Andreas Gabalier: Kernöl-Elvis mit Manieren
Was das Leben an einen heranträgt: Auf aner Lichtung im Wold / steht a Rehlein und hoid / die liabn Lauscher in die Höh / Es wird Summer und bold / is in der Nocht nimmer kolt / do is as zuwi liegn wieda schen.
Boing. Nun die Millionquizfrage: Wissen Sie, von wem dieser Text stammt? Wir verkürzen die Auflösung mit einer Definition aus Willkommen Österreich: Vom "Kernöl-Elvis". Jeder, der’s wusste, darf sich jetzt einen Gewinn von 100 Euro denken.
Jaaa! VolksRock’n’Roller Andreas Gabalier, wer sonst? Händeklatschen, Kreisch und Jubel, beseligtes Strahlelächeln von Teenies, Muttis, Omis. Wurscht wo, seit dem Musikantenstadl 2009, da noch mit Fransen in der Stirn, kurzer Lederhose und nackten Wadeln, weißem Hemd und künstlerischem Schal-Hals-Tuch. Mit kehlig angeknackster Stimme, als hätte er im Raucherkammerl eines Flughafens übernachtet. Oder wäre, sämtliche Mutterinstinkte und Brutpflegetriebe weckend, mittelschwer verkühlt. Die Elvis-Tolle und das Opa-Schnäuztuch kamen erst mit dem raketenzischenden Erfolg als Firmenschilder der Ich-Marke.
Hardcore-Fans kennen alle Stationen AGs auswendig, vermerken sie, egal, ob Grand Prix der Volksmusik, Mariazeller Bergwelle, Wiener Praterdome, Benefiz-Konzert in Obdach, Sommer-Opern-Air und Winter-Event Wenn Di Musi Spielt in Bad Kleinkirchheim. Bis zum Bauernbundball im Grazer Messe Congress mit 16.000 Dirndln und Gaudiburschen. Heimspiel, könnte man sagen, die Familie wohnte in St. Peter, als Jus-Student bekam Andreas eine eigene Bude in Andritz, wo er noch heute logiert. Aber nein! Am 22. März erhielt der Österreicher Gabalier mit einer Ahnenreihe bis zu den napoleonischen Kriegen den deutschen Echo-Preis (in der Kategorie Volkstümliche Musik), für den österreichischen Amadeus am 1. Mai ist er gleich in vier Kategorien nominiert – vom "Album des Jahres bis zum Best Live Act". Und was wurde schon gestaunt und beschrieben, wie er zwischen allen U-Genres switcht, bis zum Pop und zum Rock’n’Roll.
"Nicht bewusst", sagt er, "das passiert so, durch Zufälle, Begegnungen, neue Kontakte, das Für-sich-Entdecken neuer Sounds. Nashville gerade. Ich kauf alles übers Internet, schieb mir beim Autofahren die CDs rein. 75.000 Kilometer bin ich letztes Jahr heruntergeradelt. Da hast viel Zeit."
Vom Kindergarten bis 17 hat er nur Klassik geübt, bei einer Freundin seiner Mutter, Klavierlehrerin, die wie die Mama Hauswirtschaftslehrerin ist. Alle vier Gabalier-Kinder mussten ein Instrument lernen, erzählte sein älterer Bruder, "Dancing Star" Willi. "Flöte, dann Klavier, bis ich mir in der Pubertät selber eine Gitarre gekauft hab", erzählt Andreas. Und dass er erst in letzter Zeit bei der Mama wieder bissl Vivaldi und Beethoven ausgegraben hat. Natürlich ohne Priorität gegenüber AC/DC, Statuts Quo, HipHop, Rap und Musical-Soundtracks. Einer seiner Cousins tanzte im Stadthallen-Musical "Aladdin". Gut erzogen alle miteinander. Ordentliches Hochdeutsch, Studium und den Sessel rücken, wenn die Dame zum Tisch kommt. Massentauglich wär das allein aber noch nicht.
I sing a Liad für di und dann fragst du mi / magst mit mir tanz`n gehn, i glaub, i steh auf di / i sing a Liad für di und kann die Sternderl sehgn / i hab mi verknallt in di.
Wir haben YouTube konsultiert und riechen über den kalten Schirm Andreas Gabaliers Testosteron. "Er schaut einem in die Augen, gar nicht auf den Busen, aber das reicht, um sich nackt zu fühlen", lacht und seufzt eine Lady, die ihn – in aller Keuschheit – etwas näher kennen lernte. "Sexsymbol – da juckt es in der Lederhose", formulierten es Stermann-Grissemann vordergründig indezenter. Nicht zu bestreiten, dass der 27-Jährige Bewegungstalent besitzt: Wie er den Hintern schupft, die Schultern rollen lässt, die Hüften schwingt. Elvis, okay, doch Österreichern liegt die Assoziation zum Wedeln näher. Passt. Skifoahn wie Berggehen sind zwei seiner gekonnten Passionen. "Zeit für Sport" hätt er gerne, der in Turnen so gut war, und als Kind noch lieber Sportler geworden wär als Musiker. Jetzt, da er "so ein verrücktes Leben" führt, hat er die Ski den ganzen Winter im Kofferraum mitchauffiert, ist im Salzburgischen und auf der Turrach "zu Mittag auf die Piste, um bissl Luft zu schnappen, Bewegung zu machen. Sinnlos, darüber zu jammern, dass der Speck mehr wird, wenn ich mich nach dem Duschen im Spiegel anschau. G’scheiter, sich am Riemen zu reißen: Tu was, du Sack!"
Aber Tanzunterricht? Hat er nie genommen: "Das Tanzen überlass ich meinem Bruder, und ich freu mich so für ihn, feuer ihn, so oft es geht, in der Fernseh-Show an. Find den Erfolg gerecht, wenns d’ fünf, sechs, sieben Tage pro Woche trainierst. Ich war mit 15 immer nur am Übungsabend in der Tanzschul, zuschauen, einem Mäderl zuliebe." Das mit den Mäderln ist aber auch nicht so einfach – obwohl AG damit ein neues Wort in Umlauf bringt, (urcool?) zwischen Heinz Conrads "Madeln" und musikantenstadeligen "Dirndln".
Also: "Als Jusstudent wollte ich die schönsten Mädchen der rechtswissenschaftlichen Fakultät sehen, und das fünf Tage die Woche", sagt er nett in seinen Interviews, oder konkreter: "Bis zum Sommer hab i a liabs Mäderl g’habt, in Graz, die Sabrina, aber wenns d’ nur alle 14 Tage heimkommst und dann nur schlafen willst ..." Aus und vorbei. Auf seinem dritten, dem VolksRock’n’Roller-Album gibt es ein Lied, über das seine Fans noch nachträglich schluchzen dürfen: I hob di in mei Herz graviert / Bis in olle Ewigkeit / So wie Sternschnuppen die fliagn / durch die fernen Galaxien / Daham, Daham, Daham, bin i nur bei dir. Die Etiketten "traurig" und "einsam" lässt er sich aber nicht aufnähen, auch "eifersüchtig" sei er immer nur in Maßen: "Ich muss nicht Single sein, will es sein. Hatte 30 Fernsehsendungen letztes Jahr. Leb so stark in der Gegenwart, träum nicht von Familie." Seinen Ist-Zustand, "Ich genieße und schweige", brachte Christoph Grissemann aus Männersicht so auf den Punkt: "... fix, was alles so daherkommt."
Huberta Gabalier, seine 54-jährige Mutter, gab vergangenen November einen Gedichtband heraus: "Herzleben". Schrieb sich damit aus "schweren Jahren" hinaus. Stellt dem Buch aber einen Rat ihres Vaters voran: "Kinder, passt’s auf, was ihr sagt’s. Ein Wort, das einmal draußen ist, kann man nicht zurückholen."
Familiensätze, die auch für die Gespräche mit Andreas und Willi Gabalier gelten. Doch, wie sollte es anders sein, nachdem sich der Vater, 53 und Bauingenieur, vor fünf Jahren und die 17-jährige Schwester zwei Jahre später nach Art tibetischer Mönche ums Leben brachten. Da kann man nur schlucken, und es ungeheuer tapfer oder ungeheuerlich finden, dass sie in Interviews Auskunft darüber geben. Festgefügte Auskunft: "Die Gründe sind unerklärlich. Mein Vater war einer der beliebtesten Onkeln in der ganzen Verwandtschaft. Immer fröhlich. Meine Schwester hat seinen Tod nicht verkraftet. Aber irgendwann muss man es annehmen, es verstehen, tolerieren, es war ihr freier Wille. Damit fertig werden. Am härtesten trifft es die Mama, weil sie die Älteste ist. Wir haben das Leben vor uns", wiederholt Andreas einmal mehr. Gibt zwei schöne Sätze dazu: "Manchmal ertappe ich mich bei der Beobachtung, dass ich ihm in vielen Dingen ähnlich bin, in Bewegungen, in einem Gesichtsausdruck. Das sind die Momente, in denen man zurückdenkt."
Insgesamt trotzdem "an eine superschöne Kindheit, mit großem Familienzusammenhalt. Die Möglichkeiten, was G’scheits zu lernen, Traktorfahren, Schnitzen und Jagern, von den Großvätern, beide Bauern, der eine in Kärnten, der andere in der Obersteiermark. Und diese bescheidene Art, dass man ins Jenseits nix mitnehmen kann. Sehr ,heilig’ die ganze Verwandtschaft, die Mama am heiligsten. Ihr zuliebe zahl ich pünktlich Kirchensteuer. Glaub aber, dass im Namen des Glaubens zu viel Schindluder getrieben wird." Nein, und er stellt sich kein Engerl vor, das oben auf der Wolke sitzt, selbst wenn er gern von Engerln singt: "Ich glaub nur, dass es – danach – irgendwas gibt."
Über Politik äußert er sich nicht, wie viele Musiker, die finden, Musik und Politik hätten nix miteinander zu tun. AG nennt den Grund zumindest beim Namen: "Meine Fans sind unterschiedlicher politischer Einstellung. Muss also nicht sein."
Gut, seine erste Solotournee durch Österreich steht an, ab 26. April mit Liveband in den großen Hallen. Sie sind jetzt schon beinah ausverkauft. Am 10. Mai geht’s in die Stadthalle D mit 11.000 Plätzen: "Das behandelt man mit großem Respekt." In Wien wird auch seine erste DVD aufgezeichnet, denn Gabaliers wunderbare Karriere verlief so rasend schnell, dass er die Wochen und Monate der letzten drei Jahre mit dem Gewirbel einer Zentrifuge vergleicht: Vor Kurzem noch "aus Jux und Tollerei" im Keller an Liedern gebastelt, die auf CDs dupliziert und übers Internet verkauft. Bis er über Radioeinsätze bei Klaus Bartelmuss landet, dem Besitzer von Stall-Records, das erste Album "Da komm ich her" produziert, und er (siehe oben) im Musikantenstadl aufsingt. Jetzt entwirft die Grazer Modeschule Ortweinplatz lässige Neo-Trachten-Outfits für die VolksRock’n’Roller-Tour. Da wird er nicht nur die Hüften schwingen, auch von der Liebe singen, wie sie reine Seelen gerne hätten.
Wenn du wüst hoit i dei Hond, bis du einschlafen kannst, lieg bei dir bis der Himmel rosa scheint. / Wenn du gspiarst dass du liabst, / dann leg dei Herzal in mei Hond, dann liab i di a Leben long.
Musik und Text sind astreiner Gabalier. Die Gabe zum Wortschöpfen muss von der Mama herkommen. Deutsch war keineswegs Andreas’ Lieblingsfach.