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Emmy Schörg: Das zeitlose Stegreif-Original

Hoffentlich stolpert sie nicht!", ist der erste Gedanke, als Emmy Schörg die idyllische Pawlatschen in Wien Ottakring betritt. Die Stegreif-Legende trägt zehn Zentimeter hohe Keilabsätze – kein typisches Schuhwerk für eine Dame jenseits der 80. Schörgs genaues Alter ist und bleibt eines der bestgehüteten Geheimnisse der Wiener Schauspielszene. "Ich bin zeitlos!", flötet die kecke Wienerin mit ihrer mädchenhaften Stimme. Sie hat recht.

Reiz des Neuen

Seit mehr als 40 Jahren steht die 1,54-Meter-kleine Wasserstoff-Blondine auf der Tschauner Bühne. Auf eine Rolle lässt sie sich nicht festnageln. "Dem Alter angemessen dürfte ich ja immer nur die ‚verruckte Oide‘ spielen. Aber ich spiele alles!" Vor jedem Auftritt besprechen die Schauspieler grobe Abläufe des Stücks, auf der Bühne kommt es aber immer zu Überraschungen. "Die Kunst am Stegreif ist, keinen Leerlauf entstehen zu lassen. Mich reizt das Neue, immer wieder das Neue."

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Das war nicht immer so, erzählt Schörg im schattigen Garten des Freilufttheaters bei einem Spritzer. Als Jung-Schauspielerin sollte sie einst auf der Tschauner Bühne beim "Rumpelstilzchen" aushelfen – Stegreif, aber das wusste sie nicht. "Vor der Vorstellung sind alle mit Bleistift und Papier dagesessen. Um Himmels Willen, hab ich mir gedacht, was machen die da?" Der Abend sei wider Erwarten gut gelaufen, doch bleiben wollte Schörg "auf keinen Fall". Fünf Jahre später ließ sie sich doch erweichen – zur Freude der Fans. Die begegnen ihr auch außerhalb des Theaters immer wieder. "Kürzlich bin ich nach der Vorstellung mit der Straßenbahn heimgefahren. Auf einmal haben die Leute zu applaudieren begonnen."

Theater als Trost

In schwierigen Zeiten war die Bühne ihr Zufluchtsort. Mit nur 27 Jahren starb Schörgs einzige Tochter Sonja bei einem Autounfall. "Das war ein katastrophaler Lebenseinschnitt. Der einzige Trost in all diesen Jahren war immer nur das Theater. Wenn ich auf der Bühne stand, war ich ein anderer Mensch. Ich bin in meine Rolle geflohen." Wenig später starb auch der Ehemann, ebenfalls Schauspieler, mit dem sie 18 Jahre lang "sehr glücklich" verheiratet war.

Einsam ist die Tochter eines Chauffeurs und einer Postangestellten nicht, obwohl sie in ihrer Gemeindebauwohnung in Simmering alleine lebt. An den freien Tagen – 42-mal steht sie diesen Sommer auf der Bühne – spaziert sie am liebsten durch den Badener Kurpark. Bis vor drei Jahren besaß der quirlige Operetten-Fan außerdem einen kleinen Garten am Wilhelminenberg. Den hat Schörg aufgegeben – zu viel Arbeit, zu wenig Zeit. Apropos Garten: Einmal, erzählt sie, kam sie verschwitzt und mit Erde beschmiert direkt von der Gartenarbeit zur Tschauner Bühne. "Das ist sie? Jetzt bin ich aber enttäuscht ...", murmelte damals ein junger Mann beim Anblick der Schauspielerin.

Fit durch Verse

Über Anekdoten wie diese lacht Emmy Schörg herzlich und spitzt die knallrot geschminkten Lippen. Sie erzählt viel von früher, als sie heimlich Sprechunterricht nahm, weil sie eigentlich Schneiderin werden sollte. Als sie die Fürstin Kokozeff in "Der Graf von Luxemburg" spielte und ihr "der legendäre Heinz Conrads" in der Pause gratulierte. Als die Zeiten am Theater noch aufregend und die Künstler noch Idole waren.

Doch Schörg lebt nicht in der Vergangenheit. Um geistig fit zu bleiben, rezitiert sie alte Rollen. Spät abends, im Bett. "Ich schlafe nie vor halb zwei ein. Ich bin ein Nachtmensch." Das Geheimnis ihrer körperlichen Fitness ist simpel: "Jeden Morgen steh ich beim Fenster und wippe. Auf den Zehenspitzen, rauf und nieder, rauf und nieder. Das stärkt Rücken und Beine. Und ich fahre nie Lift."

Vielleicht liegt das Geheimnis aber auch in den 10-Zentimeter-Schuhen. Mit denen ist Stiegen steigen schließlich doppelt so effektiv.

Info: Die Tschauner Saison geht noch bis 31. 8. Das Stegreif-Ensemble spielt u. a. am 14. 7. und am 15. 7. Alle Termine: www.tschauner.at

Meine Mutter sagte immer: "Madl, reiß di zsaum! Es geht immer einmal hinauf und einmal hinunter."

Meine liebste Rolle ist die Mi aus "Land des Lächelns". Das war eigentlich der Höhepunkt meiner Karriere.

Ich träume von einer großen Spanien-Reise. Andalusien, Sevilla, Granada. Ich hatte ja nie Urlaub. Ich habe das ganze Jahr gespielt.

Tränen fließen, wenn meine Vergangenheit wieder aufs Tableau kommt.

Wien ist für mich die schönste Stadt der Welt.

Stolz bin ich auf meine Beine. Ich bin so a oide Kuh, aber jeder sagt mir, dass ich schöne Beine hab.