Sport/Wintersport/ski-wm-2017

Hirscher: "Ich bin der Glückspilz Marcel"

Zwei Wochen Ski-Weltmeisterschaft, das letzte Rennen, der letzte Fahrer: Marcel Hirscher. 67 Hundertstelsekunden hatte der Führende zu verteidigen. "Das lässt er sich nicht mehr nehmen", sagte ein österreichischer Fan. "Bist du sicher?"

"Sicher. Wir sprechen nicht von irgendwem. Wir sprechen von IHM."

Zwar ist Marcel Hirscher nicht der Messias, aber Marcel Hirscher ist einer der bemerkenswertesten Athleten der Skigeschichte. Nach Silber in der Kombination und Gold im Riesentorlauf der WM von St. Moritz holte der 27-Jährige auch noch Gold im Slalom. Manuel Feller durfte Silber bejubeln, Felix Neureuther Bronze.

Locker und gelöst

"Ich habe ein Gefühl der Befreiung gehabt", sagte Hirscher. "Mit Silber in der Kombination war das Minimalziel geschafft, mit Gold am Freitag ist der Knoten geplatzt. Heute habe ich gewusst: Egal, was passiert, ich bin schon Weltmeister."

Es passierte – nichts. Mit 68 Hundertstelsekunden Vorsprung raste Hirscher ins Ziel, breitete die Arme aus, ließ sich in den Schnee fallen und genoss. "Bei dieser WM habe ich das Glück auf meiner Seite gehabt. Es hätte so viel passieren können. Ein Ausrutscher im Riesentorlauf, oder ein Einfädler im ersten Tor im Slalom. Ich bin der Glückspilz Marcel."

Mit seinem Sieg schrieb Marcel Hirscher ein weiteres Kapitel im großen Buch der Skigeschichte, denn ...

... sein sechstes Gold war seine insgesamt neunte WM-Medaille;

... er ist der erste Slalom- und Riesentorlauf-Weltmeister derselben WM seit Alberto Tomba anno 1996;

... er ist der erste Mann, der bei drei Weltmeisterschaften in Serie je drei Medaillen holen konnte;

... er trug dazu bei, dass Österreich bei der 44. alpinen Ski-WM doch noch die Medaillenwertung gewann. Mit drei Mal Gold (2x Hirscher, Schmidhofer), vier Mal Silber (Hirscher, Leitinger, Feller, Venier) und zwei Mal Bronze (Franz, Kirchgasser);

... und er wird in naher Zukunft der erste Skifahrer sein, der sechs Mal den Gesamtweltcup gewinnt. In Serie!

Alle Inhalte anzeigen
Nur eines fehlt noch in der Sammlung: olympisches Gold. Hirscher: "Wenn das noch dazukommt, dann kommt’s. Wenn nicht, fehlt nur das Pünktchen auf dem i."

Das Geheimnis des Marcel Hirscher? Es gibt eigentlich keines. Vor allem vier Aspekte machen ihn zum besten Skifahrer:

Talent
Vor zehn Jahren startete Marcel Hirscher erstmals bei einer Junioren-WM – der 18-Jährige siegte im Riesenslalom und holte Silber im Slalom. Von da an ging es fast linear bergauf, und was man beinahe vergisst: Bei der WM 2009 in Val d’Isère war er als 19-Jähriger bereits Vierter im Riesenslalom bei den Erwachsenen. Was ihn ausmacht, erklärt Slalom-Vizeweltmeister Manuel Feller: "So einen wie den Marcel hat’s noch nie gegeben. Gut, Hermann Maier und davor Ingemar Stenmark. Aber er nimmt einen neuen Ski, fährt ihn nicht einmal ein – und ist am zweiten, dritten Tor schon schneller als alle anderen. Er kann schlecht verlieren, deshalb ist er ein so guter Sieger."

Akribie
Hirscher ist der größte Tüftler im Starterfeld. Überall sucht er nach Verbesserungen, immer ist er auf der Suche nach der perfekten Abstimmung im System Ski-Platte-Bindung-Schuh. Alleine 50 Paar Skier hat er nach St. Moritz bringen lassen, wo sich sein eigenes Servicepersonal um das Material kümmert.

Körper
Hirscher blieb von schweren (Knie-)Verletzungen bisher verschont, abgesehen von dem Kahnbeinbruch im Fuß, der ihn um die WM 2011 gebracht hat. Und er ist ein Modellathlet, das hat ihm Rückenprobleme erspart.

Fokus
Hirscher weiß, seine Energien einzuteilen und lässt sich durch nichts ablenken. Der persönliche Pressebetreuer Stefan Illek blockt allzu lästige Medienanfragen ab. Und Hirscher hat ein Umfeld, das es ihm erlaubt, sich zurückzuziehen. Nach seiner zweiten Goldmedaille dankte er "Familie, Freundin, Hund. Denn Skifahren ist viel mehr als nur blaue und rote Tore."

Alle Inhalte anzeigen