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Stefan Sagmeister: Das Glück ist kein Vogerl

Musik-Monument Lou Reed ( 2013) hat die Veröffentlichung seiner Alben oft kurzerhand verschoben, nur damit ihm Stefan Sagmeister (53) die Cover gestalten konnte. Von seinen Fans wird der weltweit gefragte Grafiker längst selbst wie ein Popstar gefeiert. Der gebürtige Vorarlberger lebt ohne Frau und Kinder in New York und beschäftigte sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema „Glück“.

Im Wiener MAK (ab 28. Oktober) zeigt der gänzlich allürenfreie Designer nun mit der Ausstellung „Happy Show“ seine witzigen & weisen Erkenntnisse.

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KURIER: Sie sagen selbst, dass Sie den Drang haben, als netter Typ gelten zu wollen und gehen dabei so weit, dass sie sogar Konflikte scheuen. Ist das vielleicht auch der Grund, warum Sie sich mit dem positivsten Thema überhaupt beschäftigen – dem Glück?

Stefan Sagmeister: Ja, das stimmt vielleicht. Ich steige lieber mit der Schönheit als mit der Hässlichkeit in das Thema Ästhetik ein. Mein Grundwesen ist sicherlich eher positiv angelegt. Ich mag eine gewisse Grundfreundlichkeit - von daher entspricht mir New York vermutlich mehr als Bregenz.

Viele assoziieren Glück mit einer eigenen Familie und einem Haus im Grünen. Brauchen Sie keinen Familienalltag, um glücklich zu sein?

Ich besuche meine Geschwister und ihre Kinder relativ oft in Österreich, zirka sechs Mal im Jahr. Aber es stimmt, ich hatte nie eine eigene Familie. In New York gilt der Single-Haushalt als häufigste Lebensform. Dort als 53-jähriger Mann alleine zu leben ist ganz normal, in Vorarlberg ist das eigenartig und vielleicht sogar peinlich.

Ich war vor einigen Jahren ganz nah dran, eine Familie zu gründen. Das Bestreben danach, gab es am stärksten in meiner Auszeit in Bali vor einigen Jahren - weil Kinder dort relativ frei sind und mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit in die Gesellschaft integriert werden. Wenn ich dann allerdings verzogene Bälger beim Sonntagsbrunch in New York sehe, bin ich eigentlich ganz froh. (lacht)

Sie sind mit Ihrem Single-Leben also zufrieden?

Ja, ich bin derzeit relativ glücklich mit meinem Leben, ich würde keine Annonce aufgeben. Auf einer Glücklichkeitsskala von 1 bis 10 würde ich mich als 6,7 einstufen. Das ist ein guter Wert für mich.

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In keinem Blockbuster darf eine leidenschaftliche Romanze fehlen, in gefühlt jedem zweiten Lied wird die Liebe als das größte Glück beschrieben. Ist eine Liebesbeziehung tatsächlich der Schlüssel zum Glück oder wird hier mit falschen Sehnsüchten gespielt?

Meine wenigen 10 auf der Glücks-Skala hatten tatsächlich mit Beziehungen und deren Anfänge zu tun. Aber diese leidenschaftliche Liebe hält eben nur etwa ein halbes Jahr lang an. Alles andere wäre auch ungesund für den Körper. Der Stoff, der während der Verliebtheit ausgeschüttet wird, ist exakt derselbe wie der von Kokain und Heroin. Bryan Ferry hat also wirklich recht, wenn er "Love is a Drug" singt.

Nach sechs Monaten wird die Dopamin-Ausschüttung im Körper weniger, und die freundschaftliche Liebe immer wichtiger. Wer also lange mit jemanden eine Beziehung eingehen will, sollte sich von der Vorstellung der leidenschafltichen Liebe verabschieden.

Meine längste Beziehung hat elf Jahre gedauert, es war schön und ich bin immer noch sehr eng mit meiner Ex-Freundin verbunden.

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Sie haben für ihr Projekt „Happy Film“ Drogen ausprobiert. In Österreich gilt der Alkohol als Volksdroge Nummer eins. Kann ein Rausch glücklich machen?

Ich bin eine relativ abhängige Natur und habe es früher wirklich sehr genossen, mich zu betrinken. Aber es ist zu viel geworden. Seit Jahren trinke ich überhaupt nichts mehr. Für den neuen Film habe ich ein angstlösendes Pharmazeutikum probiert und mir nichts davon erwartet, weil ich nicht depressiv bin. Es hat bei mir dann aber doch einen Unterschied gemacht. Viel mehr will dazu nicht sagen. Diese Medikamente werden in den USA oft viel zu schnell verschrieben.

Drei Methoden habe ich im Film ausprobiert: Meditation, Psychotherapie und Drogen. Und alle haben eigentlich gut funktioniert. Ich kann mir vorstellen, in meinem weiteren Leben alle drei wieder zu verwenden.

Vor allem auch die kognitive Therapie. Die hat mir eindrücklich bewiesen, dass ich etwas ändern kann, wenn mir etwas an mir nicht gefällt. Man muss seine Eigenschaften nicht als gegeben hinnehmen, was ich bislang sehr wohl angenommen habe. Es ist einfach nur Training, genauso wie im Fitnessstudio. Das war eine angenehme Erfahrung.

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Was stört Sie an sich selbst?

Es stört mich, dass ich immer als "der Gute" dastehen will. Wenn es mir ab und zu egaler wäre, was Leute über mich denken, könnte mein Leben reizvoller sein. Harte Entscheidungen in der Arbeit fallen mir manchmal schwer.

Und ich bin nicht sehr dankbar. Ich arbeite daran, das zu ändern.

Wenn es Ihnen wichtig ist, was andere von Ihnen halten, fühlen Sie sich gekränkt, wenn einige kritische Kunststudenten vielleicht denken, dass Sie überschätzt werden und ihre Arbeit auf platte Feel-Good-Slogans reduzieren?

Wenn Sie mir das so sagen, stört es mich überhaupt nicht. Aber ich lese zum Beispiel im Netz nicht allzu viel über mich, weil ich mich mit bösartigen Kommentaren nicht beschäftigen will. Konstruktive Kritik finde ich okay, damit kann ich umgehen. Einer negativen Kritik über mein letztes Buch konnte ich zum Beispiel sogar durchaus etwas abgewinnen. Es wurde anschaulich beschrieben, wieso es als nicht gut empfunden wird. Das finde ich zwar nicht, aber ich konnte die andere Meinung nachvollziehen.

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Tipps, wie man glücklicher wird?

Vor dem Einschlafen überlegen, welche drei Dinge heute gelungen sind. Das funktioniert bei mir sehr gut und mache ich täglich. Das dauert 30 Sekunden und es können wirklich winzige Dinge sein. Aber es balanciert den Fokus auf das Negative etwas aus, zu dem jeder neigt.

Und das Reisen kann einem sehr viel geben, aber an Orte, an denen man noch nicht oft war. Dann stellt sich kein Gewöhnungseffekt ein und Glücksmomente sind so leichter möglich. Glück empfindet man vor allem in besonderen Aktivitäten, die nicht wiederholbar sind.

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Sie machen alle sieben Jahre ein Jahr lang ein Sabbatical, vor einiger Zeit gab's auch eine Änderung auf drei Monate Auszeit pro Jahr. Was haben Sie für ihre nächste Auszeit geplant?

Das habe ich wieder umgeändert. Drei Monate waren zu 'urlaubshaft'. Ein Jahr Auszeit alle sieben Jahre hat sich bei mir bewährt. 2016 ist es wieder so weit - es geht es nach Mexiko City und Tokyo - die größten Städte der Welt - und dann reise in den Bregenzer Wald.

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Zur Person

1962 wird Stefan Sagmeister in Bregenz geboren. Später studiert er in Wien Grafik & Design.

1993 gründet er seine eigene Agentur in New York. Berühmt wird er durch Alben-Cover für die Rolling Stones, Aerosmith oder Lou Reed. Zwei Grammys sind das Resultat. Alle sieben Jahre gibt es ein Jahr Auszeit mit vielen Reisen.

Heute reicht der Kundenstock von Carlsberg bis Guggenheim Museum.