Michael Maertens: Der schüchterne Schauspieler
Von Maria Gurmann
Zu Hause hängt ein Terminplan mit allen Vorstellungen, in denen Mavie Hörbiger oder er auf der Bühne stehen. „Ich kriege die Kreuze, meine Frau die Kreise“, erklärt Michael Maertens. Am Wiener Burgtheater spielt der gebürtige Hamburger zurzeit fünf Rollen, und die Proben für „König Lear“, mit Klaus Maria Brandauer als Lear, haben auch begonnen. Zwischendurch pendelt er zum Berliner Ensemble und gibt in „Der Gott des Gemetzels“ den Anwalt Alain.
Der Termin im Naturhistorischen Museum war im Kalender der Schauspieler-Familie nicht eingetragen – den hat der 49-Jährige verschwitzt. Deshalb kommt er abgehetzt, in Jeans und Pullover, mit dem Motorroller. „Sonst gehe ich fast alles zu Fuß“. Das Burgtheater ist nur einen Katzensprung von seiner Wohnung entfernt. Wenn er seine Kinder, Wilma (4) und Peter (14 Monate) in den Kindergarten gebracht hat, „sieht man morgens um neun einen gequälten, rotköpfigen, wahnsinnig schlecht gelaunten Mann, der seine Runden dreht“, sagt Maertens. Joggen sei nicht sein Hobby, sondern eine Qual. „Ich mache es, weil es gesund sein soll, und ich am Leben hänge.“
Gut gelaunt und oft sieht man ihn dagegen im Naturhistorischen Museum. „Wilma fragt schon, wann sie wieder herkommen kann. Die ausgestopften Tiere, wie der Hund von Kaiserin Maria Theresia, gefallen ihr besonders. Und Peter wird einfach mitgeschleppt“, sagt Maertens während er im Museums-Kaffeehaus einen großen Braunen trinkt. „Ich unternehme mit den Kindern das, was alle Väter machen. Wir streunen durch die Stadt und spielen viel. Wien ist eine kinderfreundliche Stadt.“
Wenn es um Hilfe für Kinder geht, nimmt sich der Vielbeschäftigte gerne Zeit. „Ich finde es toll, dass McDonald’s in der Nähe von Kinderspitälern Häuser baut, in denen die Eltern der kleinen Kranken wohnen können. Das fördert den Heilungsprozess.“ Deshalb wird er am 24. Oktober gemeinsam mit vielen prominenten Künstlern das Programm der Ronald McDonald-Gala gestalten.
Schauspielerdynastie
Auf dem Society-Parkett sieht man Mavie und Michael, eines der wunderbarsten Schauspielerpaare der deutschsprachigen Theaterwelt, nur selten. Beide stammen aus zwei großen geschichtsträchtigen Schauspielerfamilien. Bereits die Großväter Paul Hörbiger und Willy Maertens waren Koryphäen. Auch Maertens Vater, Bruder und Schwester sind Schauspieler. Nur seine Mutter steht nicht auf der Bühne. „Aber sie ist mit Abstand die theatralischste Person der Familie, wahrscheinlich auch die begabteste von uns.“
Der ganze Clan wird auch am 30. Oktober im Hamburger Thalia Theater versammelt sein, dem 50. Geburtstag von Michael Maertens. Der Grund der Feier ist allerdings ein anderer. Sein Großvater Willy, der das Thalia 25 Jahre lang leitete, wäre genau am gleichen Tag 120 Jahr alt. Ihm zu Ehren wird eine Büste enthüllt. „So bin ich geschickt privaten Feierlichkeiten aus dem Weg gegangen.“
Hat der Fan von Buster Keaton und Louis de Funes ein Problem mit dem Älterwerden? „Ich war mir schon als Zehnjähriger der Vergänglichkeit bewusst, hab gerechnet und gehadert mit der verlorenen Zeit“, sagt Maertens, der mit 14 seinen Berufswunsch klar vor Augen hatte. „Ich wollte nicht Schauspieler werden, um der Welt Büchner und Kleist nahe zu bringen, sondern um im Rampenlicht zu stehen und geliebt zu werden“, sagt der stolze Träger des Gertrud-Eysoldt-Rings.
Auf der Bühne ist das von Kritikern gepriesene „große Talent“ extrovertiert. Im Privatleben sei er schüchtern, introvertiert. „Wenn zehn Leute am Tisch sitzen, schwinge ich nicht so die Reden.“ Während er Konflikten lieber ausweicht, gehe Mavie Hörbiger den geraden Weg. „Sie sagt klarer, was sie denkt oder wenn sie was nicht will.“
Rollenspiel
In seine Frau verliebte er sich, lange bevor er sie persönlich kannte. „Ich war alleine im Kino und habe mir ,Liebesluder‘ von Detlev Buck angeschaut. Ich sah Mavie und dachte, mein Gott, ist die süß.“ Erst Jahre später traf er sie in Bochum, als sie „Lulu“ spielte. „Da habe ich meine Chance ergriffen und bin bei den Proben herumgeschlichen. Wie ich ihr Herz erobert habe? Das weiß ich gar nicht mehr. Nur, dass es sehr lange dauerte“, erzählt Michael Maertens während er eine rosa Blümchen-Haarspange seiner Tochter zwischen den Fingern dreht. Um ein guter Schauspieler zu sein, müsse man nicht intelligent sein. „Ich meine damit nicht dumm. Man muss zu diesem Beruf nicht gebildet sein, ich schwöre es.“ Brandauer sei dagegen intelligent, gebildet und ein toller Schauspieler. Ihn bewundert er, auch wenn der von Brandauer inszenierte „Hamlet“, den Maertens vor ein paar Jahren spielte, „in die Hosen gegangen ist“.
Klar könne der Deutsche, der seinem Freund und Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann nach Wien folgte, auf Kollegen eifersüchtig sein. Allerdings nicht auf Mavies Cousin Cornelius Obonya. „Ich bin immer wieder geradezu erschüttert, wie gut der ist – körperlich, sprachlich, ein Tier“, streut ihm sein Fast-Verwandter Rosen.
Rollen-Wünsche hat Michael Maertens keine mehr. „Ich hatte so viel Glück, das Schicksal war so auf meiner Seite, die Rollen sind auf mich zugeflogen“, sagt der wandlungsfähige Schauspieler, bevor er im Nieselregen auf seinen Roller steigt und den spielfreien Tag mit den Kindern spielend genießt.
Kinder sind meine Lehrmeister.
Laut werde ich, wenn ich auf der Bühne stehe und laut sein muss. Sonst nicht.
Mein Vater sagte immer: „Vergiss nie, dass ich der Sohn eines Löwen bin.“ Was immer das bedeutete, es hat mich fasziniert.
Wenn ich könnte, wie ich wollte, könnte ich mehr.
Mein Lieblingsplatz im Naturhistorischen Museum ist die Vogelabteilung, weil ich eine Vogelphobie habe. Da macht sich eine Mischung aus Faszination, Gänsehaut und Angst breit.
Text lernen ist nur mühsam. Wenn er auf der Festplatte im Kopf gespeichert ist, sind selbst 12 Rollen abrufbar.
Termin Am 24. 10. 2013 findet die Ronald-McDonald-Kinderhilfe-Gala in den ART for ART Malersälen statt. Michael Maertens wird neben Roger Cicero und Sandra Pires durch den Märchenabend „Cinderella“ führen.
Kinderhilfe Mit dem Reinerlös der Gala unterstützt Ronald-McDonald- Familien mit akut oder chronisch schwer kranken Kindern
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