Friedrich Hacker: Vater des "Freud-Museums"
Von Georg Markus
Einer der außergewöhnlichsten und liebenswertesten Menschen, denen ich begegnete, war der Psychiater Friedrich Hacker. Der weltweit als Terror- und Aggressionsforscher anerkannte Arzt verstand es einerseits einem breiten Publikum die kompliziertesten Zusammenhänge des menschlichen Seelenlebens zu erklären, andererseits war er aber auch – und das passt so gar nicht in das Bild, das wir von den „Göttern in Weiß“ haben – ein humorvoller, lebenslustiger Mann, einer, dem der Schalk im Nacken saß. Und er war ein Wiener, wie er im Buche steht.
In Wien zur Welt gekommen, hatte er hier Medizin studiert und noch ein paar Vorlesungen Sigmund Freuds besucht, ehe er nach Amerika emigrierte, wo seine Karriere als Assistent des legendären Dr. Karl Menninger begann. Später gründete und leitete er eine Psychiatrische Klinik in Los Angeles.
Hilfe bei Kriminalfällen
Berühmt wurde Hacker in den sechziger Jahren, als sich mit Aufkommen des internationalen Terrors immer mehr Staaten und Einzelpersonen in ihrer Sicherheit bedroht fühlten. Von den Behörden in spektakulären Kriminalfällen beigezogen, half Hacker den Mord an der Schauspielerin Sharon Tate, den Überfall auf die israelische Olympiamannschaft in München und die Entführung der amerikanischen Verlegerstochter Patricia Hearst aufzuklären. Im Auftrag der österreichischen Regierung verhandelte er mit jenen Terroristen, die 1973 in Marchegg die Passagiere eines Eisenbahnzugs als Geiseln genommen hatten.
Durch Fernsehauftritte im Zusammenhang mit diesen und anderen Kriminalfällen bekannt geworden, sprayten unbekannte Täter einmal die Worte „Kein Massaker ohne Hacker“ an die Mauer einer Wiener Stadtbahnstation. Das gefiel ihm durchaus, denn Hacker hatte ganz und gar nichts dagegen, populär zu sein.
Vater des "Freud-Museums"
Trotz des weltweiten Ruhms, seiner psychiatrischen Klinik in Los Angeles und der unauslöschlichen Erinnerung, wie die Nazis ihn aus seiner Heimat vertrieben hatten, liebte er keine andere Stadt auch nur annähernd wie Wien. Immer wieder kam er, um Freunde zu treffen, zum Heurigen und auf den Fußballplatz zu gehen. Ende der sechziger Jahre ergriff er schließlich die Initiative, in den ehemaligen Wohn- und Ordinationsräumen des „Vaters der Psychoanalyse“ ein Sigmund-Freud-Museum zu errichten. Und mit dieser Großtat ist eine der schönsten Hacker-Geschichten verbunden.
Nachdem es ihm gelungen war, die österreichische Regierung für das Projekt zu gewinnen, schlug Hacker dem damaligen Bundeskanzler Josef Klaus vor, Freuds in London lebende Tochter Anna zur bevorstehenden Eröffnung des Museums in der Wiener Berggasse Nr. 19 einzuladen. Der Regierungschef war sofort einverstanden, bat Hacker jedoch, für ihn den Text des Einladungsbriefes an Anna Freud aufzusetzen, da er selbst nicht recht wüsste, wie die berühmte Tochter eines noch berühmteren Vaters anzusprechen sei und mit welchen Worten eine solche Einladung zu erfolgen hätte.
Geheimer Brieffreund
Professor Hacker, der Anna Freud gut kannte, formulierte den Brief, der dann vom Kanzler unterzeichnet wurde. Eine Woche später läutete Hackers Telefon, am Apparat war Anna Freud. „Stellen Sie sich vor, Doktor Hacker“, sagte sie, „ich habe einen Brief vom österreichischen Bundeskanzler erhalten, in dem er mich zur Eröffnung eines Freud-Museums einlädt. Ich komme natürlich gerne, aber ich habe noch nie einem Bundeskanzler geschrieben, und da wäre meine Bitte an Sie: Könnten Sie so nett sein, für mich das Antwortschreiben aufzusetzen?“
Hacker kam auch dieser Bitte nach. Er antwortete seinem eigenen Brief und Anna Freud unterschrieb. Aus Einladung und Antwort entwickelte sich ein intensiver Schriftverkehr zwischen Josef Klaus und Anna Freud, der sich über mehrere Monate hinzog. Wobei jeder einzelne Brief vom unermüdlichen Friedrich Hacker stammte.
Tod im Fernsehstudio
Zu den Patienten der „Hacker Clinic“ in Los Angeles zählten mehrere Hollywoodstars, die sich vorwiegend mit Alkohol- und Drogenproblemen an den renommierten Psychiater gewandt hatten – unter ihnen Robert Mitchum und Judy Garland sowie Ray Charles.
Als der Wiener Psychiater Dr. Stephan Rudas seinem väterlichen Freund Hacker zum 75. Geburtstag ein Buch mit dem Titel „Die Midlife Crisis“ schenkte, grinste der Jubilar: „Allerweil, ich wär schon so weit.“
Er sollte die Midlife Crisis leider nicht erleben, denn der 75. war sein letzter Geburtstag. Viele seiner Freunde meinten, „Friedl“ Hacker sei so gestorben, wie er selbst es sich gewünscht hätte: in einem Fernsehstudio in Mainz, während einer Live-Diskussion (über den Rechtsaußenpolitiker Schönhuber).
Aus dem Buch: Georg Markus, „Die Enkel der Tante Jolesch“, Amalthea Verlag