Sport/Wintersport

US-Alpinchef Riml: "Mikaela muss langfristig denken"

In der Früh brachte Patrick Riml noch schnell seine Tochter Reyna daheim in Sölden in die Schule, dann reiste der Tiroler Sportchef des amerikanischen Alpin-Teams zum Nachtslalom von Flachau. Seit dem 7. Dezember ist er Staatsbürger der USA ("das war eine ganz nette Zeremonie in Salt Lake City"), und vor dem Flutlichtspektakel sprach er am Dienstagnachmittag über Verletzungen, Talente und das liebe Geld.

KURIER: Sechs Saisonsiege für Lindsey Vonn, zwei für Mikaela Shiffrin, aber nur einer für Ted Ligety – was ist los mit dem Mister Giant Slalom?

Patrick Riml: Ted ist im November im Super-G-Training in Copper Mountain in ein Loch gefahren und gestürzt. Wir hatten schlechte Sicht, er konnte sich nicht auf die Situation vorbereiten – und dann hat es ihm das Kreuz zusammengestaucht. Er hat danach kaum trainieren können, und in Val d’Isère haben wir dann gesehen, dass ihm die Kilometer auf den Skiern fehlen. Die hat er jetzt, aber leider konnte er wegen der Absage des Riesenslaloms von Adelboden nicht zeigen, was er drauf hat.

Der Rücken ist seit der Materialumstellung bei den Herren auf die weniger taillierten und längeren Skier der Brennpunkt.

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Absolut. Die Skier sind schwieriger zu fahren, der Kraftaufwand ist enorm. Was die Burschen ins Krafttraining investieren, ist unglaublich – und inzwischen fahren sie Radien, die sie früher mit den alten Skiern nicht gefahren sind. Die Verletzungen sind zwar weniger geworden, aber jetzt treten die Abnützungserscheinungen in den Vordergrund, ob in den Knien oder im Rücken. Da wird man sich mit dem Ski-Weltverband und den Ausrüstern überlegen, was man ändern kann.

Wie geht’s eigentlich Mikaela Shiffrin, die sich ja Mitte Dezember in Åre verletzt hat?

Sie hat zuletzt viel daheim in Vail Kondition trainiert. Aber wir werden uns anschauen müssen, wie ihr Schienbeinkopf auf Belastung reagiert, zuletzt ist noch ein kleiner Bruch entdeckt worden.

Sie will ja noch in dieser Saison in den Weltcup zurückkehren.

Am liebsten wär’ mir, wenn sie heute beim Nachtslalom am Start steht (lacht). Es ist ihre erste gröbere Verletzung, und sie weiß, dass sie langfristig denken muss.

Ein schwerer Verlust für das kleine Slalom-Team der USA.

Sicher. Aber Resi Stiegler ist ein Jahr nach ihrem jüngsten Kreuzbandriss schon wieder in den Top 15. Derzeit fährt sie halt den Hang runter, aber das reicht für diese Plätze. Wenn sie dann wieder ans Limit geht ... und wir haben einige starke Junge in den Jahrgängen 1997 und 1998.

Und die Nummer eins der Weltcup-Geschichte: Lindsey Vonn.

Was sie in Zauchensee gemacht hat, war sensationell. Es war aber auch schon unglaublich, wie sie im Oktober in Sölden skigefahren ist, so kurz nach ihrem Knöchelbruch. Sie weiß inzwischen genau, wo sie sich ein bissl zurücknehmen muss und wo sie ihre Stärken ausspielen kann.

Das Pendant zu den US-Damen sind derzeit die Norweger ...

Keine Überraschung. Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud sind seit Jahren vorn dabei, und Henrik Kristoffersen hatte schon super Ergebnisse, nur ist er jetzt halt auch noch konstant. Sie haben eine relativ kleine Mannschaft, dafür aber relativ viele Betreuer. Andere Nationen haben den gleichen Stab, aber für doppelt oder drei Mal so viele Athleten. Wir haben von den ganzen großen Nationen sicher das kleinste Budget – fünf Millionen Dollar pro Jahr. Da haben schon allein die Schweizer Herren mehr. Und wir haben viel höhere Kosten, denn wir müssen ja immer hin- und herfliegen – pro Athlet sind das rund 40.000 Dollar im Jahr.

Der Trainer

Patrick Riml (*13. Jänner 1971) aus Sölden musste seine Karriere als Rennläufer wegen einer Verletzung vorzeitig beenden und schlug deshalb früh die Trainerlaufbahn ein. Erstmals Aufsehen erregte der Ötztaler als Betreuer von Claudia Riegler, die in seiner Ära für Neuseeland vier Weltcupslaloms gewann. Später betreute der Tiroler sieben Jahre lang erfolgreich das amerikanische Damen-Team. Nach einem dreijährigen Intermezzo beim kanadischen Team kehrte Riml 2011 als Alpinchef zum US-Verband zurück.

Der Mensch

Patrick Riml lebt seit 2000 in den USA, seit dem 7. Dezember 2015 ist er auch US-Bürger. Mit Frau Jodi und Tochter Reyna lebt er in Park City (Bundesstaat Utah), während der Saison kommt die Familie aber immer wieder nach Europa.