"Wir Esterházys sind keine Schnorrer"
Von Ida Metzger
KURIER: Herr Esterházy, seit Jahren tobt nun ein Erbschaftsstreit um das Esterházy-Vermögen. Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrer verstorbenen Tante?
Paul-Anton Esterházy: Ich hatte immer ein sehr inniges Verhältnis. In den Jahren, wo es noch die gute Beziehung gab, waren wir oft zu Besuch und hatten ein sehr familiäres Verhältnis. Das letzte Mal habe ich meine Tante im Jahr 2004 gesehen. Aber das war auch schon nicht mehr in den familiären Situationen, wie ich es bis dahin kannte.
Sondern da war schon Stefan Ottrubay anwesend...?
Ja. Man muss in dieser Causa wirklich zwischen zwei Zeiten differenzieren. Da gibt es einmal die Situation, die wir jetzt haben. Das begann 2001 mit dem Auftreten von Herrn Ottrubay. Und dann gibt es die Zeit davor. Diese Jahre davor waren von großer Wertschätzung gegenüber der Familie im historischen Kontext geprägt. Es wurden die Stiftungen 1996 für die Familie errichtet. In der Präambel wurde ganz klar auf das Fideikommiss verwiesen. Das war nichts anderes als ein Familiengesetz, das über 13 Generationen geregelt hat, wie das Vermögen für die ganze Familie Esterházy zusammengehalten wird.
Wie hat sich die Entfremdung beim zwischenmenschlichen Kontakt abgespielt?
Ab 2001 war die direkte Kommunikation sehr, sehr schwierig. Es waren auch keine Treffen mehr möglich, die Briefe wurden nicht mehr beantwortet. Wir hatten das Gefühl, dass meine Tante systematisch von uns abgeschottet wurde.
Stefan Ottrubay rechnet in Interviews nicht gerade zimperlich mit der Familie Esterházy ab. Er spricht davon, dass laufend Esterházys zu ihm kommen und Apanagezahlungen wollen. Geht es Ihnen ums Geld?
In erster Linie geht es um Begünstigtenrechte, wie zum Beispiel Kontrollrechte und die Einsicht in die Stiftung. Dass damit auch Begünstigen-Ausschüttungen verbunden sind, ist etwas ganz Normales. Vergleichbar mit Kapitalerträgen. Herr Ottrubay versucht das auf die Schiene zu ziehen, dass wir "leistungslose Schnorrer" wären, und um davon abzulenken, dass es um verbriefte Rechte geht, die offenbar abgeschnitten werden sollen. Aber diese abwertenden Behauptungen über die Familie Esterházy sind frei erfundenen. Besonders besteht die junge Esterházy-Generation aus tüchtigen Menschen vom Filmproduzenten bis zum Unternehmer. Ich arbeite zum Beispiel bei einer Beteiligungsgesellschaft, die in mittelständische Unternehmen investiert.
Wer bekommt die Ausschüttungen jetzt? Stefan Ottrubay?
Das ist von außen jetzt schwer nachzuverfolgen. Aus der Familie Esterházy gibt es niemanden, dem die Begünstigtenrechte nicht von Ottrubay bestritten werden. Das ist genau der Punkt, gegen den wir ankämpfen. Wir wollen unsere Begünstigtenrechte auch ausüben dürfen. Ich könnte im Moment vielleicht aber gar keine Ausschüttung bekommen, weil aus den öffentlich einsehbaren Jahresabschlüssen der über 40 operativen Gesellschaften schlichtweg nicht hervorgeht, dass kumulativ Gewinne erwirtschaftet werden. Allem Anschein nach ist die finanzielle Lage nicht so rosig, wie immer kommuniziert wird. Denn bei den Gewinnen handelt es sich nach unseren Erkenntnissen um bilanzielle Aufwertungen von bestehendem Vermögen. Aber das sind keine erwirtschafteten Gewinne. Deshalb machen wir uns Sorgen um die Stiftungen und vermuten auch, dass uns aus diesem Grund keine Einsicht gewährt wird. Wäre alles so rosig, wäre es kein Problem, uns in die Bücher schauen zu lassen.
Wonach schaut das aus, was seit 2001 gemacht wird?
Es wird die Familie verleumdet, um sie zu diskreditieren, und gleichzeitig werden nicht nachvollziehbare Gewinne vermeldet. Man tut alles, um die "feindliche Übernahme" von 2001 zu legitimieren.
Würde Ihr Onkel wissen, dass die Familie abgeschnitten ist, würde er sich auf gut Österreichisch gesprochen "im Grab umdrehen"?
Das kann ich mir gut vorstellen.
Wie hat es denn Stefan Ottrubay geschafft, das Vertrauen Ihrer Tante Melinda zu gewinnen?
Sehen Sie noch die Möglichkeit einer friedlichen Lösung des Erbschaftsstreits?
Das Ganze ist an einem Punkt angekommen, wo nur noch die Gerichte entscheiden können. Wir haben über Jahre versucht, es auf friedlichem Weg zu lösen. Aber wir wurden von Anfang an nur feindlich behandelt, bis es schließlich mit einem recht denkwürdigen Vorfall im Frühjahr 2009 eskalierte: zum 20. Todestag meines Großonkels. Ich wollte natürlich an den Feierlichkeiten teilnehmen, erhielt aber von der Stiftung eine Mitteilung, dass ich unerwünscht bin. Trotzdem erschien ich und stand bei der Seelenmesse neben meinem Vater. Als Herr Ottrubay mich sah, drängte er mich grob aus der Bankreihe meines Vaters und meinte: "Das wird Konsequenzen haben!"
Was war die Konsequenz?
Warum hat denn Herr Ottrubay gerade Sie als seinen größten Gegenspieler auserkoren?
Ich bin fest davon überzeugt, dass es nie der Wille meiner Tante gewesen war, die Familie Esterházy vollkommen aus den Esterházy’schen Stiftungen auszuschließen. Sie hatte die Stiftungen für die Familie eingerichtet und nahm in der Präambel der ursprünglichen Stiftungsurkunde klaren Bezug auf das jahrhundertealte Familiengesetz. Auf dieses Gesetz berief sich traditionsgemäß auch mein Großonkel Fürst Paul V.
Es gibt einen Brief von Tante Melinda an meine Mutter, in dem sie mit der Hand schreibt, dass es eine Freude für sie ist zu sehen, wie ich mich entwickelt hätte, und sie hofft, dass ich eines Tages bei der Gestaltung der Stiftungen eine Rolle spiele. Dementsprechend fühle ich mich verantwortlich, gegen den totalen Ausschluss der Familie Esterházy vorzugehen. Vielleicht ist das der Grund.
Durften Sie zum Begräbnis Ihrer Tante kommen?
Es wurde mir verboten, dass ich in die Gruft meiner Familie zu meiner Tante gehe. Herr Ottrubay versucht gezielt, meine Existenz zu verschleiern. Es gab immer eine Tradition in der Familie und demgemäß habe ich die Anwartschaft auf das Familienoberhaupt. Dass die Familienlinie weitergeht, ist Herrn Ottrubay ein Dorn im Auge. Deswegen wird auf Anordnung von Herrn Ottrubay vonseiten der Stiftungen immer von der letzten Fürstin und dem letzten Fürsten gesprochen.
Wie hoch war denn Ihre Apanage? Es gibt das Gerücht von 8000 Euro pro Monat?
Es war weniger als die Hälfte – aber nicht netto, sondern brutto. Das Geld wurde für meine Ausbildung in St. Andrews und Oxford verwendet. Das war auch immer der Wunsch meiner Tante Melinda Esterházy.
Das heißt, Stefan Ottrubay hätte am liebsten, dass das Adelsgeschlecht mit dem Tod von Melinda Esterházy ausgestorben ist?
Ja, absolut. Aber ich bin noch recht lebendig und werde – auch vor Gericht – weiter kämpfen. Das mache ich aus Überzeugung.
Die kinderlose Witwe Melina des Fürsten starb Ende August 2014 im 95. Lebensjahr. Sie brachte das Erbe 1996 in vier Stiftungen ein. Aus den Stiftungserträgen sollten die Baudenkmäler wie das Schloss Esterházy, die Burg Forchtenstein sowie die Kunst- sammlungen erhalten werden. Neben den Kulturschätzen ist in den Stiftungen eines der größten Privatvermögen geparkt. Zuletzt taxiert auf 800 Millionen Euro.
Ursprünglich waren die Esterházys in der zentralen "Fürst Esterházy’sche Privatstiftung" als Begünstigte angeführt. Doch seit Auftreten von Stephan Ottrubay (61), dem bürgerlich Neffen der Fürstin, wurden die Stiftungsverträge sukzessive geändert. Paul-Anton Esterházy brachte im Herbst 2014 eine Anzeige bei Staatsanwaltschaft ein.