten Opernbesuch. „Das erste Mal da reinkommen, den Geruch wahr nehmen, der rote Samtvorhang, das unglaubliche Stück – Falstaff – da war es um mich geschehen.“
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Geschehen war es auch um ihn, als er das Haus am Ring entdeckte. „Ich war Dauergast auf dem Stehplatz in der
Wiener Staatsoper, wenn ich meine Tante in den Semesterferien besuchte. Fünf Stunden Parzifal, das hat mich einfach gepackt“, erinnert sich
Zisterer, der schon im Gymnasium wusste, dass er Musiktheaterregie studieren werde.
Gepackt hat es ihn aber vor allem, als er vor sieben Jahren Sylvie Rohrer das erste Mal sah – er hatte sie zu einem Gastspiel in sein Theater eingeladen. „Es war wirklich ein Blitzschlag. Liebe auf den ersten Blick“, sagt er, während sie ihm lächelnd und nickend zustimmt. Vor fünf Jahren wurde in der Schweiz geheiratet. Verliebt sind sie wie am ersten Tag. Der Grund: Die gleichen Interessen und Leidenschaften.
Kunstsinn
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Sie lieben die Berge und die Wanderungen im Sommer in
Graubünden. „Und wir beide haben eine enorme Sehnsucht nach Kultur im breitesten Sinn“, sagt der Kunstsammler (von
Franz West über
Max Weiler bis
Francis Bacon). Deshalb können sie sich auch nicht mehr vorstellen, woanders als in
Wien zu leben. „Der Reichtum und die Fülle an Angeboten, die Kaffeehäuser und die gesellschaftliche Kultur, die Lebensart sind enorm“, so der Regisseur. „Und Künstler werden hier geschätzt, das ist ein großer Unterschied zu den Schweizern“, sagt die 45-jährige Ehefrau.
Ihren Mann beschreibt sie als klug, humorvoll, verständnisvoll, aber auch als sehr ungeduldig. „Und er ist der beste Vorleser der Welt.“ Sie dagegen ist die bessere Spielerin. Denn gespielt wird bei den Zisterer-Rohrers gerne. Von Rummy bis Scrabble. „Wenn wir reisen, haben wir immer Spiele dabei.“
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Bleibt bei so viel Glück noch ein Wunsch offen? „Ich würde sehr gerne Leoš Janáčeks Jenufa und meinen ersten Wagner inszenieren“, sagt
Zisterer während er ein Stück Käse am Naschmarkt probiert. Genussvoll schließt er die Augen. Wegen des Trüffelgeschmacks oder der Vision seiner Wagner-Regie? Das bleibt sein Geheimnis.
INFO:„Pollicino“ von Hans Werner Henze an der Wiener Staatsoper
www.wiener-staatsoper.at