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Christian Kolonovits: Eine Oper für José Carreras

Dunkel ist der Zuschauerraum des „Teatro Arriaga Antzokia“ in Bilbao. Nur ein kleines Pult in der ersten Reihe, direkt hinter dem Dirigenten, ist beleuchtet. Dort sitzt Christian Kolonovits und schreibt in die Partitur. Es sind die letzten Proben zu seiner Oper „El Juez“ – Der Richter. Bis zuletzt werden Noten fürs Orchester verändert.

Josep Carreras – ja, hier in Spanien besteht der Startenor auf die katalanische Schreibweise seines Vornamens – wartet auf der Bühne auf den Einsatz in seiner Rolle als Richter. Kolonovits, der mit dem Sänger schon viele CDs produzierte, schrieb ihm eine Oper auf den Leib. Passend zur Baritenor-Stimme, die der 67-Jährige jetzt singt. „Im Alter ist er auch so bescheiden geworden, dass er einen anderen Tenor auf der Bühne akzeptieren kann. Normalerweise geht das unter Tenören nicht“, erklärt Christian Kolonovits in seiner Mietwohnung gegenüber der Oper nach der Probe. Geprobt wird seit einem Monat bis spät in die Abendstunden. Seine Frau, Brigitte Just, pendelt zwischen Wien und Bilbao. Hier findet die Modedesignerin Zeit und Muße, ihre farbenfrohen Bilder zu zeichnen.

Freudig erschöpft ist der 62-jährige Komponist, trinkt Kaffee, isst ein Stück Schokolade und erinnert sich an den Tag, an dem das Projekt zu einer gemeinsamen Oper geboren wurde. Carreras, der 1987, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, an Leukämie erkrankte und nach einer Knochenmarktransplantation wieder gesund wurde, wollte noch einmal eine Oper singen.

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„Wenn ich für so einen großartigen Menschen wie José etwas schreibe, dann natürlich das, womit ich ihn am besten festmachen kann“, erklärt der gebürtige Burgenländer, der an der Wiener Musikhochschule Klavier, Cello, Dirigieren und Komposition studierte.


Entstehung

Vor mehr als zwei Jahren zog sich Christian Kolonovits nach Venedig zurück. Nur mit Notenpapier ausgerüstet, ohne Klavier, quartierte er sich in eine Dachstube in Giudecca ein. „Ich wollte ganz alleine sein und auf den Kanal schauen.“ Die gesamte Oper entstand dort im Kopf – alle Stimmen, alle Instrumente.

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Nach sechs Wochen kehrte er zurück nach Wien. „Da war nur noch angesagt, das nötige Sitzfleisch zu haben und durchzuhalten. Man kann die ganze Oper schon im Kopf haben, aber du musst sie aufschreiben, Note für Note, Instrument für Instrument.“ Alle Produktionsangebote wurden abgesagt. „Das war die intensivste Arbeit meines Lebens.“ Der Komponist begann mit der Knochenarbeit und setzte sich ans Klavier. „Das ist mein Instrument. Ich kann mich dort am besten ausdrücken. Wenn das Innere nicht mehr ausreicht, gehe ich ans Klavier und spiele mir selber was vor. In diesen 88 Tasten ist die ganze Musik dieser Welt enthalten.“

Als Kolonovits, dessen Kinderoper „Antonia und der Reißteufel“ seit vier Jahren ein Kassenschlager der Wiener Volksoper ist, zu seinem Freund José nach Barcelona kam und ihm die ersten Arien vorspielte, war der Sänger sofort begeistert. „Ich liebe diese Oper, es ist eine großartige Partitur und ein tolles Libretto von Angelika Messner“, schwärmt Carreras zwischen den Proben, umringt von seinem Sohn und Rechtsanwalt Alberto (41), seiner Tochter Julia (35) und den vier Enkelkindern.

Musik sei der Weg, wie er Gefühle und Emotionen ausdrücken und dem Publikum vermitteln könne. „El Juez – Die verlorenen Kinder“, inszeniert von Emilio Sagi, bezieht sich auf die Zeit der Franco-Diktatur, als Tausende Kinder in Klöster und andere Institutionen verschleppt und dort umerzogen wurden. Mit anderen Namen versehen, sahen sie ihre Eltern, Regimegegner, nie wieder.

Kolonovits komponierte „eine tonale“ Oper, wie er betont. „Weil ich ja der Meinung bin, dass die Popmusik, vor allem die Beatles, das 20. Jahrhundert verändert hat und nicht der Schönberg.“ El Juez bestehe aus vielen Elementen. Von Volksmusik, über Puccini bis zum 12-Ton-Thema von Hauser. Popmusikalisch rebelliert etwa das Volk. „Die Protesthaltung kommt aus dem Pop wie wir wissen: Bob Dylan, Leonard Cohen oder Lou Reed.“ Dann gibt es natürlich Musik aus der Operntradition, die, gerade weil sie für Carreras geschrieben ist, mit der Oper Italiens zu tun hat.


Opernfan

Puccinis Tosca war die erste Oper, die Christian Kolonovits mit zehn Jahren sah. Jeden Samstag holte ihn damals seine Cousine aus den Fängen der Schulbrüder in Strebersdorf. Raus aus dem trostlosen Internatsleben, hinein „in das Highlight meines Lebens“. Von Schönberg bis Wagner hörte sich das Musiktalent alles an. Wagner, als genialer Instrumentator und großer Motiv-Erfinder, haben ihn auch geprägt. „Aber am meisten sicher die italienischen Opern.“

Musik ist sein Leben. Mit ihr habe er seine spirituelle Mitte in sich selbst gefunden. „Musik ist wie Meditation. Früher hab’ ich mich nach einem Hangover ans Klavier gesetzt und nach einer halben Stunde war mein Schädelweh weg.“ Heute kommt er nach einer halben Stunde Mozart Spielens „in ein Stadium des Glücks und des Mit-mir-zufrieden-Seins. Töne sind unsere Schöpfung gewesen – am Anfang war das Wort“, philosophiert einer der bescheidensten Künstler Österreichs, den fast nichts aus dem Gleichgewicht bringet. Außer eine gelungene Premiere, wie gestern, die ihn, das Ensemble und vor allem das spanische Publikum zu Tränen rührte.

"El Juez - Die verlorenen Kinder"

Eine Produktion von Kupfer Kultur & Media, dem Teatro Arriaga Antzokia und den Tiroler Festspielen Erl.

Oper José Carreras wird für die Weltpremiere der Oper „El Juez“ (Der Richter) des österreichischen Komponisten Christian Kolonovits auf die Opernbühne zurückkehren. Libretto: Angelika Messner, Dirigent: David Giménez, Regie: Emilio Sagi.

Weltpremiere 9., 12.,15. August 2014 Erl in Tirol

Dokumentation Rudolf Klingohr „TV & more “ begleitete das Opernteam bei den Proben.