Ernst Piëch spricht über den VW-Ausstieg seines Bruder
Wenn Ernst Piëch mit seinem „Prinz Heinrich“-Renn-Oldtimer aus dem Jahr 1910 durch Salzburg brettert, gibt es kaum jemanden am Straßenrand, der dem 86-Jährigen nicht freundlich zuwinkt.
Der jüngerer Bruder Ferdinand Piëch (78) sorgte jüngst mit seinem – verlorenen – Machtkampf gegen Volkswagen-Chef Martin Winterkorn für Schlagzeilen. Am 25. April legte er sein Amt als Vorsitzender des VW-Aufsichtsrates, sowie alle seine Aufsichtsratsmandate im Konzern zurück.
Herr Piëch, wir sitzen hier inmitten Ihrer Oldtimer-Sammlung. Was macht die Faszination alter Autos aus?
Ernst Piëch: In alten Autos hat man ein völlig anderes Fahrerlebnis. Heute sind die Autos doch nur noch Käfige, Luxusräume mit GPS, Stereoanlagen, Internet. Da muss man nicht viel können. In einem alten Wagen muss man die graue Masse da oben (tippt sich an die Stirn) betätigen, um einen Berg hinaufzukommen.
Was fahren Sie im Alltag?
Derzeit einen Audi A6 mit 8-Zylinder-Motor, was ich aber für einen Wahnsinn halte. Wir haben heute Autos mit 500 PS, dürfen aber nur 80 Stundenkilometer fahren. Das ist doch absurd!
Bekommen Sie viele Strafen wegen Schnellfahrens?
Es geht (lächelt). In letzter Zeit halte ich mich zurück, weil ich mit 86 Jahren den Führerschein nicht mehr zurückbekommen würde. Früher war ich immer zu schnell. Da bin ich Salzburg– Wien in zwei Stunden gefahren, wohlgemerkt, als es noch keine Autobahn gab!
Sie sind 1929 geboren. Betrachten Sie die technischen Fortschritte als Fluch oder Segen?
Wie man hier im „Fahr(t)raum“ sehen kann, wurde früher eifrigst in Richtung Wirtschaftlichkeit gearbeitet – diesen Weg haben wir leider verlassen. Heute zählt nur noch Komfort. Es kann doch nicht sein, dass man einen Schrotthaufen hat, wenn in der Elektrik etwas kaputt ist. Ich fahre Oldtimer, die hundert Jahre alt sind. Ich glaube nicht, dass die Autos, die wir heute bauen, im Jahr 2115 noch fahrtauglich sind.
„Fahr(t)raum“ ist eine Hommage an Ihren Großvater ...
Ja, ich wollte das aufzeichnen, was im Porsche-Museum in Stuttgart ein wenig vernachlässigt wurde. Nämlich, dass der Porsche ja einen Ursprung hat. Was mein Onkel Ferry später in seine Autos implementiert hat, hat sein Vater geschaffen. Außerdem: Hätte ich diese alten Autos nicht zusammengetragen, wäre unseren Kindern gar nichts mehr von unserer Geschichte geblieben.
Was hätte Ihr Großvater denn dazu gesagt, dass Sie Ihre Firmenanteile verkauft haben?
Das hätte ihm nicht gefallen. Das war mir damals auch bewusst, aber zu diesem Zeitpunkt war es wichtiger, mit unseren Kindern darüber zu sprechen, als in die Vergangenheit zu schauen.
Warum haben Sie verkauft?
Ich hatte zwölf Jahre voll Inbrunst für das Unternehmen gearbeitet – und dann wurde ich nicht einmal für einen Sitz im Aufsichtsrat in Erwägung gezogen. Da habe ich gesagt: „Dann braucht’s mich eh nicht!“ Außerdem waren die Spannungen in der Familie unerträglich.
Wie reagierten Ihre Kinder?
Meine Frau und ich hatten immer ein enges Verhältnis zu ihnen – alle drei sind, wie wir beide, nicht kritiklos. Sie hatten damals schon kein Interesse, im Familienunternehmen tätig zu sein. Mit dem Verkauf konnten wir ihnen alle Türen in andere Richtungen öffnen.
Von anderen Familienmitgliedern wurden Sie attackiert ...
Nicht nur attackiert, sondern auch blockiert, zum Teil mit absurden Aktionen. Wir lebten damals alle zusammen am Schüttgut – plötzlich kamen die Brot- und Milchlieferungen nicht mehr bei uns an. Meine Mutter hat alles eingestellt. Sie hat wegen meines Ausstiegs mit mir gebrochen.
War das nicht enorm hart für Sie?
Natürlich, aber meine Eltern waren nie richtige Familienmenschen, im Gegensatz zu meinem Großvater, zu dem ich ein engeres Verhältnis hatte als zu meiner Mutter.
Welches Verhältnis haben Sie heute zu Ihren Verwandten?
Das ist in Ordnung. Wir akzeptieren uns alle, haben Kontakt und Verständnis für den jeweils anderen.
Richtig heftig war es in der Generation vor uns, wobei die Differenzen meist geschäftlicher Natur waren: Stuttgart schwankte stets zwischen Bankrott und full speed. In Österreich hingegen hatte man eine stete Steigung in den Ergebnissen. Das führte oft zu heftigen Debatten.
Ihr Bruder Ferdinand hat nun nach einem medienwirksamen Machtkampf mit VW-Chef Martin Winterkorn sein Amt als Aufsichtsratschef niedergelegt.
Ja und ich habe völliges Verständnis für ihn. Sein Schritt war der Richtige – der Stil nicht. Man macht das anders. Aber der Ferry (Anm. Ferdinand) ist nie ein Diplomat gewesen – deswegen kann man ihm keine Vorwürfe machen. Es ist arg, dass man mit nur einem Satz die Aktien zu Fall bringen kann – es sollte also schon überlegt sein, was man sagt. Auf der anderen Seite hat er völlig recht: So nicht! Martin Winterkorn war ein ausgesprochen guter Befehlsempfänger. So lange er mit meinem Bruder zusammengearbeitet hat, war er spitze. Aber allein ... nein, das war’s.
Heute fährt die Formel 1 in Spielberg. Tut es Ihnen leid, dass Porsche nicht dabei ist?
Die Formel 1 ist völlig uninteressant geworden. Früher hat man die Erfahrungen daraus in die Pkw-Konstruktion eingebracht. Das geht ja heute gar nicht mehr. Nur wegen des Images mitzufahren, ist für uns unnötig. Mercedes braucht die Formel 1, weil die nicht das sportliche Image wie Porsche haben. Die müssen fahren – wir nicht.