Downton Abbey-Star Lily James im Interview
Von Andreas Bovelino
Servitengasse zu Mittag, die Sonne lacht und die Schanigärten sind gut mit Geschäftsleuten, Hipstern und Studenten bestückt. Eine junge Frau in weißem T-Shirt und Jogginghose rennt die Tischreihen entlang, verfolgt von einer Meute sensationsgieriger Paparazzi. Wieder und immer wieder, während die Hipster an den Tischen das tun, was sie am besten können: sich von derlei Trivialitäten unbeeindruckt zu zeigen … Wenig später sitzt Lily James frisch und fit im schicken Cafe zum Interview, die Strapazen des Drehs sind ihr nicht anzumerken. "Doch", sagt sie und lacht dieses Lachen, das sie schon als aufmüpfige Gräfin in der Erfolgsserie "Downton Abbey" so unwiderstehlich machte. Breit, mit gebleckten Zähnen – ansteckend. "Ich bin ganz schön fertig", sagt sie und bläst sich eine Strähne aus der Stirn. Aber immerhin spielte sie in ihren ersten Filmen doch eine britische Weltmeisterschaftsteilnehmerin, überzeugte den Regisseur mit einem selbst gedrehten Lauf-Video. "Ja, da bin ich stundenlang durch den Park gejoggt während ein Freund mich gefilmt hat – aber das ist sechs Jahre her. Wäre ich nur drangeblieben ..." Lily James grinst.
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Sie ist jetzt 27 und hat eine der steilsten Karrieren der jüngeren Filmgeschichte hingelegt. Da ist Downton Abbey, natürlich. Jene Serie, die mit ihrem "Haus am Eaton Place"-Charme Millionen Fans weltweit in Verzückung geraten ließ. Mit "Krieg und Frieden" legte James eine weitere Historienserie nach, im
Kino war sie in den Kriegs-Dramen "The Exception" (mit Christopher Plummer), der schrillen, von Natalie Portman produzierten Jane-Austen-Adaption "Stolz und Vorurteil und Zombies" (mit "Game of Thrones"-Star Lena Headey) und dem Gangster-Streifen "Baby Driver" (mit Kevin Spacey und Jamie Foxx) zu sehen. Im Herbst kommt ihr "The Darkest Hour" ins Kino, jener Film, der Gary Oldman als Winston Churchill endlich den lang verdienten Oscar einbringen soll.
Und dann ist da noch der Streifen, um den viele ambitionierte Jungschauspielerinnen einen weiten Bogen gemacht hätten, weil die berechtigte Sorge besteht, dass er sie bis in ein Alter, in dem sie dann die böse Schwiegermutter spielen dürfen, in die schauspielerische Wüste katapultiert hätte. Die ist Rosa und wird von der gnadenlosen Prinzessin Lillifee regiert. Hatte sie Bedenken als sie die Rolle der Cinderella annahm, Angst? "Stimmt", sagt sie und nascht von ihrem Thunfisch, "das kann schon schiefgehen. Aber in diesem Fall: Nein, ich hab nicht eine Sekunde gezögert, die Rolle anzunehmen." Was daran lag, dass Shakespeare-Mime und Regie-Ass Kenneth Branagh für die Verfilmung verantwortlich war. Und tatsächlich zeigte er eine entkitschte Version des Aschenputtels. Eine junge Frau, die versucht, trotz aller Widerstände ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Mit ein bisschen Hilfe von der Märchenfee halt ...
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"Kenneth ist einer der Größten – und ein wichtiger Vertrauter und Lehrer für mich. Außerdem hatte ich so die Chance, zwei meiner absoluten Idole kennenzulernen: Cate Blanchett und Helena Bonham-Carter!", sagt der jugendliche Star und freut sich auch nachträglich noch wie ein echter Fan. "Naive, unschuldige Menschen zu spielen, ist für einen Schauspieler durchaus eine Herausforderung", fügt sie noch hinzu. "Du musst etwas Wahrhaftiges, Authentisches in ihnen finden, herausarbeiten – weil sonst alles Klischee bleibt. Wobei das natürlich auch für Bösewichte gilt." Ursprünglich hatte James sich für eine der beiden fiesen Stiefschwestern beworben ...
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Plötzlich Prinzessin – gut, das kennt man. Aber wie ist es, wenn man, so wie sie, praktisch über Nacht berühmt wird? "Downton Abbey", "Zorn der Titanen", "Fast Girls" – praktisch alles in ihrem ersten Jahr nach Abschluss der Schauspielschule. "Es ist schwer zu begreifen. Vor allem, weil man sich eigentlich als junger Schauspieler wenig Hoffnung machen darf. Es ist sehr schwer, Engagements zu bekommen, wenn einen niemand kennt. Wahrscheinlich hatte ich einfach unglaubliches Glück." Womit Lily James eindeutig tiefstapelt. Es war ihre Desdemona in einer Othello-Inszenierung im Crucible Theatre in Sheffield, die ihr die Tür zu den großen Filmproduktionen öffnete. "Wir haben einen neuen Star am Theater", schrieb die britische Presse damals begeistert, und: "Lily James macht uns alle, die vor ihr diese Rolle gespielt haben, vergessen. Haltung, Sprache, Anziehungskraft – sie hat alles." – "Ja, das hat sicher geholfen", sagt sie, "aber auch dass ich die Rolle bekommen habe, war zu guter Letzt Glück ..."
Apropos Glück: Wie sehr stresst einen Star eigentlich das Starsein? Bleibt da überhaupt Zeit für Glück? "Zeit mit meinem Freund, Reisen, ein unvergesslicher Indien-Urlaub, Binge-Watching mit den Kumpels, Mann, ich liebe Narcos und die ganzen Netflix- und HBO-Serien, neue Songs von FKA Twigs! Zeit für Glück ist immer. Und dann ist da natürlich mein Beruf: In wirklich intensiven Szenen existiert man in einer Art Parallelwelt – das sind dann die großen Glücksmomente der Schauspielerei." Wurde sie, wie in ihrem Spot für Vöslauer, schon einmal richtig von Paparazzi belästigt? "Ja, doch – aber zumindest in England läuft es nicht so ab wie in diesem Spot. Sie stehen unauffällig vor deiner Tür, verfolgen dich im Auto ... Es ist eher unheimlich. Und ich verstehe wirklich nicht, was so toll daran sein soll einen Schauspieler zu fotografieren, wie er eine Packung Milch kauft?!" Lily James schüttelt den Kopf, dass ihr Pferdeschwanz fröhlich mitwippt. "Und dann sieht meine Oma die Fotos in der Zeitung und fragt mich ganz besorgt: Kind, warum hast du immer Löcher in deinen Jeans?"