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Günther Mader: "Die spielen Abfahrt am Computer"

Als Weltcupläufer gewann Günther Mader in allen fünf Disziplinen. Derzeit ist der 52-Jährige in seiner Funktion als Rennsportchef von Salomon in St. Moritz.

KURIER: Worauf achten Sie bei einem Skirennen?

Günther Mader: Sicher auf etwas anderes als der normale Konsument. Mir ist es wichtig, an der Piste zu stehen, wo man viel mitkriegt. Im Ziel auf der Leinwand sieht man nichts und wird oft abgelenkt.

Der Laie glaubt, im Fernsehen sehe man am besten.

Vor Ort bekommt man mehr mit. Wenn zum Beispiel der Wind dreht, spürt man das sofort. Im Fernsehen sieht man das nicht. Da sieht man nur, dass jemand eineinhalb Sekunden langsamer ist – und weiß nicht, warum.

Wie geht es Ihnen, wenn auf dem Podest drei Läufer stehen, die ein Konkurrenzprodukt fahren?

Man muss realistisch sein. Wie viel Budget haben wir, und was kann man daraus machen? Wir können nicht bei Damen und Herren das volle Programm fahren. Das Geschäft ist hart geworden. Wir können nur davon träumen, im Rennlauf eine Million mehr Budget zu bekommen – es wird nicht passieren. Wir tun uns schwer, die Skier unter die Leute zu bringen.


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Weshalb?

Die letzten drei Winter hat es in großen Städten wie Wien, München oder Zürich im Dezember nicht geschneit. Die Städte machen beim Skiverkauf die Masse aus. Kein Mensch geht bei plus 12 Grad in München in ein Geschäft und kauft sich einen neuen Helm.

Insofern sind Sie wahrscheinlich froh, dass die nächsten Olympischen Spiele in Südkorea sind.

Natürlich. Darauf hoffen wir. Und auch auf China. Vielleicht kommt es einmal so weit, dass dort eine gewisse Masse beginnt, skizufahren. Aber das wird dauern.

Ist Skifahren zu teuer?

Wenn man beim Skifahren Hunger bekommt und mit zwei, drei Kindern in die Hütte essen geht, dann kommt einiges zusammen. Aber ich glaube, die Skigebiete werden sich darauf einstellen.

Tatsächlich?

Ja. Aber auch die Konsumenten müssen sich etwas überlegen. Mit zwei kleinen Kindern brauche ich kein Skigebiet mit 35 Liften. Die fahren doch eh am liebsten immer mit demselben Lift.

Schauen Sie sich in der Entwicklung bei der Konkurrenz etwas ab? Besorgt man sich den Ski und zerlegt den dann?

Logischerweise schauen wir genauer hin. Aber heutzutage macht man das mit Highspeed-Videos. Da erkennt man, wie ein Ski reagiert, wenn er in ein Loch fährt, oder wenn der Fahrer einen Schwung zieht. Wenn man da Rückstand hat, versucht man, diese Eigenschaften nachzubauen.

Klingt einfach.

Ist es teilweise auch. Kompliziert ist das Zusammenspiel zwischen Ski, Bindung, Platte und Schuh. Man darf immer nur an einem Bereich arbeiten. Wenn man verschiedene Dinge ändert, kann der Läufer nicht mehr sagen, woran es jetzt gelegen ist. Und dann gibt es natürlich noch den Faktor Natur. Die Piste ist beim Testen zu 90 Prozent anders als im Rennen. Noch schwieriger ist es auf dem Gletscher, dort ist ein anderer Schneekristall, und die Läufer bekommen ein falsches Feedback. Da kann es passieren, dass man komplett in eine falsche Richtung entwickelt.

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Bode Miller hat seinen neuen Ski präsentiert und spricht vom perfekten Ski. Ist das eine reine Marketing-Geschichte?

Man braucht sich den Ski nur anschauen. Was will man da Neues erfinden? Der wird in einer kleinen Fabrik in Italien produziert, Bode selbst ist angeblich beteiligt. Logischerweise wird er da gut reden. Aber so eine kleine Firma kann nicht in den Rennsport einsteigen. Das ist ein Kasperltheater.

Bode Miller ist ein toller Werbeträger. Wie schaut für Sie der ideale Fahrer aus?

Einer, der gewinnt. Aber es gibt mehrere Aspekte, gerade heutzutage mit Social Media. Man muss nur schauen, was Lindsey Vonn da aufführt. Die erreicht dann auch andere Gesellschaftsschichten, sie baut einen anderen Markt auf.

Wo sind die großen Märkte, die es zu erschließen gilt?

Der größte Markt ist Amerika. Japan hat in den letzten Jahren extrem abgebaut. Einige Skigebiete haben zugesperrt. In Japan ist eine neue Generation da. Die gehen nicht mehr skifahren, die spielen ihren Abfahrtslauf am Computer.

Sie haben in allen fünf Disziplinen Rennen gewonnen. Wieso gibt es diese Typen nicht mehr?

Es hängt mit den Erholungsphasen zusammen, und mit der Zeit, die man ins Training investieren kann. Als Allrounder hat man keine Zeit, zur Ruhe zu kommen. Dazu kommt, dass du bei einer Firma sein musst, die mit dem Material in allen Disziplinen top ist. Sonst hast du keine Chance. Außerdem ...

Außerdem?

Der Slalom hat sich von den drei anderen Disziplinen wegentwickelt. Was aber immer noch gehen müsste, wäre ein Siegfahrer in Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf. So, wie es Hermann Maier war.

Was ist aus Ihrer Sicht das Spezielle am Skifahren?

Die Gleitphase. Die macht jeden glücklich. Egal, ob du ein super Skifahrer bist oder ein Anfänger. Wenn du als Anfänger zum ersten Mal vom Stemmbogen aus geradeaus fährst, ist das ein enormes Erfolgserlebnis. Und dazu kommt natürlich die Natur.

Der 51-Jährige aus Matrei am Brenner ist einer von fünf Skiläufern, die in allen fünf Weltcup-Disziplinen Siege gefeiert haben. Insgesamt wurden es deren 14. 1995 und 1996 gewann er den Gesamtweltcup. Bei Weltmeisterschaften holte Mader fünf Bronzemedaillen und eine Silberne. 1992 in Albertville gewann er olympisches Bronze in der Abfahrt.

Nur 13 Tage nach seinem Rücktritt erlitt er 1998 einen Schlaganfall, war halbseitig gelähmt und verlor 85 Prozent seiner Sprache. Nach der Rehabilitation kehrte er als Rennsportchef bei Salomon zurück. 2003 veröffentlichte er seine Autobiografie "ÜberLeben", in der er über seine Ski-Karriere und sein Comeback nach dem Schlaganfall schreibt.