Peter Cornelius: Opa & John Lennon
Von Maria Gurmann
Den Opa hat er nicht gekannt. "Von ihm dürfte ich die Musikalität geerbt haben. Der war angeblich Zitervirtuose", sagt Peter Cornelius bei einem Spaziergang entlang der Westbahn in Purkersdorf. Ganz in der Nähe lebt der Sänger mit seiner Frau Ulrike in einem Jahrhundertwende-Haus. "Wir sagen, das ist unser Planet."
Gar nicht planetenhaft wuchs er bis zu seinem zehnten Lebensjahr bei seiner Oma auf. "Wir haben in Hetzendorf im 12. Bezirk in einem Haus mit vielen Parteien gewohnt. Hinter und vor dem Haus sind alle paar Minuten die Züge vorbeigefahren. Ich kannte die Welt nicht anders", erzählt der 61-jährige Musiker. "Es hat sich immer etwas Mächtiges vorbeigewälzt, irgendwohin, wo ich nicht sein konnte."
Warum er damals bei der Großmutter aufwuchs, erklärt er kurz und bündig: "Wir hatten verrückte Familienverhältnisse. Gott sei Dank hab’ ich die Oma gehabt, sonst wäre ich schön aufgeschmissen gewesen", meint das Einzelkind.
An den Geruch des Vanillekipferl-teigs erinnert er sich genauso gerne, wie an den Duft des Jasminstrauchs im Garten. Nie vergessen wird er auch "den intensiven Geruch der Bahngleise im Sommer – das in Öl getränkte heiße Eisen". Auf dem Schulweg kam er immer zu einem versperrten Bahnschranken. "Den haben wir aufgebogen und sind über die Gleise marschiert." Damals gab es noch die "schwarzen Dampflokomotiven, die seitlich die runden Blechohren hatten".
Klassik
Sechs Jahre alt war der Wiener, als er von seiner Oma ein Kinder-Cello bekam und im Konservatorium unterrichtet wurde. Noch heute liebt er seinen "nasalen, warmen Ton". "Meine Großmutter wollte, dass ich ein Instrument lerne. Damit war’s aber bald vorbei, nachdem ihr ein Arzt sagte, dass die Knochen in dem Alter noch zu weich sind und das Cellospielen eine dauerhafte Verformung der Gelenke zur Folge haben könnte."
Lange Zeit interessierte er sich nicht mehr für Musik. "Der amerikanische Rock ’n’ Roll der 50er-Jahre hat mich überhaupt nicht erreicht." Fußballspielen, Eishockey und Schnorcheln in der Lobau – das war seine Welt. Als er mit zehn Jahren zu seinen Eltern in den 14. Bezirk übersiedelte, kam das Skifahren auf der Hohe-Wand-Wiese dazu.
"Dann kam die Musik der 60er aus England – Rolling Stones, Beatles, Kinks. Die haben bei mir einen Schalter umgelegt." Eine Gitarre musste her. Die fand der Teenager auf dem Dachboden. Mittlerweile hat der Sammler 78 Stück. Jede wird gespielt. Bei seinen Solo-Konzerten kommt aber immer nur eine zum Einsatz. In New York, wo er mit Musikern von Depeche Mode seine neue CD (erscheint im Herbst) aufgenommen hat, kann er an dem Gitarrenladen in der 30. Straße nie vorbeigehen.
Beatles
John Lennon ist noch heute sein Idol. 2007 stand Cornelius erstmals vor dem Dakota-Building in New York , in dem Lennon wohnte. "In Dankbarkeit, in Bewunderung schaute ich hinauf und spürte, ich kann jetzt endlich diesen Song für ihn schreiben." Das Lied "72ste Straße" widmete er Lennon, "der die wichtigste und prägendste Person meines Künstlerlebens war".
Nach der Hauptschule machte er zwar eine Bankkaufmann-Lehre – "der Verwandtschaft zuliebe, weil die im Kassandrakostüm meinen Eltern erklärten, dass der Bua als Musiker keine 30, Alkoholiker und drogensüchtig wird". Aber in Wahrheit war die Musik sein Leben. Mit 16 spielte er in einer Band. Mit "Die Wolke" landete er 1973 seinen ersten großen Hit. Heute gilt er in Deutschland als der erfolgreichste österreichische Singer-Songwriter.
Peter Cornelius redet gerne. Über seinen 85-jährigen Vater. "Er hat mir, was die Musik betrifft, nie etwas in den Weg gelegt."
Über sein Sternzeichen: Wassermann, Aszendent Löwe. "Ich bin eine Häuptlingsnatur, ein Alphatier."
Über das Stück Kindheit, um das er "erbittert kämpfen muss". Vor dem Tod oder dem Altwerden habe er keine Angst. "Aber für mich ist der Verlust der kindlichen Naivität ein ganz wichtiges Thema. Wenn man gebildet ist, kann man nicht mehr so naiv sein."
Und über seine Getriebenheit, die ihn 1992 in ein Burn-out trieb. Damals war er "reif für die Insel" und zog sich jahrelang zurück. "Da war der permanente Druck, dass ich schreiben muss. Damit ist das Ausleben des Spieltriebes auf der Strecke geblieben, die Kreativität auch", sagt der Musiker bevor er in seinem Stammcafé in Purkersdorf einkehrt.
Sonntagsfragen
Als Kind war ich besonders glücklich,
wenn das Christkind da war. Es war ein Zustand wie nicht von dieser Welt, magisch.
Wenn ich wieder zehn Jahre alt wäre,
würde ich gerne Fußballer oder Skifahrer werden.
Die Schule war für mich
zum Teil o.k., zum Teil angstbesetzt, weil ich schlecht in Mathematik war.
Lieblingsmärchen
hatte ich keines. Ich bin kein Leser, ich bin zu ungeduldig.
Über die Kinder von heute denke ich:
Schade, dass sie das fernsehlose Zeitalter nicht mehr erleben. Bei mir hat sich alles in der Fantasie abgespielt. Die Kinder von heute werden der Fantasie beraubt mit Fernsehen, Internet und Handy.