Wo MotoGP das Vorbild sein kann
Von Florian Plavec
Höher, stärker, schneller, lauter. Fünf Rennen sind heuer noch zu absolvieren, dann wird die Formel 1 runderneuert. Die Fahrzeuge werden 2017 aggressiver aussehen, die Reifen und die Autos werden breiter sein, und größere Flügel bringen mehr Abtrieb. Dadurch liegen die Autos stabiler in den Kurven – und werden vor allem schneller. Sehr viel schneller.
Um drei bis fünf Sekunden sollen die Rundenzeiten in der kommenden Saison gedrückt werden. Das Spektakel ist also garantiert.
Ist es nicht.
Im Gegenteil, es mehren sich Stimmen, die bereits jetzt das neue Reglement kritisieren. Einerseits wird mit freiem Auge kaum zu erkennen sein, dass die Autos deutlich schneller fahren. Andererseits wird befürchtet, dass es durch den höheren Abtrieb weniger Überholmanöver geben könnte. Der Grund: Im Windschatten verliert das dahinterfahrende Auto Anpressdruck und dadurch in den Bremszonen und Kurven deutlich an Grip. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff prophezeit eine schwierige Zeit: "Die Autos werden nicht in der Lage sein, einander zu folgen", sagt der Wiener. "Mehr Abtrieb hinzuzufügen, das war ein Fehler."
Einer der größten Kritiker des neuen Reglements ist Technik-Guru Ross Brawn: "Die Änderungen kommen zu einer Zeit, in der die Formel 1 gerade wieder spannend und interessant geworden ist", sagte der 61-jährige Brite. Sobald neue Regeln kommen, müssen diese immer "eine Weile reifen". Brawn befürchtet, dass ein Team wie Mercedes die Szene ein bis zwei Jahre gnadenlos dominieren werde. Den Ansatz, die Autos schneller zu machen, findet Brawn nur bedingt gut. Als bestes Beispiel dafür führt er Regenrennen an, die immer langsamer sind, zumeist aber sehr spannend: "Ich denke nicht, dass es die Geschwindigkeit ist, die die Leute hinter dem Ofen hervorlockt. Es ist Racing."
Vorbild MotoGP
Deutliche Worte fand auch Gerhard Berger in der jüngsten Ausgabe von "Sport & Talk" auf ServusTV. Zwar seien breitere Reifen und ein spektakuläreres Aussehen optisch der richtige Weg, allerdings bezweifle er, "ob das für die Show das bringt, was man sich erhofft".
Bergers Meinung nach sollte sich die Formel 1 ein Beispiel an der MotoGP nehmen: "Der spektakulärste Motorsport ist momentan die Motorrad-WM. Ein Motorrad ist 20 Sekunden pro Runde langsamer als ein Formel-1-Auto. Trotzdem schaut es viel spektakulärer aus", sagte der zehnfache Grand-Prix-Sieger in der Formel 1. Vergleichbar war das heuer schon auf drei Strecken, wo sowohl die Formel 1 als auch die MotoGP gefahren ist: in Barcelona, in Spielberg und in Silverstone.
Der Ansatz des 57-Jährigen lautet: weniger Aerodynamik, weniger Grip, mehr Motorleistung. "Ein Motorrad hat mit schmalen Rädern fast 300 PS. Da ist das Verhältnis Motor zu Grip ganz anders. Ich glaube, das ist der Schlüssel", sagt Berger. "Wenn die Hälfte Grip ist und du ein Drittel mehr Leistung hast, ist so ein Ding unglaublich schwer zu fahren. Dann passieren Fehler, dann steht man quer, dann ist man spektakulär. In diese Richtung sollte die Formel 1 gehen."
Zu den Wurzeln
Und damit würde die Formel 1 einen Schritt zu den Wurzeln machen, oder besser: Einen Schritt in die 80er-Jahre. Berger: "Wir hatten spektakuläre Rennen mit bis zu 1400 PS. Wir hatten die Hälfte des Abtriebs, den die Autos heute haben. Es war ein Ritt auf der Kanonenkugel, diese 1400 PS auf die Strecke zu bringen. Die Bewegungen am Lenkrad hat der Zuschauer gesehen." Kommunikation mit dem Team gab es kaum: "Wir hatten keine Luft, um zu sprechen."
Und dann sind da noch die echten Typen, die die Motorrad-WM so interessant machen. Ein Marc Márquez, ein Jorge Lorenzo und vor allem ein Valentino Rossi ziehen die Fans mit ihrer Show auf und abseits der Strecke in ihren Bann. Natürlich sind auch Hamilton, Räikkönen, Alonso, Button oder Ricciardo nicht fad. Doch das starre Korsett eines Rennwochenendes und die strengen Benimmregeln der Formel 1 nehmen den Fahrern oft die Möglichkeit, sich als Persönlichkeit zu präsentieren.