Als Otto Schenk rot wurde
Von Dieter Chmelar
Ja, es gibt Theaterabende, die man nie vergisst. Und dann gibt es solche, die in der „Früh“ stattfinden, damit man sie wirklich nie vergisst.
Was für eine Matinee im Wiener Volkstheater an diesem Sonntag um 11 Uhr! Innerhalb von sechs Stunden ausverkauft. Wer keine Karte erwischte, der hatte mehr als nur Pech. Der hatte Unglück. Das kommt nämlich nie wieder. Denn: Die Geburtstags-Gala fürHilde Sochor(seit vier Tagen 90), die ihr SohnPaulus Manker(56) mit der Genialität der Liebe und aller Liebe zu ihrer Genialität aus dem historischen Bühnenboden des (einstmals) tapfersten Theaters der Stadt stampfte, versprühte Hirn, Humor und Herzblut in Überdosen.
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Die große Menschendarstellerin, die Direktor Schottenberg rühmte, hat hier 60 Jahre, sechs Prinzipale, 120 Rollen und sagenhafte 173 Premieren erlitten, erstritten und zelebriert. Eine „Mutter Courage“ ohne Blatt vor dem Mund. Ihr Credo: „Ich will spüren, was das Leben dem Menschen antut – und wie er sich dagegen wehrt.“
1948 entdeckt von ihrem späteren Mann, Gustav Manker ( 1988), prägte Sochor (tschechisch für „Vögelchen, Rammbock oder Denkmal“) das Haus wie keine Zweite. Die promovierte Germanistin begeisterte Gratulanten vonRoland Neuwirth&Karl Ferdinand KratzlüberAndreas Vitasek&Andrea EckartbisKarl MerkatzoderStermann&Grissemann. Höhepunkt:Otto Schenkals „hohes Alter“ mit dem Coming-out, Sochor erst jüngst, „also 1946“, kennengelernt zu haben – und schon damals, beim ersten Anblick, „rot geworden“ zu sein.