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Daniel Glattauer über Beziehungen

freizeit: Herr Glattauer, Sie beschäftigen sich in Ihren Büchern sehr viel mit Frau-Mann-Beziehungen. Warum muss die Liebe immer so kompliziert sein?
daniel glattauer:
Es ist immer kompliziert, wenn zwei Menschen zusammentreffen - und spannend. Bei Beziehungen besteht der große Anspruch, den ‚einen‘ Menschen zu finden, mit dem man sein Leben verbringt. Das kommt noch aus der Zeit unserer Großeltern und Eltern, wo es wirtschaftliche Gründe gab, zusammenzubleiben. Heute fällt das weg, der hohe Anspruch ist aber gleich geblieben.

freizeit: Sie glauben also nicht, dass es den richtigen Partner fürs Leben gibt?
glattauer:
Liebesbeziehungen sind ein tolles Thema. Auch die Literatur lebt davon. Es ist aber ein wahnsinnig schwieriges Unterfangen, den idealen Partner fürs Leben zu finden. Man neigt dazu, sich in Details zu verbeißen oder zu verzweifeln, wenn es nicht perfekt funktioniert. Gescheiter wäre es, zu sagen, dass kein Mensch tickt wie der andere. Spannungen und Probleme gehören einfach dazu. In einer Beziehung geht es darum, sie immer wieder zu bewältigen.

freizeit: Sie selbst sind verheiratet und haben seit 26 Jahren dieselbe Partnerin. Haben Sie einen Tipp, wie "es" funktionieren kann?
glattauer:
Es gibt leider keine allgemeingültige Anleitung, auch wenn stündlich ein neuer Ratgeber dazu erscheint. Jeder muss selbst seinen Weg finden. Für eine gute dauerhafte Zweierbeziehung fallen mir höchstens günstige Voraussetzungen ein. Eine stark verliebte erste Phase als Fundament, den anderen so sein lassen, wie er ohnehin bleiben wird und nie aufhören, miteinander zu reden. Es gibt aber unter meinen Freunden auch solche, die keinen fixen Partner haben und gerne Single sind. Jeder soll so leben, wie er will.

freizeit: Das erscheint mir ein sehr moderner, städtischer Ansatz zu sein.
glattauer:
Diese Erfahrungen habe ich bei meinen Lesereisen durch die Bundesländer auch gemacht. Mehrmals haben mir schon Frauen erzählt, dass sie sich von ihren Familien unter Druck gesetzt fühlen. Einerseits haben sie ihre Ansprüche, andererseits werden sie gedrängt, endlich den Partner fürs Leben heim zu bringen. Was die Familie sagt, hat Wirkung. Die Eltern meinen es zwar gut, aber diesen Druck zu verspüren, ist bitter.

freizeit: Ich frage Sie das alles als Beziehungsexperten, der ...
glattauer:
Ich kann das Wort Experte nicht mehr hören. Überall gibt es sie, die Experten: im Sport, in der Wirtschaft, auch bei Beziehungen. Ich habe gelernt, dass jeder nur Experte für das eigene Leben sein kann.

freizeit: Trotzdem haben Sie nach dem Erfolg Ihrer E-Mail-Romane "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen" eine Ausbildung zum psychosozialen Berater begonnen und werden sie bald beenden.
glattauer:
Die Ausbildung hat mich dem Expertentum aber nicht näher gebracht, nur dem Verständnis. Ich habe vielleicht eine Ahnung von Beziehungs­themen, weil ich mich schon als Journalist damit beschäftigt habe und aus meinen Erfahrungen schöpfen kann. Ich weiß aber auch, dass es unendlich viele Ansätze gibt, Menschen zu begreifen.

freizeit: Ist es für Sie als Prominenten überhaupt möglich, Menschen zu beraten? Ich stelle mir vor, dass viele Fans Ihre Hilfe in Anspruch nehmen könnten.
glattauer:
Als ich für die Ausbildung Beratungsstunden gemacht habe, wurde mir klar, dass das nicht geht. Entweder hatten die Menschen Angst, dass ich ihre Geschichten für einen Roman verwenden könnte oder sie wollten das sogar. Ich habe die Ausbildung nicht gemacht, um sie beruflich zu nutzen, sondern aus Interesse. Es gibt aber zum Beispiel die ehrenamtliche E-Mail-Beratung der Telefonseelsorge. Das wäre eine Möglichkeit, da könnte ich anonym bleiben und wäre in meinem Element.

freizeit: Wann war Ihnen klar, dass Sie sich gut in Menschen einfühlen können?
glattauer:
Ich hatte für Freunde und die Familie immer ein offenes Ohr, wenn es um Beziehungen ging. Viele haben mir gesagt, dass es ihnen geholfen hat. Auch wenn ich oft keine Ratschläge gegeben, sondern nur zugehört habe. Es hat viel mit Interesse zu tun. Man kann das überall trainieren, wo Menschen sind, wie in der U-Bahn. Schauen Sie Ihr Gegenüber an und versuchen Sie sich vorzustellen, was gerade in ihm vorgeht. Ich beobachte gerne Jugendliche, wenn sie eine SMS bekommen. Man kann an ihren Blicken und Gesten ablesen, was es für eine Nachricht war. Je intensiver Sie sich darauf einlassen, desto mehr werden Sie erkennen.

freizeit: Haben Sie während Ihrer Ausbildung wichtige Erkenntnisse gewonnen?
glattauer:
Sehr viele, zum Beispiel die Sichtweise des Konstruktivismus. Dabei geht es um die Überzeugung, dass sich jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit konstruiert. Wir glauben immer zu wissen, was der andere denkt, fühlt und was gut für ihn ist. Dabei wissen wir das höchstens von und für uns selbst. Im
Alltag fällt oft der Satz: „Geh, mach das doch so.“ In Wahrheit müsste man lernen, die Wirklichkeit des anderen zu verstehen. Das Beste ist, jemanden zu nehmen, wie er ist. Menschen können sich oft nicht ändern und werden gewisse Probleme immer haben.

freizeit: Ihre Bücher wurden in vierzig Sprachen übersetzt und Sie hatten weltweit Erfolg damit. Heißt das, dass Liebe überall gleich verstanden wird?
glattauer:
Man muss zwischen Liebesgefühl und Beziehung unterscheiden. Wenn man sich verliebt, ist das Gefühl vermutlich überall auf der Welt gleich. Dahingehend ist man unbestechlich. Was weltweit anders ist, sind die Lebensumstände. Denn die haben mit Tradition zu tun.

freizeit: In Ihrem jüngsten Roman „Ewig Dein“ ging es nicht um Liebe, sondern um Stalking. Hat es Sie gestört, dass die Anhängerschaft nicht so groß war, wie bei den E-Mail-Romanen?
glattauer:
Das war klar. Die Leute sehnen sich eben nach positiven Geschichten. Beim Heile-Welt-Szenario denken wohl viele: 'So ein Schmafu'. Doch wenn die Geschichte realistisch ist, mögen das die Leser. Man kann etwas Schönes aber nur glaubhaft vermitteln, wenn es einem selbst gut geht. Die E-Mail-Romane habe ich mit Vergnügen geschrieben und die romantischen Gefühle mit den Figuren miterlebt. So kann viel gelingen.

freizeit: War ihnen beim Schreiben der E-Mail-Romane bewusst, dass der Erfolg riesig wird? Sie haben sich unglaubliche 2,3 Millionen Mal verkauft.
glattauer:
Beim Durchlesen des Manuskripts hab’ ich mir noch gedacht, wer den Schmarrn lesen soll. Ich habe die Bücher als Ausgleich zu meinem Job als Journalist geschrieben. Es ist schon spannend, wenn ein Buch erscheint. Man hat Lesungen, ein Publikum, viele interessante Reaktionen. Es ist aber nicht so, dass ein Riesenerfolg glücklich macht. Erfolg verpufft sehr schnell, man gewöhnt sich daran. Aber wehe, er bleibt aus, dann will man ihn sofort wieder haben. Mich hat der zum Glück in einem entspannten Lebensalter erwischt. Zwanzig Jahre vorher wäre ich mir wahnsinnig gut vorgekommen.

freizeit: Woran arbeiten Sie derzeit?
glattauer:
An einem heiteren Theaterstück über meine Ausbildung. Außerdem habe ich zehn vage Ideen für einen Roman, wovon neun abgründige Geschichten sind. Da ich nur ein Leben habe und mich beim Arbeiten gut fühlen möchte, schreibe ich lieber über Aufbauendes. Ich warte also noch auf die 'eine' positive Idee.